Peter Schober

Das kleine Salem-Stefansfeld im Blickpunkt der ganzen Nation – und darüber hinaus. Die wohl illustreste Episode in der Geschichte der damals noch selbstständigen Gemeinde am Bodensee ereignete sich 1965. Damals machte am 22. Mai ein Sonderzug an seinem Bahnsteig Station – und darin saßen Königin Elisabeth von England und Prinzgemahl Philip. Im Rahmen ihres ersten Deutschlandbesuchs kamen sie zur Stippvisite bei ihrer Verwandtschaft, der markgräfliche Familie.

Der Bahnhof ist heute stillgelegt, doch hin und wieder erzählt man sich in Salem noch von diesem märchenhaften Ereignis. Die Episode wird dieser Tage im Ort sicher wieder häufiger erzählt.

Auf dem Foto aus dem Familienbesitz der Familie Naumann, entsteigt Queen Elizabeth mit Sonnenbrille dem markgräflichen Weinkeller, links ...
Auf dem Foto aus dem Familienbesitz der Familie Naumann, entsteigt Queen Elizabeth mit Sonnenbrille dem markgräflichen Weinkeller, links davon Max Markgraf von Baden. Elizabeth stattete der markgräflichen Familie im Frühjahr 1965 einen Besuch ab. | Bild: Archiv Thomas Naumann

Der Bahnhof wurde eigens frisch gestrichen

Helmut Ziegler erinnert sich noch gut an diesen Tag im Mai 1965. Als Mitglied des damals noch ganz jungen Salemer Fanfarenzugs durfte er Ihrer Majestät den Ehrenmarsch blasen. „Als Anfang des Jahres 1965 bekannt wurde, dass im Mai die Queen nach Salem kommen würde, ging diese Nachricht wie ein Lauffeuer durch den Ort“, weiß Helmut Ziegler noch.

In Salem stand man fortan unter Zeitdruck: Das nur noch sporadisch genutzte Gleis vom Bahnhof Mimmenhausen nach Stefansfeld, ein Überbleibsel des einstigen Frickingerle, das die Bodenseegürtelbahn mit dem Hinterland verband, musste sicherheitstechnisch aufgemöbelt, der Bahnhof Salem-Stefansfeld frisch gestrichen werden.

Königin Elisabeth steigt am 22. Mai 1965 in Salem aus dem Sonderzug.
Königin Elisabeth steigt am 22. Mai 1965 in Salem aus dem Sonderzug. | Bild: Hadwig Huber

Am frühen Vormittag des 22. Mai 1965, einem Samstag, war es dann soweit. Der am Bahnhof Mimmenhausen auf wenige Waggons reduzierte Sonderzug der Queen rollte in Stefansfeld ein. Aller Augen richteten sich auf den Salonwagen des englischen Königspaares.

Es wurde von der markgräflichen Familie – dem damals noch unverheirateten Max Markgraf von Baden, seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern -, den Honoratioren der Gemeinde mit Bürgermeister Baron von Hornstein an der Spitze als erstes begrüßt und willkommen geheißen.

Der traurigste Bahnhofsvorsteher Deutschlands

Helmut Ziegler erinnert sich: „Anschließend wurde der Queen der gesamte Salemer Gemeinderat persönlich vorgestellt.“ Ebenso der Bahnhofsvorsteher. Diese Ehre allerdings wurde nicht dem amtierenden Bahnhofsvorsteher Stegerer zuteil. Dieser wurde, weil er zu rangniedrig war, für die Zeit des Queen-Besuchs von seinem Amt suspendiert und durch einen ranghöheren Bahnbeamten mit dekorativeren Epauletten (Schulterklappen) ersetzt. Immerhin war, erzählt Helmut Ziegler, Stegerer in der Presse eine Schlagzeile gegönnt: „Der traurigste Bahnhofsvorsteher Deutschlands.“

Der SÜDKURIER widmete Königin Elisabeth und Prinz Philip 1965 unter dem Titel „Heute: Queen Elizabeth am Bodensee“ einen ...
Der SÜDKURIER widmete Königin Elisabeth und Prinz Philip 1965 unter dem Titel „Heute: Queen Elizabeth am Bodensee“ einen Farbdruck, was in jener Zeit noch nicht üblich war. | Bild: SÜDKURIER-Archiv

Roter Teppich auf dem Bahnhofsvorplatz

Nach dem Begrüßungszeremoniell begab sich die Queen auf dem ausgelegten roten Teppich zu der auf dem Bahnhofsvorplatz wartenden Kutsche des Markgrafen. Sie wurde von Hofkutscher Ferdinand Moog geführt. Gezogen von zwei Schimmeln, brachte sie das englische Königspaar zu dem etwa eineinhalb Kilometer entfernten Schloss - zu dem besonders Prinz Philip eine enge Verbindung hatte.

Die Königin per Pferdekutsche auf dem Weg: Rechts Prinz Max von Baden, hinten Prinz Philip und seine Schwester, Prinzessin Theodora.
Die Königin per Pferdekutsche auf dem Weg: Rechts Prinz Max von Baden, hinten Prinz Philip und seine Schwester, Prinzessin Theodora. | Bild: AP

Der Weg dahin sei von einem dichten Spalier von Schaulustigen gesäumt gewesen, erzählt Helmut Ziegler. Von über 10.000 Menschen sei die Rede gewesen. Ganz zu schweigen von den Massen, die dieses Ereignis an den damals noch seltenen Fernsehern verfolgten.

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Dieser Text erschien ursprünglich in längerer Fassung 2018 im Rahmen der Serie „Gedächtnis der Region“.