Das Sammeln des Narrenpfennigs ist für den Narrenverein Salem ein hochoffizieller Akt in der fünften Jahreszeit. An den fünf Werktagen vor dem Schmotzigen Dunschtig gehen sie im schwarzen Frack mit Zylinder auf dem Haupt und weißen Handschuhen an den Finger durch das Dorf. Jede Spende ist willkommen, sei sie noch so klein. Dafür darf sich der Spender in das Narrenbuch eintragen. In den letzten 108 Jahren sind so drei große Bücher vollgeschrieben worden.

In den Folianten stehen nicht nur die Spender und die gespendeten Beträge. Jedes Jahr fängt mit einem Rückblick auf die vergangene Fasnet an. Diese Chronik wurden vor 100 Jahren im feinsten Sütterlin geschrieben, in der heutigen Zeit für die meisten nur noch schwer lesbar. Aber schon früh in den 1920er Jahren finden sich die ersten eingeklebten Schwarzweißfotos. Seit den 1960er Jahren fanden Farbfotos ihren Weg in die Narrenbücher.
"Im Narrenbuch wurde alles festgehalten", erklärt Narrenpräsident Peter Frick. So lautet der erste Eintrag auch "Stamm-Buch aller Narren und Chronik der Narren Gesellschaft Salem, gegründet 19ii". Es folgt die Gründungsschrift und die Namen des ersten Vorstandes. Schon damals wurde der Foliant als Kassenbuch geführt. Einnahmen und Ausgaben sind fein säuberlich notiert. So öffnet sich dem Leser ein Stück lesenswerte Salemer Geschichte.
Die Jahre 1928 bis 1947 fehlen. Der Chronist gibt hierzu Klarheit. Das Buch war verschollen, bis es 1948 wie durch Zauberhand wiederentdeckt wurde. Es blieb eine ungewöhnliche historische Quelle. Die Ereignisse, in farbenfroh gemalten Bildern festgehaltenen, waren nicht nur lokaler Natur. Die Fasnacht nach dem zweiten Weltkrieg wurde genauso festgehalten, wie die Überschwemmung an der Aach, die Angst vor einem Atomkrieg in den 1970er Jahren, die Einführung der Euro-Währung 2002 oder die Wachablösung im Hause Baden als Prinz Bernhard die Geschäfte vom Vater Markgraf Maximilian übernahm. Zufällig fiel das auch mit der Übergabe des Narrenzepters von Ernst Fuchs an Peter Frick zusammen. Walter Seeger, Paul Knorr und Günther Bigall malten Jahr für die schönen Bilder in die Chronik.
Das 2019er Bild zeigt Abt Anselm II. in einer himmlischen Wolke vor der Stefansfelder Kapelle und der Hauptstelle der Sparkasse Salem-Heiligenberg. Im Vordergrund steht seine geschlossene Truhe, in dem er das Geld der Waisen und Witwen aufgehoben hatte. Deutschlands älteste Sparkasse mit dem Gründungsjahr 1749 beruft sich auf ihn als den Gründer.

Doch seine Nachfolger haben die Filiale im Dorf geschlossen. So müssen heuer die närrischen Sammler Elisabeth Schweizer und Michael Staehler das Dorf verlassen, um auf der Mimmenhauser Gemarkung, also auf dem Hoheitsgebiet des Narrenvereins Goldkäfer, ihren Narrenpfennig zu erheben. So haben die Narren gleich eine Idee mitgebracht. "Ein Ruftaxi von Salem zur Hauptstelle muss her und die Sparkasse zahlt ihn", schlägt Schweizer dem stellvertretender Vorstandsvorsitzender Wolfgang Müller vor, einen Mitverantwortlichen für die Filialschließung. Er nahm es mit Humor. Der Beitrag seines Geldinstituts zum Salemer Narrenpfennig steht jetzt mit 17,49 Euro, entsprechend dem Gründungsjahr, im Buch.
Der Narrenpfennig
Einen Vereinsbeitrag erhebt der Narrenverein Salem erst seit der Eintragung ins Vereinsregister im Jahr 1977. Bis dahin wurde die Kosten der Fasnacht über Spenden abgedeckt. "Anfänglich zückten die Gefragten im Wirtshaus den Geldbeutel, später kam einer auf die Idee im Dorf rumzugehen", weiß Narrenpräsident Peter Frick. Die Spender durften sich im Buch verewigen und auch einen Spruch reinschreiben. "Die Sammler haben uns gestern nicht angetroffen, wahrscheinlich waren sie besoffen", schrieb ein Spender. Denn oft verwickelten sich die Frack tragenden Sammler in lange Gespräche. Dabei wurde nicht selten Schnaps gereicht. Dass die Salemer schon immer spendabel waren, zeigt der Blick in die Spendeneinträge. Schon kurz nach dem Krieg und Einführung der neuen Währung 1950 wurden oft zehn Deutsche Mark gespendet. Damals lag der Stundenlohn eines Industrie-Facharbeiters bei 137 Pfennig. Und auch der Verein zeigt sich spendabel. "Die Überschüsse spenden wir sozialen Zwecken und Bedürftigen", erklärt Narrenpräsident Peter Frick.