Sie kam, um einem Geschäftspartner und Freund zur Seite zu stehen, und stand plötzlich selbst im Fokus hunderter Menschen: Unverhofft war Alexandra Jelitte-von Ow von Bernhard Straßer nach vorne gebeten worden, als er sich am vergangenen Samstag vor seinem Firmengelände dem Dialog mit einigen AfD-Anhängern stellte.

Diese hatten sich an der neuen Notunterkunft des Landkreises in Mimmenhausen gestört, deren Vermieter Straßer ist. Ziel ihres Demonstrationszugs war laut Versammlungsleiter, den Bauunternehmer „mit der Realität zu konfrontieren“. Der wiederum drehte vor hunderten Unterstützern den Spieß um und brachte die AfD-Vertreter dazu, per Handschlag eine Spende für ein Hilfsprojekt in Nigeria zuzusichern.

Bildungsprojekt als Gewinner des Schlagabtauschs

„Das war eine Riesenüberraschung“, offenbarte Alexandra Jelitte-von Ow im Nachhinein. Die Inhaberin einer Schlosserei in Deggenhausertal unterstützt seit vielen Jahren das Eine-Welt-Projekt der Bodenseeschule St. Martin in Friedrichshafen. Bei seiner Vorstellung der Initiative in Okigwe lobte Straßer: „Federführend durch Alexandra Jelitte gibt es dort eine Berufsschule für Jugendliche.“ Vor fünf Jahren hatte sie zu dem Zweck einen alten Möbelwagen gekauft, der durch befreundete Handwerksbetriebe und Lieferanten gefüllt worden sei. Nun soll zusätzlich eine Herberge gebaut werden, damit die Lehrlinge unter der Woche den gefährlichen Heimweg vermeiden können.

Das könnte Sie auch interessieren

Nachricht aus Nigeria als Impulsgeber

Anstoß zu dieser Aktion gab eine Nachricht von Pfarrer Josephat aus Okigwe, die Alexandra Jelitte-von Ow am Tag der Demonstration an Bernhard Straßer weitergeleitet hatte: Trotz widrigster Umstände denke der Pfarrer nie ans Aufgeben – und genau das habe sie Straßer, der dem Projekt seit Langem verbunden sei, zur Aufmunterung mitteilen wollen. Straßer selbst kündigte an, 5000 Euro für den Herbergsbau zu spenden, was aufgerundet einer Monatsmiete für die Notunterkunft entspreche. „Ich würde erwarten, dass jede der 23 Gemeinden im Bodenseekreis auch 5000 Euro dazugibt“, forderte er und fragte auch bei der AfD nach Unterstützung, woraufhin diese zustimmend reagierte.

Das könnte Sie auch interessieren

Hält die AfD Wort in Sachen Spende?

Bisher sei noch nichts von der AfD auf dem Konto eingegangen, berichtete Alexandra Jelitte-von Ow. Eine entsprechende SÜDKURIER-Anfrage an die Kreistagsfraktion blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Die Mitorganisatorin berichtete allerdings von einer Spende über 1000 Euro von Bene Müller, Vorstand der Singener Firma Solarcomplex. Außerdem habe Dekan Peter Nicola einen Beitrag der katholischen Kirche angekündigt. Sogar in den Kreistag habe es ihr Vorhaben geschafft, freute sich Jelitte-von Ow: „Norbert Zeller will das Projekt dort vorstellen.“ Der SPD-Fraktionsvorsitzende bestätigte, dass er versuche, die anderen Fraktionen für das Projekt zur Bekämpfung von Fluchtursachen zu gewinnen: „Wir als Bodenseekreis werden nicht die Welt im Großen verändern. Aber wir können einen konkreten Beitrag leisten, um die Welt im Kleinen zu verbessern.“

Thorsten Peters (AfD, links im Bild) signalisiert Zustimmung zum Spendenprojekt für Afrika. Petra Karg reicht ihm zur Besiegelung die ...
Thorsten Peters (AfD, links im Bild) signalisiert Zustimmung zum Spendenprojekt für Afrika. Petra Karg reicht ihm zur Besiegelung die Hand. In der Mitte Bernhard Straßer. | Bild: Hilser, Stefan

Straßer kritisiert „Kapitulation“ als demotivierend

Was die Kommunen anbelangt, kann Alexandra Jelitte-von Ow noch nichts rückmelden. Bernhard Straßer sähe hier Salem in der Vorreiterrolle: „Das wäre ein wichtiges Zeichen.“ Während der Diskussion vor den Werkstoren hatte er Bürgermeister Manfred Härle zitiert: „Wir kapitulieren, wir können nicht mehr, uns fallen auch keine Ideen mehr ein“, habe Härle eine Resolution der CDU-Fraktion begründet, die den Flüchtlingszuzug bremsen will. Straßer kritisierte die Wortwahl: In diesem Zusammenhang von Kapitulation zu sprechen, demotiviere die zahlreichen ehrenamtlichen Unterstützer. „Wenn einem an dieser Position nichts mehr einfällt, ist er falsch am Platze“, schloss der Bauunternehmer.

Alexandra Jelitte-von Ow
Alexandra Jelitte-von Ow | Bild: CK.L

Härle lehnt Beteiligung ab, Karg widerspricht

Darauf angesprochen, konterte der Bürgermeister: „Dann ist ein Großteil unserer politischen Mandatsträger am falschen Platz“, verwies er auf all seine Amtskollegen im Kreis und die kommunalen Spitzenverbände. Eine Beteiligung der Gemeinde am Projekt lehnte Härle ab, da man auf dem Gebiet täglich Kraftanstrengungen betreibe, wogegen Straßers 5000 Euro „Peanuts“ seien.

Petra Karg, die Grünen-Fraktionssprecherin, die die Gegendemonstration angemeldet hatte, zeigte sich von Härles Ablehnung irritiert: „Dass ein Bürgermeister so freizügig erklärt, dass Salem dem Aufruf nicht folgen wird, finde ich sehr rätselhaft.“ Da der Gemeinderat ein Mitspracherecht habe, werde man das auch einfordern, kündigte sie einen entsprechenden Antrag für die nächste Sitzung an.

Weitere Unterkunft in Salem vorgesehen

Härle hob hervor, dass die Kreisgemeinden weiterhin ihren Beitrag leisten. Da sich jedoch keine Beruhigung der Weltlage abzeichne, vermute er kein rasches Ende des Zustroms von Geflüchteten. „Wir sind an unserer Leistungsgrenze angelangt“, rechtfertigte er den Brandbrief und verwies auf Pläne für eine weitere Unterkunft in Salem. „Wenn die voll belegt ist, werden wir rund 500 Flüchtlinge in der Gemeinde haben.“ Geplant ist, eine Gemeinschaftsunterkunft in einem ehemaligen Pflegeheim in Beuren einzurichten. Laut Landratsamt haben in dem Gebäude bis zu 60 Menschen Platz. Voraussetzung sind Umbauten.