So viel Publikum gibt es bei den Salemer Gemeinderatssitzungen selten: Die Vorstellung des Mobilfunkstandortkonzepts und die Beschlussfassung zum Bauantrag auf Neubau eines 30 Meter hohen Mobilfunkmasts in Beuren wurden mit Spannung erwartet. „Darin liegt ein großes Konfliktpotenzial“, leitete Bürgermeister-Stellvertreterin Petra Karg ein, „ich hoffe, dass wir das vom Eis bekommen“. Im vergangenen September hatte der Gemeinderat die Erstellung eines Funkbedarfsplans beschlossen.
Nachdem die Deutsche Funkturm GmbH im Oktober einen Bauantrag gestellt hatte, wurde dieser im November von den Ratsmitgliedern bis zur Fertigstellung des beauftragten Mobilfunkstandortkonzepts zurückgestellt. Peter Nießen vom beauftragten EMF-Institut präsentierte nun das erarbeitete Konzept.
Der Diplom-Physiker erläuterte zunächst die unterschiedlichen Strahlungsarten und deren gesicherte oder mögliche Auswirkungen. Bei der Röntgen- und der Gammastrahlung sei der Schädigungsmechanismus sehr genau bekannt, weswegen strenge Grenzwerte existieren, erläuterte Peter Nießen. Ob elektromagnetische Felder des Mobilfunks über den thermischen Effekt hinausgehend noch weitere Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben, müsse wissenschaftlich noch geklärt werden. Da die gesetzlichen Grenzwerte in Deutschland diese Möglichkeit nicht einbezögen, orientiere sich das EMF-Institut bei seinen Vorschlägen an einem Vorsorgewert für die Leistungsflussdichte von zehn Milliwatt pro Quadratmeter (mW/m²).
EMF-Institut rät von beantragtem Standort ab
Mit lediglich einer Basisstation unweit des Bahnhofs stellte der Fachmann einen gewissen Ausbaubedarf in der Gemeinde fest: „Die Außenbereiche von Salem werden von externen Stationen versorgt“, betonte er. Bei der Ermittlung der Standorte habe man sich auf das Ziel der Strahlungsminimierung in Siedlungsgebieten bei gleichzeitig möglichst guter Abdeckung der angestrebten Versorgungsgebiete fokussiert. Den im Bauantrag vorgesehene Standort südwestlich von Beuren bezeichnete Nießen als „versorgungsmäßig gut geeignet“, aufgrund der Nähe zu Siedlungsgebieten sei er jedoch nicht zu empfehlen.
Nießen präsentierte drei Alternativvorschläge außerhalb des Teilorts, die eine gute Versorgung bei deutlich geringeren Immissionen gewährleisten würden. Ergänzend dazu zeigte der Physiker weitere geeignete Standorte im gesamten Gemeindegebiet, von deren zeitnahen Umsetzung er allerdings nicht ausging.

Alternativstandort am Wasserhochbehälter
„Dass wir dieses Konzept jetzt haben, finde ich sehr gut“, befand Henriette Fiedler (FWV). Ulrich König (FDP) schloss sich dem Urteil an und bezeichnete das Papier als Diskussionsgrundlage für alle weiteren Standortanfragen. Die Ratsmitglieder nutzten die Anwesenheit des Fachmanns, um zahlreiche technische und rechtliche Details sowie mögliche Entwicklungen zu erfragen. Sitzungsleiterin Petra Karg (GoL) bat angesichts der anstehenden Entscheidung um eine Beurteilung der Alternativstandorte für Beuren. Nießen favorisierte den Standort am Wasserhochbehälter in Gemeindebesitz – unter der Voraussetzung, dass dort Strom zur Verfügung stehe.
Standortkonzept als Richtschnur für die Zukunft
Ralf Gagliardi (GoL) beantragte, das vorgestellte Standortgutachten als Grundlage für den weiteren Mobilfunkausbau anzuwenden und alle Anträge von Mobilfunk-Providern fortan nach dem gleichen Prozedere auf der Basis des Dialogverfahrens zu behandeln. Nachdem das Gremium geschlossen zustimmte, widmete es sich dem vorliegenden Bauantrag.
„Damit folgt der Gemeinderat dem heutigen Bedarf der Bevölkerung an Mobilfunk, unter Berücksichtigung des Schutzgebotes für Mensch und Umwelt.“Michael Presser, Bürgerinitiative Salem Funk
„Bislang konnte die Frist zur Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen gegenüber der Baurechtsbehörde erfolgreich verlängert werden“, teilte Bauamtsleiter Marc Dürrhammer mit. Nun gebe es allerdings keinen Grund mehr für eine Fristverlängerung, weshalb er die Räte zu einer Entscheidung aufforderte.
Beurener Ortsreferentin Luzia Koester: „Unsere Bedenken sind berechtigt“
„Es hat sich gezeigt, dass unsere Bedenken berechtigt sind“, ergriff Luzia Koester (CDU) zuerst das Wort. Der beantragte Standort liege auf Privatgrund, decke nicht alles ab und weise eine hohe Strahlung im Siedlungsgebiet auf. „Wir müssen gucken, dass wir das irgendwie geregelt kriegen, diesen Dreißig-Meter-Mast aus dem Dorf rauszukriegen“, appellierte die Beurener Ortsreferentin. Es sei interessant, dass der Standort am Hochbehälter, mit dem man sich bereits vor 16 Jahren beschäftigt habe, der bessere sei.
Räte wollen mit Telekom über alternative Standorte sprechen
„Wir sind in einer argen Bredouille“, meinte auch Ulrich König (FDP). Der Bauantrag passe nicht zum Konzept, aber der Bauherr habe das Baurecht. „Wir müssen die Baubehörde davon überzeugen, dass wir noch etwas Zeit brauchen“, sprach er sich für eine Vertagung aus. Unterstützung fand er bei Ralf Gagliardi (GoL): Es gehe nicht um eine Verzögerung als Selbstzweck, sondern darum, mit der Telekom ins Gespräch zu kommen.

Arnim Eglauer (SPD) freute sich über die Renaissance des Standorts am Hochbehälter: „Das hätten wir viel früher viel einfacher haben können“, kommentierte er. Er könnte sich zu einer Ablehnung des genehmigungsfähigen Antrags durchringen, doch dann müsse der Gemeinderat die Zeit nutzen: „Wir müssten der Telekom signalisieren, dass eine Alternative besteht mit weniger Aufwand und weniger juristischen Nachwehen.“

Einstimmige Ablehnung des Bauantrags
Petra Karg (GoL) beantragte als Bürgermeister-Stellvertreterin, den Bauantrag im Sinne der Gesundheits-Vorsorge für die Salemer Bevölkerung abzulehnen und die Verwaltung zu beauftragen, Verhandlungen mit der Telekom aufzunehmen. „In diesen Verhandlungen soll die Verlegung des Masts auf einen Standort mit weniger Immissionsbelastung für die Bevölkerung Ziel sein“, erläuterte sie. Nach der Diskussion, ob man sich auf einen Alternativstandort festlegen oder eine Auswahl bieten wolle, entschieden sich die Räte, ergebnisoffen in den Dialog zu gehen. Der Bauantrag wurde einstimmig abgelehnt.