Walter Neubauer ist das, was man unter einem erfahrenen Landwirt versteht. Bereits seine Eltern bewirtschafteten einen großen Hof – zunächst in Hessen, später in Salem am Bodensee. Neubauer wuchs zwischen Traktoren und Kühen auf. Und schon damals wusste der heute 81-Jährige: Später einmal wird auch er eine eigene Landwirtschaft betreiben.

Mittlerweile kann Neubauer auf zahlreiche Jahre Erfahrung in der Agrarwirtschaft zurückblicken. Gerade deswegen hat er auch eine deutliche Meinung zu den aktuellen Bauernprotesten und Demonstrationen – hinter denen er zu 100 Prozent steht. Dem SÜDKURIER möchte er seine Geschichte erzählen und aus seiner Erfahrung aufzeigen, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für deutsche Bauern bereits in den vergangenen Jahrzehnten schwieriger waren, als etwa im Nachbarland Frankreich.

Circa 90 Kühe leben auf dem Hof der Neubauers in Salem.
Circa 90 Kühe leben auf dem Hof der Neubauers in Salem. | Bild: Mona Lippisch

Traum vom eigenen Hof gleich doppelt erfüllt

Walter Neubauers Geschichte fängt mit dem Traum vom eigenen Hof an. Den konnte er sich sogar gleich doppelt erfüllen: Über mehrere Jahre hinweg war er stolzer Besitzer von gleich zwei landwirtschaftlichen Betrieben. Zum einen hatte Neubauer das Anwesen seiner Eltern in Salem gepachtet, das er später auch komplett übernahm. Zum anderen kaufte er 1982 ein Anwesen in der Normandie in Frankreich.

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„Das Land hier am Bodensee war zu teuer und ich wollte unbedingt auf eigenen Füßen stehen“, begründet Neubauer die Entscheidung für den Kauf des Hofs in der Normandie. Doch wie kam es überhaupt dazu? Während einer Exkursion nach Frankreich mit einer Maisfirma kam der Salemer mit einem Professor ins Gespräch.

„Zu später Stunde und nach viel Rotwein offenbarte er mir, dass er seinen Hof gerne verkaufen würde“, erzählt Neubauer. Nachdem er den Hof gemeinsam mit seiner Frau besichtigt hatte, entschlossen sich die beiden kurzerhand, das Anwesen zu erwerben, zu dem zeitweise circa 195 Hektar Land gehörten.

25 Jahre in der Normandie

Bis 2006 betrieb Walter Neubauer also zwei Höfe – in zwei verschiedenen Ländern. „Ich habe die Landwirtschaft in Frankreich verkauft, als sich die Möglichkeit ergab, unseren Nachbarhof in Salem zu übernehmen“, erklärt Neubauer. In den etwa 25 Jahren, in denen er den Betrieb in Frankreich führte, fielen ihm im Vergleich zur Landwirtschaft in Deutschland viele Vorzüge auf.

So war es im Nachbarland etwa gängig, mit Heizöl zu fahren, was deutlich niedriger besteuert wurde als Diesel. Ein weiterer Aspekt: das Thema TÜV. In Deutschland ist eine TÜV-Prüfung für Traktoren alle zwölf bis 24 Monate (je nach zulässiger Gesamtmasse) vorgeschrieben. „In Frankreich war für Traktoren in den ersten zehn Jahren gar kein TÜV vorgeschrieben“, erinnert sich Neubauer.

Sollten die geplanten Regeln und Gesetze in Kraft treten, müssen selbstfahrende Maschinen, wie zum Beispiel dieser Gabelstapler auf dem ...
Sollten die geplanten Regeln und Gesetze in Kraft treten, müssen selbstfahrende Maschinen, wie zum Beispiel dieser Gabelstapler auf dem Hof der Neubauers, in Zukunft versichert werden. | Bild: Mona Lippisch

Kosten für Drainagen in Frankreich deutlich niedriger

Auch das Installieren von Drainagen, also einem System von Gräben oder Rohren zur Entwässerung des Bodens, war in Frankreich deutlich billiger als in Deutschland. „Drainagen wurden zu 50 Prozent vom Staat bezuschusst.“ Die Kosten dafür lagen Walter Neubauer zufolge somit etwa zwei Drittel unter den Kosten für dieselbe Installation in Deutschland.

Was die Flächenprämie für landwirtschaftliche Betriebe betrifft, ist Frankreich aus Sicht des Salemers ebenfalls besser aufgestellt. Neubauer erinnert sich: „Der Flächenausgleich der EU wurde in Frankreich jedes Mal etwa zwei Monate früher ausgezahlt als in Deutschland. Außerdem bekam ich in der Normandie pro Hektar mehr Geld als in Salem.“

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Weniger Bürokratie als in Deutschland

Die Vorteile in Frankreich zusammenfassend sagt Landwirt Neubauer: „Einfach weniger Bürokratie.“ Deutlich wurde das für ihn besonders, als er auf dem Hof in der Normandie eine Lagerhalle bauen wollte. „Ich war beim Bürgermeister und habe ihm den Bauplan in eine Karte eingetragen. Am selben Tag ging mein Bauantrag in den Gemeinderat und wurde genehmigt. Ich konnte sofort anfangen zu bauen“, erzählt er.

Auch die Kosten für den Bau hielten sich in Grenzen. „Eigentlich war in Frankreich immer alles billiger, angefangen beim Strom bis hin zu Pflanzenschutzmitteln, Dünger und Dienstleistungen.“ Hinzu kam mehr Ertrag für das Getreide als in Deutschland. „Wir waren nur 80 Kilometer von einem großen Hafen entfernt, von dem aus ein großer Getreidelieferant exportierte. Deswegen haben wir auch noch mehr Geld bekommen als in Salem“, erinnert sich Neubauer.

Zum Hof von Walter Neubauer und seinem Sohn Eduard gehören circa 100 Hektar landwirtschaftliche Fläche.
Zum Hof von Walter Neubauer und seinem Sohn Eduard gehören circa 100 Hektar landwirtschaftliche Fläche. | Bild: Mona Lippisch

Landwirtschaft in Deutschland ist aus Sicht des Salemers also nicht erst seit der aktuellen Debatte um neue Gesetze schwieriger als andernorts. Doch laut Neubauer werde jetzt das Fass zum Überlaufen gebracht. „Es ist unverschämt, was die Politik von uns verlangt“, sagt der Landwirt, der auch bei den vergangenen Demonstrationen in Salem dabei war.

Steuer auf Traktoren würde mehrere 1000 Euro kosten

Dieselbe Meinung wie Walter Neubauer vertritt sein Sohn Eduard. Er sagt ehrlich: „Wenn die Steuer für Traktoren kommt, wären das für uns mehrere tausend Euro pro Jahr. Das ist viel Geld.“ Hinzu kommen Versicherungen für selbst fahrende Maschinen, wie etwa Gabelstapler sowie eine höhere Öko- und Grundsteuer.

„Die Kosten steigen und wir dürfen immer weniger machen, zum Beispiel weniger düngen und weniger Pflanzenschutzmittel benutzen“, sagt Eduard Neubauer. „Wir werden von der Politik gepiesackt. Aus meiner Sicht ist das nicht fair.“ Er hofft darauf, dass die bisher geplanten Gesetze und Auflagen nicht durchgesetzt werden.

Eduard Neubauer (links) mit seinem Vater Walter vor dem gemeinsamen Anwesen in Salem-Buggensegel.
Eduard Neubauer (links) mit seinem Vater Walter vor dem gemeinsamen Anwesen in Salem-Buggensegel. | Bild: Mona Lippisch

Zwar sind sich Eduard Neubauer und sein Vater sicher, dass sie ihre Landwirtschaft in Salem auch in Zukunft weiter betreiben können. Doch sie sagen auch: „Für kleinere Höfe und Nebenerwerbsbetriebe wird es schwierig werden. Viele müssen dann schließen, weil sie sich die Kosten nicht mehr leisten können.“