Deutlich wurde: Einigkeit besteht zwischen den Befürwortern und Gegnern einer Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn lediglich in der Meinung, dass etwas getan werden muss. Das drohende Dieselloch zwischen Friedrichshafen und Radolfzell soll geschlossen werden. Was jedoch der bessere und schnellere Weg ist, um dieses Ziel zu erreichen, darin unterschieden sich die Ansichten der Anwesenden.

Die meisten Teilnehmer sprachen sich für eine durchgängige Elektrifizierung der gesamten Strecke aus. Sie sehen die Gefahr, sonst ganz vom überregionalen Netz abgehängt zu werden. Die andere Seite vertrat die Auffassung, mit einem Batteriezug, wie ihn die Firma Bombardier mit dem „Talent 3“ ab 2019 im Probetrieb testen will, schneller zum Ziel zu kommen. Das sei sogar innovativer, wenn der Zug mit seinem Stromspeicher die elektrischen Lücken ohne Oberleitung durchquert. Mit vielen Thesen und Zahlen versuchten beide Parteien, ihren Szenarien Gewicht zu verleihen. Einigkeit war jedoch beim Impuls zu spüren, dass die Kommunen und die Region mit dem Interessenverband Bodenseegürtelbahn die Initiative ergreifen müssen.

SPD-Podium mit (von links) Sipplingens Bürgermeister Oliver Gortat, Überlingens Oberbürgermeister Jan Zeitler, Regionaldirektor Wilfried ...
SPD-Podium mit (von links) Sipplingens Bürgermeister Oliver Gortat, Überlingens Oberbürgermeister Jan Zeitler, Regionaldirektor Wilfried Franke, Moderator Oswald Burger und Norbert Zeller, Sprecher der Kreistagsfraktion. | Bild: Hanspeter Walter

Ungeachtet der unterschiedlichen Positionen appellierte Regionaldirektor Wilfried Franke an die Kommunen am nördlichen Seeufer, die ersten zwei Planungsstufen zur ohnehin notwendigen Ertüchtigung gemeinsam in Auftrag zu geben, ohne damit die dauerhafte Lösung vorwegzunehmen. "Eben bekomme ich die Nachricht, dass der Gemeinderat Friedrichshafen einer Beteiligung zugestimmt hat", hatte Franke im Verlauf der Diskussion mitgeteilt. Alle anderen sind schon im Boot – außer Überlingen und Sipplingen. Oberbürgermeister Jan Zeitler erklärte, der Überlinger Rat habe zumindest schon eine "klare Absichtserklärung" abgegeben: "Wir kommen nicht drumherum, sonst passiert nichts." Daher werde man als Beitrag zu den Planungskosten von 160 000 Euro im nächsten Haushaltsentwurf berücksichtigen.

Sipplingen als gallisches Dorf

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Bliebe noch Sipplingen. Bürgermeister Oliver Gortat betonte schon bei seiner Begrüßung, dass "eine Elektrifizierung mit Oberleitungen unserer Qualität der Bodenseeregion nicht gerecht wird". Es gehe auch ohne Diesel und ohne Oberleitung. Den Begriff Lückenschluss würde er sogar am liebsten zum "Unwort des Jahres" erklären, sagte Gortat.

Als Kronzeugen für eine "innovative Lösung" fochten in der Diskussion Klaus Eisele von der Hochschule Nordwestschweiz in Windisch sowie der Sipplinger Gemeinderat Patrick Geiger. Was den Überlinger Sozialdemokraten Gerhard Riehle an ein kleines gallisches Dorf erinnerte, das erbitterten Widerstand gegen eine Übermacht leiste. Kreisrat Michael Wilkendorf, der die Veranstaltung angeregt und in Sipplingen organisiert hatte, kommentierte: "Das war jetzt nicht sehr diplomatisch."

Bodensee-S-Bahn als Ziel

Der Schweizer Verkehrsplaner Paul Stopper, ehemals in Diensten der Stadt Zürich und Befürworter einer Bodensee-S-Bahn, sieht kein grundsätzliches Hindernis in einer durchgängigen Elektrifizierung. Desweiteren bestünden wenig Chancen, dass die Deutsche Bahn mit einem teureren Zug zu höheren Kosten eine Batterie zwischen Ulm und Basel transportiere, um das Schienennetz am See geschlossen zu halten. Diese Bedenken teilten auch mehrere Mitstreiter im Publikum, die aus Lindau und auch aus Grünkraut bei Ravensburg angereist waren.

Stopper verwies auf das große Ziel einer Bodensee-S-Bahn und damit der Verbesserung des Taktes rund um den See. "Wir dürfen hier keinen Spaltpilz zwischen Oberleitungs- und Batteriefreunden aufkommen lassen", sagte der Schweizer: "Sonst lacht man in Berlin und Stuttgart über uns." Uneinigkeit sei das beste Argument für die Politik, einfach nichts zu tun. An "ein paar Oberleitungsmasten" dürfe das Projekt doch nicht scheitern, assistierte ein Allensbacher Bahnfreund. Sie stünden auch am Untersee sowie am gesamten Schweizer Ufer und fielen vermutlich keinem Menschen mehr auf.

Gerade angesichts der langen Planungs- und Entscheidungszeiträume hielt Klaus Eisele allerdings an der Notwendigkeit einer Übergangslösung fest, die er mit der Hochschule Nordwestschweiz im Auftrag Sipplingens plausibel aufgezeigt zu haben glaubt – mit Batteriezügen, deren Tauglichkeit für größere Strecken derzeit unter Beweis gestellt werden muss.