Hanspeter Walter und Martin Deck

„Klar zur Wende“ hatten die Neulinge von der BÜB+ in den Tagen vor der Wahl noch als letztes maritimes Kommando auf ihren Plakaten ausgegeben. Ganz hart am Wind waren sie in den Wochen vor der Wahl tatsächlich nicht mehr gesegelt. Schließlich sollte der Urnengang der Überlinger nicht im letzten Moment zu einer Patenthalse führen. „Ich konnte lange Zeit gar nicht mehr schlafen“, schildert Dirk Diestel Gründer und Motor der Initiative die jüngste Anspannung. Beim Entspannungstörn auf dem See holte er am Sonntag zur Sicherheit frühzeitig die Segel ein, wie er den Mitstreitern beim Umtrunk der Gruppierung einen Steinwurf vom Rathaus entfernt erzählte. Die Sektkorken hatten trotz bester Stimmung nur leise geknallt, als die BÜB+ schon kurz nach 13 Uhr ihre drei Mandate feierte, die Roland Biniossek, Dirk Diestel und Kristin Müller-Hausser aus dem Stand heraus errungen hatte. Somit habe die BÜB+ das Ziel, den offiziellen Fraktionsstatus, erreicht, sagt Diestel und hofft mit der großen Mehrheitsfraktion von LBU/Grünen einiges bewegen zu können in „Richtung größerer Transparenz für die Bürger“.

Strahlende Gesichter bei der BÜB+: Kurz nach 13 Uhr konnten sie im „Kulinari“ schon auf ihre drei Ratssitze für Roland ...
Strahlende Gesichter bei der BÜB+: Kurz nach 13 Uhr konnten sie im „Kulinari“ schon auf ihre drei Ratssitze für Roland Biniossek, Dirk Diestel und Kristin Müller-Hausser anstoßen. | Bild: Hanspeter Walter
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Während die BÜB+ ganz hinten im „Kulinari“ zwei große Tische mit mehr als 20 glücklichen Siegerinnen und Siegern besetzt hatte und eine Stärkung bestellte, saßen am Eingang der neue Stimmenkönig und die Stimmenkönigin von vor fünf Jahren schon bei Spaghetti Aglio e Olio. Walter Sorms hatte seine Fraktionskollegin Marga Lenski dieses Mal mit mehr 8739 Stimmen an der Spitze abgelöst, Lenski landete mit 8384 Stimmen auf dem dritten Platz hinter Günter Hornstein (8518). Lenski hatte dies bereits geahnt und mit Sorms am Wahlabend um eine Essenseinladung gewettet, wie sie am Montag erzählte. Öko-Landwirt Sorms aus Rengoldshausen strahlte zwar mächtig angesichts des guten Abschneidens, sah aber auch die gewachsene Verantwortung. „Das ist schon ein großer, schwerer Rucksack, den ich hier trage“, sagte er: „Bisher war ich nur einer unter vielen. Nun bin ich innerlich schon etwas nervöser.“ Auf der anderen Seite könne er sich der Aufgabe inzwischen etwas intensiver widmen, nachdem er die Verantwortung für den Betrieb auf dem Hofgut im Vorjahr abgegeben habe und nur noch für die Stiftung verantwortlich sei. Auch Ulf Janicke, der erneut für die Grünen/LBU in den Gemeinderat einzieht, sagte mit Blick auf die Zahlen im Ratssaal, dass das gute Ergebnis ein klarer Auftrag an seine Fraktion sei: „Das heißt das wir nun viel einlösen müssen – und zwar mit konkreten Projekten.“

Marga Lenski und Walter Sorms freuen sich über das gute Ergebnis der Grünen.
Marga Lenski und Walter Sorms freuen sich über das gute Ergebnis der Grünen. | Bild: Stef Manzini

Dass LBU/Grüne vom „aktuellen Hype“ profitierten, hatte CDU-Sprecher Günter Hornstein spätestens nach den Europawahl-Ergebnissen befürchtet. „Das liegt woll im Trend“, kommentierte er die acht Mandate der Konkurrenz, mit der die CDU fünf Jahre zuvor noch auf Augenhöhe gelegen hatte. „Mit meinem persönlichen Ergebnis bin ich natürlich sehr zufrieden“, sagte Hornstein, der auch dieses Mal nach absoluten Stimmen wieder auf Platz 2 landete. Während die CDU mit der Bonndorfer Bäuerin Sonja Straub nun wieder eine Frau in der Fraktion hat, verloren FWV/ÜfA hinter ihrem Spitzenreiter Robert Dreher ihren Landwirt Martin Längle. „Da bin ich schon etwas sauer“, sagte Längle ehrlich, der seit 15 Jahren am Ratstisch saß. „Wenn ich sehe, wer da alles reinkommt...“ Für seine Fraktion sind das mit Dreher, Hubert Büchele, Ralf Mittelmeier und Lothar Thum drei amtierende Räte. Wie Dreher sagte, habe er die Hoffnung gehabt, dass seine Fraktion künftig von neuen Mandatsträgern unterstützt werde. Es sei nun wichtig, die anderen Kandidaten, die es nicht geschafft haben, bei der Stange zu halten.

Fairer Handschlag: Auch im neuen Stadtrat werden Roland Biniossek (bislang Linke nun BÜB+) und Günter Hornstein (CDU) wieder eifrig ...
Fairer Handschlag: Auch im neuen Stadtrat werden Roland Biniossek (bislang Linke nun BÜB+) und Günter Hornstein (CDU) wieder eifrig diskutieren. | Bild: Hilser, Stefan

Noch gar nicht am Ort des Geschehens eingetroffen waren zu diesem Zeitpunkt die drei künftigen Mandatsträger der Sozialdemokraten, die sich um 14 Uhr an ihrer Arbeitsstätte im Ratssaal verabredet hatten. Genossin Margot Hess, die schon um 11 Uhr als einzige Interessentin vor dem nutzerfreundlichen Riesenbildschirm stand, hatte Michael Wilkendorf wohl schon verständigt, dass keine Eile geboten und nur wenig zu feiern sei. Denn wie die CDU und die Freien Wähler hatte auch die SPD den Aderlass eines Sitzes zu verdauen. Der Name Wilkendorf steht nun neben Udo Pursche zweimal am Ratstisch, während Sylvia Kruse-Baiker nicht mehr vertreten sein wird.

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Auch die FDP hat einen Verlust zu verkraften: Zwar haben die Liberalen im Vergleich zu 2014 um 0,7 Prozentpunkte zugelegt und ihre drei Ratssitze verteidigt, allerdings hat der Neuliberale Peter Vögele den amtierenden Stadtrat Reinhard A. Weigelt vom Ratstisch gekickt. „Das tut mir wirklich Leid für den Reinhard“, sagt Vögele, der von 2009 bis 2014 noch für die CDU am Tisch gesessen hatten. „Natürlich ist das ärgerlich“, sagt Reinhard Weigelt wenige Stunden nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Er war nicht in den Ratssaal gekommen, spricht aber am Telefon offen über seine Enttäuschung. Obwohl er selbst mehr als 900 Stimmen mehr erhalten hatte als noch vor fünf Jahren und die Fraktion sich auch leicht verbessert hat, blickt der diskussionsfreudige Eventmanager nun in die Röhre. „Ich weiß nicht wirklich woran es liegt, eigentlich haben wir alles richtig gemacht.“ Also sucht er die Schuld am Wahlsystem: „Es kann doch nicht sein, dass ich mehr Stimmen erhalte als der Bestplatzierte der SPD, der reinkommt und ich nicht.“ Es sei traurig, dass er Projekte wie die Verkehrsentwicklung, die Campusentwicklung und die LGS nicht weiter mitgestalten könne. Ob er sich bei der FDP dennoch weiter einbringen wolle, will er so kurz nach der Wahl noch nicht entscheiden. „Zumindest kann ich mich nun wieder mehr meinen Projekten widmen“, sagt der Eventmanager.

Ingo Wörner und Peter Vögele (ehemals CDU) ziehen für die FDP ins Gremium ein. Für Reinhard Weigelt bleibt kein Platz.
Ingo Wörner und Peter Vögele (ehemals CDU) ziehen für die FDP ins Gremium ein. Für Reinhard Weigelt bleibt kein Platz. | Bild: Hilser, Stefan