Seit Ende 2023 ist das Team der Mobilen Jugendarbeit mit Carlos Goeschel und Ekzona Duqi im Einsatz. Die beiden Streetworker sind Mitarbeiter des Vereins der Linzgau Kinder- und Jugendhilfe, dem die Stadt die Aufgaben übertragen hat. Dazu gehört auch der jährliche Bericht vor dem Ausschuss Bildung, Kultur und Soziales. Den Vortrag übernimmt Carlos Goeschel und beginnt mit einem „Meilenstein“ bezüglich ihrer Arbeit. Gemeint ist das neue Büro in der Wiestorstraße. Seit Herbst letzten Jahres können dort die Sozialarbeiter Jugendlichen einen Treffpunkt in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof und den Schulen bieten. Hier arbeiten sie mit Gruppen, machen Kreativ- oder Gesprächsangebote und führen Einzelgespräche im geschützten Raum.

„Unser Auftrag ist es, uns um sozial benachteiligte Jugendliche zu kümmern, sie zu integrieren und bei Überforderungssituationen zu unterstützen“, fasst Carlos Goeschel zusammen. Bei ihren regelmäßigen Touren in der Stadt seien er und seine Kollegin bei den Jugendlichen „erfreulich willkommen“, berichtet Goeschel. Bei Bedarf stehen sie für persönliche Beratungen zur Verfügung, zum Beispiel bei Problemen mit Schulden, der Arbeitssuche, einer Drogenabhängigkeit oder bei Konflikten mit dem Gesetz.

Fremdenfeindlichkeit ist ein großes Thema

Dank der neuen Räumlichkeiten kann das Team auch mit kleinen Gruppen arbeiten und unter anderem Ausflüge und Freizeiten planen. Der Impuls müsse von den Jugendlichen kommen, die dann auch für die Organisation zuständig sind. Die Sozialarbeiter unterstützen und begleiten sie. „Wir sind anwaltlich für die Jugendlichen tätig und unterliegen der Schweigepflicht“, erläutert Goeschel. Ihre Arbeit sei grundsätzlich kultur- und genderneutral, betont der Streetworker und fügt an, dass seine Kollegin und er beobachten, dass viele Jugendliche mit Migrationshintergrund „eine große Not beim Thema Fremdenfeindlichkeit“ haben. Allgemein nehme er bei den Jugendlichen eine Orientierungslosigkeit wahr, politisch sowie persönlich, aber gleichzeitig auch eine gewisse Zielstrebigkeit. Der Wunsch, etwas erreichen zu wollen, sei aber oft mit Unkenntnis verbunden, wie sie dies schaffen könnten.

Der Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales tagte bei seiner letzten Sitzung im neuen Kinderhaus am Schättlisberg. Hier stellte ...
Der Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales tagte bei seiner letzten Sitzung im neuen Kinderhaus am Schättlisberg. Hier stellte Carlos Goeschel (Mitte) den Bericht der Mobilen Jugendarbeit vor. | Bild: Sabine Busse

Unterstützung in Schule, Arbeit, Finanzen und Rechtsfragen

Carlos Goeschel nennt auch Zahlen. Die Gruppenangebote werden vor allem von den 13 bis 18-Jährigen wahrgenommen. Bei der aufsuchenden Arbeit treffen sie am meisten auf Jugendliche um die 16 Jahre, und bei der Einzelfallhilfe sind es hauptsächlich die jungen Erwachsenen von 21 bis 26 Jahren, die ihren Rat suchen. Dabei geht es oft um Schule und Arbeit, (asyl-)rechtliche Fragen sowie Finanzen und Schulden. Neben den abstrakten Zahlen schildert der Streetworker den Stadträten konkrete Fälle. Er berichtet zum Beispiel von Jugendlichen, die nicht mehr zu Hause leben können, weil die Eltern neue Partner haben. Oder junge Geflüchtete, die sich Arbeit suchen und damit gegen die Auflagen verstoßen, weil sie das nach ihrem Aufenthaltsstatus nicht dürfen. Für manche inhaftierte junge Menschen ist der Kontakt zu den Streetworkern der Einzige nach draußen.

Das könnte Sie auch interessieren

Handlungsbedarf nach gestiegenem Drogenkonsum

Vor drei Jahren hatte Goeschel in dem Gremium von einem gestiegenen Drogenkonsum bei den Jugendlichen berichtet. Die Stadträte waren sich einig, dass hier Handlungsbedarf besteht. Die Verwaltung arbeitet seitdem an einem kommunalen Rahmenkonzept zur Suchtprävention. Die erste öffentliche Veranstaltung zum Thema Sucht organisierte der Verein Linzgau Kinder- und Jugendhilfe im Juli im Pfarrsaal. „Das war ein Erfolg“, sagt Carlos Goeschel. Da die meisten der über 100 Gäste an dem Abend aber nicht aus Überlingen kamen, sollen weitere Infoveranstaltungen im öffentlichen Raum nahe bei den Bürgern folgen.

Carlos Goeschel stellt den Stadträten noch ein neues Projekt vor. Es baut auf dem Spiel X Change, das die Streetworker zusammen mit Jugendlichen und der Agentur b.lateral aus Sipplingen entwickelt haben, auf. Mit X Change können nicht nur Jugendliche spielerisch lernen, die politische Beteiligung und demokratische Prozesse in einer Kommune funktionieren. Das Spiel wurde 2024 mit dem Förderpreis der Landesjugendstiftung Baden-Württemberg ausgezeichnet. Bei dem nächsten Projekt soll ein Spiel von und für Jugendliche gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung entstehen. „Wir wollen die Jugendlichen aus der Ohnmachtssituation herausholen und ihnen das gute Gefühl der Teilhabe vermitteln.“

Hornstein lobt Jugendarbeit

Günter Hornstein (CDU) betont, er sei immer wieder beeindruckt, wie Carlos Goeschel die aktuellen Bedürfnisse seiner Klientel aufgreift und die Schicksale nachvollziehbar mache. „Ihre Arbeit ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Stadtgesellschaft“, fasst er seinen Dank zusammen, dem sich alle Räte anschließen. Dazu möchte der ehemalige Überlinger Polizei-Revierleiter wissen, wie sie die neue Gesetzeslage beim Cannabiserwerb auswirke. Carlos Goeschel berichtet, es werde nach wie vor viel konsumiert, dabei könne er aber keine großen Änderungen feststellen. Beim Thema Sucht sei zudem das Handy ein großes Thema.

Bettina Dreiseitl-Wanschura (LBU/Grüne) möchte wissen, wie der Gemeinderat das Team bei der Arbeitssuche für Jugendliche unterstützen kann. Goeschel erläutert, dass es bereits gute Netzwerke in der Stadt gebe und es vorwiegend darum gehe, das richtige Umfeld für die Jugendlichen zu finden, damit es funktioniert.

Aufenthaltsstatus ist bei Geflüchteten häufig ein Problem

Franz Dichgans (CDU) schlägt vor, den Jugendlichen eine Mitgliedschaft in Vereinen nahezulegen. Das funktioniere nur bedingt, erwidert der Sozialarbeiter, da einige feste Strukturen und Verpflichtungen in der Freizeit meiden.

Hans-Diether Roth (AfD) fragt nach Beschäftigungsprogrammen, die junge Menschen auch mit Defiziten, beispielsweise bei den Sprachkenntnissen, in Arbeit bringen. Goeschel antwortet, dass bei vielen Flüchtlingen hauptsächlich der Aufenthaltsstatus das Problem sei und die damit verbundene fehlende Arbeitserlaubnis, auf die einige Jugendliche Jahre warten. Dazu würden Programme zur Arbeitsintegration zurzeit zurückgefahren werden.