Eva-Maria Bast

Faszination Schwertletanz: Diesem Zauber sind nicht nur jene erlegen, die Mitglieder bei den Überlinger Schwertletänzern sind, sondern eigentlich jeder, der schon einmal in den Genuss kam, einen Schwertletänzer in Aktion zu sehen. Da kommt schon ziemlich genau das rüber, was der Schwertletänzerchef, Erster Platzmeister Fridolin Zugmantel, sagt: Dass er eine Gänsehaut bekommt, wenn er in der Uniform der Schwertletänzer zum Tanz schreitet. Und das, erzählt er, gehe nicht nur ihm so, sondern allen Mitgliedern der Schwerttanzkompanie. Den Zuschauern sowieso. Warum? Was macht die Faszination aus? Warum ist es der Traum vieler junger Überlinger, einmal Schwertletänzer zu werden?

„Es ist die enge Verbundenheit mit der Heimat und ihren Traditionen“, bringt es Zugmantel auf den Punkt. „Gerade in der Zeit des schnellen Wandels besinnt man sich auf Konstanten, an die man sich halten kann.“ Fridolin – besser bekannt als Frido – Zugmantel ist eines der dienstältesten Mitglieder der Schwerttanzkompanie. Seit 1984, seit er volljährig wurde, ist der heute 51-Jährige dabei, schon als Bub war es sein Traum, einmal Schwertletänzer zu sein. „Als ich noch ein Kind war, war es so, dass es die kleinen Schwerttänzer gab – wie ja auch heute noch. Die gehören nicht zur Kompanie, sondern zum Trachtenbund. Ich war damals schon so ein kleiner Schwerttänzer und bin immer mitgelaufen.“

Es kam noch etwas anderes hinzu: Was es bedeutet, Schwertletänzer zu sein, sah Frido Zugmantel auch bei seinem Vater Fritz, der jahrelang erster Platzmeister war. „In diese Zeit fiel auch der Umbau des Aufkircher Tors als Vereinsdomizil“, blickt er zurück. „Ich erinnere mich noch, dass die Männer abends immer zum schaffen in das Tor gingen, und es gab dann auch jeweils einen geselligen Teil, bei dem erzählt wurde, wie es früher in Überlingen war.“ Der kleine Frido war oft dabei, seine Mutter schickte ihn gern, dem Vater doch Vesper zu bringen. Dann verweilte der Bub bei den Männern, lauschte mit großen Augen ihren Geschichten.

Und dann: der 18. Geburtstag. Mit neun anderen jungen Männern trat er in die Kompanie ein, es kamen die Proben, dann der erste Auftritt, vor dem er wahnsinnig nervös war. Nervosität und Stolz, so beschreibt er seine Gefühle von damals, Gefühle, die er immer noch hat, vor jedem Auftritt, zumal er jetzt auch dafür sorgen muss, dass alles funktioniert. Vor allem dann, wenn neue Schwertletänzer dabei sind. Da geht es darum, ihnen den Tanz beizubringen und Uniformen zu besorgen, Hut, Säbel, Weste, Frack, Hose. „Wir haben zwar einen Fundus mit den Uniformen von denen, die ausgeschieden sind. Aber die jungen Leute werden heute alle größer. Da passt nicht so viel“, sagt er.

Viele Schwertletänzer hat Frido Zugmantel in seinem Leben schon kommen sehen, wenige gehen. Austritte gebe es, aber nicht allzu häufig, sagt er. Immer wieder freut er sich über die Faszination, die der Schwertletanz bei den jungen und alten Schwertletänzern auslöst. „Sie spüren einfach, dass sie dazu beitragen, eine Tradition fortzuführen, die seit 1646 und bis heute ohne Unterbrechung gepflegt wurde.“ Nicht jeder darf Schwertletänzer werden, über einen Neuen entscheidet die Generalversammlung mit einer Vierfünftelmehrheit. Es kann schon auch mal jemand abgelehnt werden. Oft, sagt Frido Zugmantel, passiert das aber nicht.

Der Jahresablauf der Kompanie beginnt mit der Generalversammlung im Januar, im Frühjahr gibt es einen Ausflug mit den Familien, den Ehrenmitgliedern und deren Ehefrauen oder Witwen. Dann kommen die Proben für die und schließlich der Auftritt bei der Schwedenprozession im Juli, das Promenadenfest und der Jahresabschluss an Martini. „Da bekommen wir von der Stadt nach einem alten Vertrag Wein geschenkt“, sagt er. An solch einem Abend wird etwas gepflegt, was für Frido Zugmantel ganz wichtig ist: die Kameradschaft „und dass man so ein bisschen einen Querschnitt hat in der Bevölkerung, denn wo kommt heute noch ein Diplom-Ingenieur mit einem Landwirt zusammen?"

Der Schwerttanz

Der Schwerttanz ist ein uralter Zunfttanz, dessen Wurzeln im Überlinger Fastnachtsbrauchtum zu finden sind. Erstmals urkundlich erwähnt wird der Tanz im reichsstädtischen Ratsprotokoll vom 8. Februar 1646: „Der ledigen bursch ist auf mehrmaliges anhalten der Schwerttanz in der Zunft von 12 bis 5 Uhren, doch ohne spilleut, und der medlin tanz vergont.“ Der genaue Ursprung des Tanzes ist unklar. Der örtlichen Überlieferung nach soll er vom Kaiser bei einer kriegerischen Auseinandersetzung im 15. oder 16. Jahrhundert verliehen worden sein. Schwerttänze sind schon im späten 15. Jahrhundert, etwa in Flandern, bezeugt und waren weit verbreitet. Allen Schwerttänzen gemeinsam ist die Figur des Narren, der in Überlingen durch den Hänsele, der zentralen Überlinger Fastnachtsfigur, verkörpert wird. Der Hänsele war ursprünglich eine Teufelsfigur, die bei Prozessionen mitlief und deren Gewand während der Fastnacht – so bezeugt in der zwischen 1496 und 1518 entstandenen Fastnachtsordnung – beim Kirchenpfleger ausgeliehen werden konnte. Die Schwerttanzkompanie Überlingen hat derzeit 38 Mitglieder und acht Ehrenmitglieder. (emb)