Anna Sofia Höpfner

Die Sonne scheint, es ist Strandbadzeit. Ob 30 Grad oder ein bisschen kühler – der Bodensee ist im Sommer immer Anlaufstelle. Doch viele Schwimmer unterschätzen die Gefahren. So auch der Mann, dem Rolf Briddigkeit vor einigen Wochen begegnete. Der Sportlehrer war mit seinem Segelboot auf den See hinaus gefahren, als er plötzlich einen Schwimmer entdeckte, der zwischen den Wellen kaum zu erkennen gewesen sei. Auf Nachfrage erklärte der Schwimmer, er sei auf dem Weg Richtung Ostbad. Vermutlich von Wallhausen kommend, eine Strecke von fünf Kilometern, befand er sich zu diesem Zeitpunkt zweieinhalb Kilometer von beiden Ufern entfernt. Für geübte Schwimmer eine machbare Entfernung – und trotzdem zu häufig ein Todesurteil, wie Briddigkeit erklärt. Wetterumschwünge, Segel- und Motorboote und die körperliche Erschöpfung: Es gebe viele unvorhersehbare Faktoren, die aus einem netten Ausflug innerhalb von Sekunden zu einem Kampf um Leben und Tod führen können. Um sich zu schützen, sollten Schwimmer, die weit raus schwimmen wollen, immer ein Begleitboot an ihrer Seite haben.

Kopfüber ins kühle Nass – das ist nicht ungefährlich. Alleine dieses Jahr habe es schon sieben Tote im Bodensee gegeben, davon ...
Kopfüber ins kühle Nass – das ist nicht ungefährlich. Alleine dieses Jahr habe es schon sieben Tote im Bodensee gegeben, davon seien vier an Herzversagen gestorben, weil sie den Temperaturunterschied unterschätzten. | Bild: Felix Kästle

Problem Selbstüberschätzung

Erst vor drei Wochen hatten zwei Brüder einen Großeinsatz ausgelöst, also sie von Goldbach Richtung Bodmann zu schwimmen versuchten. Während ein Bruder umkehrte, schwamm der andere weiter – als er sich nach anderthalb Stunden nicht meldete, begannen DLRG und die Wasserschutzpolizei, nach ihm zu suchen. Auch, wenn es in dem Fall glimpflich ausging, zeigt das Verhalten der Brüder umso deutlicher, mit welcher Naivität viele sich in den See wagen.

Auf dem Rückweg zieht plötzlich eine Gewitterfront auf

Karl-Heinz Rimmele, DLRG-Vorsitzender in Sipplingen, kennt solche Fälle nur allzu gut. „Meist ist es Selbstüberschätzung„, erklärt er, „die Leute schwimmen ihre vier, fünf Kilometer im Schwimmbad und denken, dass sie das jetzt auch im See machen können. Aber das ist was völlig anderes.“ Er erzählt von einem Fall, an dem eine Familie aus Sipplingen am See baden war, als der Sohn beschloss, „einmal rüber“ zu schwimmen. Er sei ein geübter Schwimmer, die Eltern hätten ihm deshalb leichthin die Erlaubnis gegeben. Der Hinweg sei gut gewesen, auf dem Rückweg sei dann eine kleine Gewitterfront aufgezogen. „Wir haben ihn 300 Meter vom Ufer entfernt gefunden“, erzählt Rimmele, „die Eltern konnten sehen, wie wir ausschwärmen und nach ihm suchen. Er hätte es niemals ans Ufer geschafft.“ Zu dem Zeitpunkt habe der Junge eine Körpertemperatur von 32 Grad gehabt. „Es hätte nicht mehr lange gedauert, bis er einfach still untergegangen und ertrunken wäre“, sagt Rimmele.

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Nicht nur Motorboote sind eine Gefahr für Schwimmer

Briddigkeit ist Sportlehrer mit Spezialisierung auf Schwimmen. Schon als Jugendlicher sei er – unter Kommando seines Vaters – in der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger aktiv gewesen, erzählt er. Später habe er am Bodensee in Kooperation mit der Überlinger Wasserschutzpolizei Überwachungs- und Rettungsausfahrten gemacht. Er wisse um die Gefahren, die im See lauern können: „Angenommen, da ist jetzt eine Truppe mit ihrem Motorboot unterwegs, ein bisschen alkoholisiert, laute Musik, wie man das eben erlebt. Sie drehen den Motor noch ein bisschen auf – der Schwimmer hat keine Chance, wenn das Motorboot ihn überfährt.“ Nicht nur Motorboote seien eine Gefahr. „Ein Segelboot, das unter Segeln steht, sieht so einen kleinen Kopf, der aus dem Wasser ragt, überhaupt nicht. Da kommen mehrere Tonnen auf ihn zu, trifft ihn der Bug am Kopf, ist der Schwimmer erst einmal bewusstlos.“

Wetter als riskanter Faktor

Viele Schwimmer überschätzten zudem ihre Kräfte. „Wer zweieinhalb Kilometer vom Ufer entfernt keine Kraft mehr hat, hat wenig Chance – seine Hilferufe werden nicht gehört und gesehen wird er höchstwahrscheinlich auch nicht“, erklärt Briddigkeit.

Das Wetter schlägt am Bodensee schnell um. Hier sind vor dem Friedrichshafener Bodenseeufer noch diverse Boote unterwegs, obwohl von der ...
Das Wetter schlägt am Bodensee schnell um. Hier sind vor dem Friedrichshafener Bodenseeufer noch diverse Boote unterwegs, obwohl von der Schweiz eine Gewitterfront herannahte. Donnergrollen in der Ferne, blinkende Sturmwarnung und mächtige Wolkentürme am Horizont schrecken viele nicht. Ein Feuerwehrschiff kreuzte in der Bucht und die Wasserschutzpolizei setzte das Signalhorn ein, um übermütigen Freizeitkapitänen den Ernst der Lage klar zu machen. | Bild: Ambrosius, Andreas

Ein letzter, sehr riskanter Faktor sei das Wetter. Wenn von Wallhausen ein Sturm aufziehe, dauere es acht bis zehn Minuten, bis er sich über dem ganzen See ausgebreitet habe – das reiche keinem noch so erfahrenen Schwimmer aus, um an Land zu kommen. Auch ohne das Worst-Case-Szenario eines Sturms könne ein starker Wind, gegen den Schwimmer plötzlich anschwimmen müssen, schnell zur unüberwindbaren Herausforderung führen.

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Diesen Sommer schon sieben Tote

Die Kühle des Sees lädt viele Schwimmer ein, hineinzuspringen und loszuschwimmen“, sagt DLRG-ler Karl-Heinz Rimmele. Alleine dieses Jahr habe es schon sieben Tote im Bodensee gegeben, davon seien vier an Herzversagen gestorben, weil sie den Temperaturunterschied unterschätzten. „Da sind junge Männer, die spielen eine Stunde Volleyball in der Sonne, da heizt sich der Körper schon auf 38 bis 40 Grad auf“, erklärt Rimmele. Wer nun in einen 20 Grad kalten See springt, erlebe einen Temperaturunterschied von 20 Grad. „Für den Körper – egal wie jung und durchtrainiert er ist – ein Schock! Wir predigen es immer wieder: Langsam reingehen, den Körper ein paar Sekunden an die Kühle gewöhnen lassen, bevor man losschwimmt, das ist wichtig.“

„Es reicht schon, wenn die Freundin mit dem Paddelboot nebenherfährt, sodass man sich im Notfall festhalten oder ins Boot klettern kann.“
Karl-Heinz Rimmele, DLRG-Vorsitzender in Sipplingen

Wer weit rausschwimmt, sollte ein Begleitboot mitnehmen

Angst vor dem Rausschwimmen oder sogar Überqueren des Sees müsse man aber nicht haben, wenn man sich gut vorbereite und Sicherheitsvorkehrungen treffe, sagt Briddigkeit. Dazu gehöre unbedingt, ein Begleitboot mitzunehmen. Auch Rimmele weist auf die Wichtigkeit eines Begleitbootes hin: „Es reicht schon, wenn die Freundin mit dem Paddelboot nebenherfährt, sodass man sich im Notfall festhalten oder ins Boot klettern kann.“ Weiterhin, so Briddigkeit, sei das Tragen einer roten Badekappe zu empfehlen, die aus Entfernung für Boote sichtbar ist. Zur Sichtbarkeit helfe auch eine Lampe oder ein Leuchtsignal, grade für Schwimmer, die in der Dämmerung noch rausschwimmen wollen. Personen am Ufer einzuweihen, dass man im Wasser sei, wo man lang schwimme und wann man voraussichtlich ankommen werde, sei ebenfalls unerlässlich. „Die können, sollte man dann nicht ankommen, die DLRG oder Wasserschutzpolizei rufen, die gezielt in dem Bereich suchen.“

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Planschend auf der Luftmatratze raus auf den See – auch das kann gefährlich werden.
Planschend auf der Luftmatratze raus auf den See – auch das kann gefährlich werden. | Bild: Tobias Kleinschmidt/dpa

Nicht nur Schwimmer sind betroffen

Die Gefahren des Sees werden laut Rolf Briddigkeit nicht nur von Schimmern unterschätzt. Momentan gehören zu dieser Gruppe sehr viele Stand-Up-Paddler, ebenso aber Menschen, die mit kleinen Schlauchbooten oder Luftmatratzen unterwegs sind. Für diejenigen gelte vor allem, sehr genau auf das Wetter zu achten. Die Sturmleuchten seien beispielsweise ein wichtiges Warnsignal, von denen die meisten gar nicht wüssten, wie sie zu lesen sind. „Eine Vorwarnung zeigt sich durch Blitze in größerem Abstand, dazwischen gibt es Dunkelphasen“, erklärt Briddigkeit. „Folgen die Blitze dann sehr schnell aufeinander, sodass dazwischen keine Dunkelphasen mehr entstehen, sondern es sich nur zwischen hell und schwach hell abwechselt, ist es höchste Zeit, weg vom See ans Ufer zu kommen.“