Frauen müssen bei dieser Fastnachtsveranstaltung draußen bleiben. Weil mit ihnen der Dorferschoppen nicht funktionieren würde. Wie sagte Landrat Lothar Wölfle beim Besuch der Premiere am Freitag, die am Montag in den zusammengelegten Gaststätten Krone und Galgen eine Wiederholung finden wird? "Überlingen ist eine Stadt der Extreme: Beim Frauenkaffee bleibt alles über der Gürtellinie, und es käme einem Unfall gleich, wenn mal ein Witz darunter läge. Beim Dorferschoppen wäre es ein Unfall, wenn ein Witz über der Gürtellinie landet."

Beliebte wiederkehrende Themen dieser bizarren Fastnachtsveranstaltung waren die Berliner Regierungsbildung, die Überlinger Eismaschine Weigelt, der linke Biniossek und der Sipplinger als solcher. Routiniert hinterlistig führte Jörg Bohm durchs vierstündige Programm. Die ehemalige Oberbürgermeisterin begrüßte er mit den Worten: "Liebe Sabine, Du hast uns immer ganz viel Freude bereitet im Dorfer." Das war durchaus liebevoll gemeint. Hingegen bedauerten die Läferer, wie sich die Männer in der Butte nennen, dass der neue OB, Jan Zeitler, zu wenig Futter für den Dorfer biete, weshalb Matthias Wigger ihm kurzerhand ein Fettnäpfchen in der Schale kreierte. Zu den Ehrengästen zählte erstmals Regierungspräsident Klaus Tappeser. Michael (Mimi) Braun, einer der kreativsten Läfere mit langjähriger Erfahrung, fehlte in diesem Jahr berufsbedingt. Er nahm einen neuen Job bei Kramer an und wollte sich deshalb auf den Start beim neuen Arbeitgeber konzentrieren, entschuldigte er sich. Im nächsten Jahr werde er aber wieder dabei sein. 2019 ist außerdem damit zu rechnen, dass OB Jan Zeitler selbst ins Weinfass steigt, so wie sein Vor-Vor-Vor-Vorgänger Reinhard Ebersbach. Die Besucher beim Dorfer 2018 stimmten bei der von Jörg Bohm eingeleiteten Abstimmung mehrheitlich dafür.

Jörg Bohm

war Conférencier des Dorferschoppens und schlüpfte in der Butte in die Rolle eines Ratsdieners. Hier gab Bohm Einblicke in das Rathaus, das seit einem Jahr unter Führung von OB Jan Zeitler steht. Bohm: "Alle in Verwaltung und Gemeinderat können jetzt ausnahmslos das machen, denken und sagen, was der OB will." Zeitler wurde per Abstimmung des Dorferschoppenpublikums darauf verpflichtet, künftig selbst (wie dereinst seine SPD-Genossen Ebersbach und Lutz) in die Butte zu steigen. Zeitler, Gast im Publikum, hob kopfnickend die Hand.

Und Bohm lobte ihn: "Der Bürgersinn mault, die BÜB mault, irgendwas machst Du doch richtig."Als Ratsdiener las Bohm vor aus "Zeitlers Tagebuch", wo sich beklagt wird über den Gemeinderat, "der ist nur dagegen, diese dauerbesorgten Nervensägen; sie parieren nicht und sind nicht still und wollen nicht, wie ich es will. Ich meine es ja nicht schlecht, letztlich habe ich ja immer Recht. Die Gartenschau läuft gut, ich weiß genau, die macht ja meine Frau. Mit dem Bauamtsleiter hab' ich gar kein Glück, aber wünsch' ich mir den Nöken zurück?" Der AfD schrieb Bohm ins Stammbuch, "die NPD für Besserverdiener" zu sein. Die Schifffahrt im AfD-Wahlkampf, die von Überlingen aus startete, bezeichnete er als "Arche Noah der enttäuscht Völkischen – dann war's aber doch bloß nur eine geistige Titanic".

Jörg Bohm war Conférencier des Dorferschoppens.
Jörg Bohm war Conférencier des Dorferschoppens. | Bild: Stefan Hilser

Frank Neumann,

im normalen Leben Referent des CDU-Abgeordneten Lothar Riebsamen, trat als Stadtgärtner in die Butte und köpfte alles, was er für Unkraut hielt. Das neue Stadtwappen sei "Malen nach Zahlen, nur in hässlich". Von einer Sipplinger Agentur kreiert, da müsse es einem nicht wundern, "dass der Adler einen Kropf hat". Im Kräftemessen zwischen Trump und Kim Jong Un stehe es unentschieden. Beide hätten "Kackfrisuren, und beide Schurkenstaaten haben nun Atomwaffen". Trump wolle ja gerne wieder zum Mond. Weil das so teuer ist, lasse er, Neumann, im Dorferschoppen den Hut rumgehen.

Vom Restgeld könne man Martin Hahn mitgeben, "wo die Gürtelbahn so unzuverlässig fährt". Im Publikum saß Landrat Wölfle. "Wird alles besser", korrigierte der. Darauf Neumann schlagfertig: "Vielleicht machen wir ja einen Gruppenflug zum Mond." Dort gebe es wohl mehr Fisch als im Bodensee. Eine namentlich hier nicht zu benennende Grünenpolitikerin arbeite jetzt beim Fischhändler Nordsee, wusste Neumann: "Als Geruch." Eines müsse man den Grünen lassen, das Ziel, dass Air Berlin jetzt klimaneutral fliegt, hätten sie erreicht. Für die SPD sei die Bundestagswahl eine Art Patientenverfügung gewesen: "Das Volk will keinerlei lebensverlängernde Maßnahmen." Dem Berliner Politbetrieb attestierte er: "Regelmäßiges Versagen ist auch eine Art von Zuverlässigkeit."

Frank Neumann ist im normalen Leben Referent des CDU-Abgeordneten Lothar Riebsamen.
Frank Neumann ist im normalen Leben Referent des CDU-Abgeordneten Lothar Riebsamen. | Bild: Stefan Hilser

Herbert Gomeringer

trat in der Rolle des Bachele in die Butte, den eine Zunahme englischer Begriffe verwirrt. Ob das Badhotel mit seiner Stellenanzeige, über die ein "Housekeeper" ausgeschrieben war, einen Torwart suche, und ob der Homeboy "ein umgebautes Zimmermädle" sei, fragte er. Und ob man Nußdorf jetzt als Nutstown bezeichne. Reinhard Weigelt koche in der Stadt ein eigenes Süppchen, "ein Kastaniencremesüpple, weil er vor dem Aufbau der Eisbahn erst die Kastanien auflesen muss, damit's beim Schlittschuhlaufen nicht holpert". Mit Blick aufs Narrentreffen 2020 fürchtet er, dass Überlingen zu einer Zeltstadt wird und an "eine Außenstelle des Flüchtlingslagers von Aleppo" erinnert, "wenn die Vermummten von Oberndorf, Rottweil und Elzach nach Überlingen ins Asyl kommen".

Dem Exhibitionisten beim Bahnhofsbäcker gab er den Satz mit: "Der hat sich doch nur für sein Heißwienerle einen Wecken geholt." Dem OB drückte er für den angekündigten Selbsttest der öffentlichen Toiletten eine Rolle Klopapier in die Hand. Gomeringer: "Wenn Sie alles testen wollen, was gerade sch... läuft, dann reicht diese Rolle Klopapier nicht." Im Namen von Narrenpolizist Andreas Tag- und Nachtlang kritisierte er überbordenden Brandschutz in Kneipen: "Tagi braucht keine Fluchttür, der will nur rein und nicht mehr raus, oder haben Sie schonmal gesehen, dass Tagi vor einem Weizen flüchtet?"

Herbert Gomeringer trat in der Rolle des Bachele in die Butte.
Herbert Gomeringer trat in der Rolle des Bachele in die Butte. | Bild: Stefan Hilser

Harald Messner,

ein echter Dorfer zwar, ist bisher noch nie in der Butte beim Dorferschoppen gestanden. Vielmehr lernte er sein närrisches Rüstzeug beim Männerkaffee in Anusch's Pub, der noch derberen Variante. Seinen ersten Auftritt als Läfere beim Dorfer absolvierte Messner flüssig, langsam steigernd, zunächst nur höflich Applaus erhaltend, um dann mit einem Sprechgesang die Männerherzen im Sturm zu erobern. Als Heiler kümmerte er sich zunächst um Gemeinderäte wie "Bin i o sek / bin i au krank", und nahm "Reinhard in my Tent" in seine Praxis auf. In seinem großen Finale stellte er das bittere Ende einer durchzechten Nacht dar, die in der Arbeitslosigkeit endete, weil er den Chef im Suff beleidigte, in der das Auto verloren ging und in der er ins Bett seiner hässlichen Nachbarin stolperte.

Auszüge daraus: "Mein Wellensittich pfeift in Moll, wegen dem blöden Alkohol / Ich schluchze wie ein junges Mädel wegen der Axt in meinem Schädel / Ich kriech ins Bad auf allen Vieren, wie konnte sowas nur passieren / Am Hemdkragen Lippenstift, ich trinke nie mehr von dem Gift / Im Andele steckt jetzt Dein Renault, ich trink nie wieder 'nen Bordeaux / Die Nachbarin schwingt meine Unterhosen, ich trink' nie wieder Sekt aus Dosen / Du hast Dich in der Tür geirrt, da hab' ich Dich verführt / Ein Video haben wir auch gemacht, und bist Du mal nicht nett, dann stell ich’s rein ins Internet".

Harald Messner ist bisher noch nie in der Butte beim Dorferschoppen gestanden.
Harald Messner ist bisher noch nie in der Butte beim Dorferschoppen gestanden. | Bild: Stefan Hilser

Michael Jeckel,

Galgenwirt und Chef von Überlingens größter Gerüchteküche, zündete ein zehnminütiges Sprechfeuerwerk, fast ohne Rohrkrepierer. Jeckel kam als "eineiiger Kuseng vom Damglonke, als Gottlob Friedensreich Kechele aus Bempflingen" in die Butte und schwäbelte lästerlich. Er knöpfte sich praktisch jeden vor. Den Ralf Ochs beispielsweise: "Dudelmusik vom Zopfchinesen." Oder einen Überlinger, überzeugter CDU-ler, der sich in eine überzeugte Linke verkuckt habe, die auch noch bekannt sei mit der "Krawallschachtel Sarah Wagenheber". Oder Hubert Regenscheit, der "gnadenlos für zehn Meter Strand und gegen den Billigtourismus kämpft", und der hart an der Eingemeindung von Überlingen nach Goldbach arbeite.

Übers Narrenkonzert-Ballett spottete er: "Prima Ballerina, die wie Kriegsverletzte über die Bühne stolperten." "Platanentöter Zeitler" habe sich gut eingeführt, aber nicht bei der Feuerwehr, die er wegen des Eisstockschießens versetzt habe. "Aber man muss halt Prioritäten setzen", und die würden der Weigelt'schen Eisbahn gelten. Sein Vorschlag: Eisbahn hochkant stellen, Platz fürs Gastrozelt sparen, Öffnungszeiten von 1. Juli bis 30. Juni. Für Sabine Becker, mit dem ihn eine Hassliebe verbindet, freute sich Jeckel, dass Martin Hahn sie durch Heirat "von der Straße wegholte und aus dem direkten Dunstkreis alleweil scherriger Bürgermeister".

Michael Jeckel ist Galgenwirt und Chef von Überlingens größter Gerüchteküche.
Michael Jeckel ist Galgenwirt und Chef von Überlingens größter Gerüchteküche. | Bild: Stefan Hilser

Achim Friesenhagen

schlüpfte in seine Paraderolle. Wenn mit ihm Horst Schlämmer den Raum betritt, schnappatmend, dann fragt man sich zuerst, ob nicht das Original, Hape Kerkeling, darunter steckt. Doch Friesenhagen gab seinem Schlämmer längst eine Überlinger Note. Markant: Seine altherrliche Zuneigung zu Sabine Becker, die als wohltuender Kontrapunkt zu den Gehässigkeiten verstanden werden darf, die sich Becker sonst an der Fasnet anhören muss(te). Ihrem Nachfolger Jan Zeitler empfahl er, bald damit anzufangen, in die Fettnäpfchen zu treten. "Sonst komme ich mal hoch aufs Rathaus. Dann heißt es, ich kandidiere für den Gemeinderat, Schlämmer for Überlingen."

Wobei Zeitler den mit dem Chantilly-Platz mal früher raushauen hätte dürfen, "dann hätte die Narrenzunft fürs Narrenkonzert auch noch was davon gehabt". Achim Schlämmer: "So wie das rüberkam in der Öffentlichkeit, hätte es Frau Becker nicht besser hinbekommen. Und das war kein Kompliment, mein Freund." Ihm graut vor der nächsten Autofahrt: "120 auf der Autobahn, das ist ja fast so langsam wie hier in der Innenstadt." Sein Berlinblick: "Merkel hängt mehr an der Macht wie ein Sipplinger an seiner Schwester. Die guten Umfragewerte vor einem Jahr für Schulz, man nennt das Angsttrieb: kurze heftige Blüte direkt vor dem Absterben. Der Schulzeffekt ging schneller weg als die Portion Pommes beim Buchinger."

Achim Friesenhagen schlüpfte in seine Paraderolle.
Achim Friesenhagen schlüpfte in seine Paraderolle. | Bild: Stefan Hilser

Matthias Wigger

machte sich als Frau Kächele geborene Fischerin geschwiegene Schwan vom Dorf intensiv Gedanken über den Frauenkaffee. Nachdem Anne Mandausch zurücktritt, sei er/sie geneigt, die Leitung zu übernehmen. Wobei sich Wigger, nicht zuletzt wegen des riesigen Beifalls im Dorfer, eines Besseren besann: "'s isch neänä so luschdig, 's isch neänä so schee wie im Dorferschoppè", dichtete er die Frauenkaffee-Hymne um und versicherte den Männern: Ich bleib' Euch treu. Wigger, Schlussnummer im Dorfer, sieht sich einem Publikum gegenüber, das nicht mehr viel der Worte aufnehmen kann, sondern nur noch singen und mit Schnaps anstoßen will. Und vor allem wollen die beduselten Männer gemeinsam mit Wigger den "Weißen Schwan" anstimmen, seiner Hymne seit dem Auftritt als "Fischerin vom Bodensee" beim Dorfer 2016.

Mit Wein kennt sich der Weinsteinwirt bestens aus: "Ein einziger Doppelnamen spendet Trost, das ist der Müller-Thurgau, darauf Prost!" Den Narrenräten gab er für heute die Botschaft mit: "Eine furzblöde Idee, den Hänselejuck zu beleuchten mit LED." Darauf ein "Pross-it!". Kreativ auch, wie Wigger den Trachtenfrauen neue Trachten schenkte. In Form der Buchstaben A, B und C entwarf er Röcke, die den Damen mehr oder weniger vorteilhafte Figuren verliehen. Wenn sie zur Schwedenprozession als "Riesenschwarm" ausströmen, gebe es einen ABC-Alarm.

Matthias Wigger machte sich als Frau Kächele geborene Fischerin geschwiegene Schwan vom Dorf intensiv Gedanken über den Frauenkaffee.
Matthias Wigger machte sich als Frau Kächele geborene Fischerin geschwiegene Schwan vom Dorf intensiv Gedanken über den Frauenkaffee. | Bild: Stefan Hilser