„Wir wollen Euch die Möglichkeit geben zu klären, wen Ihr wählen könnt“, begrüßte Moderator Espen Rechtsteiner das Publikum. „Die Kommunalpolitik ist die politische Ebene, die Euer Leben direkt betrifft.“ Damit stimmte er auf die dritte vom Jugendgemeinderat organisierte Veranstaltung vor den Wahlen ein. Beim jüngsten Termin ging es in der Aula des Gymnasiums um die Kommunalwahlen. Auf dem Podium hatten jeweils zwei Vertreter der FDP, CDU, BÜB+, SPD, Freien Wähler und Grünen Platz genommen.
Der Moderator gab jeweils das Thema vor und bat um einen „Fragenhagel“ aus dem Publikum. Vorab wollte er von den Politikern wissen, warum die Jugendlichen sie wählen sollten. Damit erwischte er die meisten gleich auf dem falschen Fuß, denn in den Partei-Programmen kommen Jugendinteressen anscheinend kaum vor: Melanie Kunze nannte ihre vier Kinder als Referenz und Raymund Feger hat beruflich mit Schülern zu tun (SPD). Dirk Diestel gefällt die Friday-for-Future-Bewegung und Florian Jekat möchte Kinder- und Jugendinteressen vermitteln (BÜB+).

Robert Dreher findet den Jugendgemeinderat gut und Mario Abels sieht keinen großen Unterschied bei politischen Interessen unterschiedlicher Altersgruppen (Freie Wähler). Dominik Mattes will gemeinsam mit dem Jugendgemeinderat ein Sprachrohr für aktuelle Politik sein, Volker Mayer-Lay war früher in der Jungen Union (CDU). Reinhard Weigelt hat für freies WLAN auf der Eisbahn gesorgt und Jürgen Gundelsweiler plädierte dafür, trotz des Tourismus-Schwerpunkts die Jugend nicht zu vergessen (FDP). Veronika Düker sowie Benedikt Kitt sind selbst noch Jugendliche und sehen sich damit als direkte Vertreter auf Augenhöhe (Grüne).
Ein neues Jugendzentrum?
In der folgenden Diskussion wurde die Frage, ob die Rampe in Nußdorf modernisiert oder ein neues Jugendzentrum geschaffen werden müsse, lange erörtert. Die Diskussion ergab, dass die Rampe saniert und besser ausgestattet werden müsse. Ein Jugendzentrum wie die Molke in Friedrichshafen zu bekommen, sahen alle Politiker als utopisch an, da viel zu teuer. Daraufhin erinnerte ein Jugendlicher aus dem Publikum an die kostspielige Sanierung des Familienzentrums. Ebenfalls aus dem Publikum kam die Aufforderung, nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten und privaten Sponsoren zu suchen.

Das Geld entpuppte sich auch bei der Forderung nach besseren Angeboten des Öffentlichen Personennahverkehrs in den Abendstunden und an den Wochenenden als schwierigster Faktor. Für ein besseres Angebot sind alle, allerdings wären das dicke Bretter, die da gebohrt werden müssten. Bei den Tarifen herrscht fast Konsens: Ein-Euro-Tickets halten alle für machbar, nur die Freien Wähler wollen ein kostenloses Angebot und die CDU die Schülerkarten subventionieren.
Moderator muss mehrfach eingreifen
Bei den Themen Klimaschutz und Radwege musste der Moderator mehrfach eingreifen und an die Interessen der Jugendlichen erinnern. Fazit war, dass ein sicheres und gutes Radwegenetz gut für das Klima sei, junge Leute mobiler mache und Autofahrer zum Umsteigen bewegen könne. In Sachen erneuerbarer Energie konnten die Ratsherren, die beiden einzigen Frauen auf dem Podium haben noch kein Mandat, auf Beispiele verweisen. So wird die neue Sporthalle mit Geothermie beheizt werden. Nach einem langen Diskussionsabend, zu dem sich die Veranstalter mehr Jugendliche im Publikum gewünscht hätten, gingen die Gespräche im Foyer bei Rohkost und Brause noch weiter.

Wahlrecht ab 16 Jahren
Im Mai 2014 durften Jugendliche ab 16 Jahren erstmals bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg ihre Stimme abgeben. Die grün-rote Landesregierung hatte 2012 eine entsprechende Änderung des Kommunalwahlrechts beschlossen.
Die Absenkung des Wahlalters betraf nur das aktive Wahlrecht. Das Recht, sich zur Wahl aufstellen zu lassen, also das passive Wahlrecht, erhält man weiterhin erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres.
Die damalige Landesregierung hat auch den Gesetzentwurf zur Änderung der Gemeindeordnung eingebracht, nach der die Jugendlichen einen Jugendgemeinderat in ihrer Gemeinde beantragen können. Der erste Überlinger Jugendgemeinderat wurde am 9. November 2018 gewählt.
In der Mehrheit der Bundesländer können Jugendliche ab 16 Jahren kommunal wählen. In Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein dürfen sie auch mitbestimmen, wie sich der Landtag zusammensetzt.