Der Landesverband der AOK forderte erst vor kurzem eine Reduktion der Krankenhäuser im Land von derzeit 250 auf rund 200. Es mache keinen Sinn, alle "Wald- und Wiesenkrankenhäuser" aufrechtzuerhalten, wurde AOK-Chef Christopher Hermann in den Medien zitiert. Die Krankenhausgesellschaft widersprach dieser Einschätzung nur teilweise. Vor diesem Hintergrund kann Überlingen froh sein, mit dem Helios-Spital seit inzwischen zehn Jahren einen Betreiber zu haben, der den Klinik-Standort nicht nur gesichert hat, sondern einiges in den Ausbau der medizinischen Versorgung investierte. Man denke nur an das Facharztzentrum, das 2011 eröffnet wurde, die Modernisierung der Operationssäle und der Einbau eines Herzkatheterlabors. Helios spricht von Investitionen in Höhe 34,5 Millionen Euro und will im Sommer mit dem Bau einer neuen Station beginnen.

Von verschiedenen Seiten war die Privatisierung des ehemals kommunalen Hauses im Jahr 2007 und die damit befürchtete zu starke Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung beklagt worden. Doch die Kommune hatte keine Alternative, das zeigen einmal mehr die Entwicklung des Systems und die finanzielle Situation der Stadt. "Wir hätten das Krankenhaus heute sicher nicht mehr, wenn man die damalige Ausgangslage zugrunde legt", sagt Stadtrat Udo Pursche (SPD) ganz offen, der auch heute noch neben dem FDP-Kollegen Raimund Wilhelmi und Oberbürgermeister Jan Zeitler in einer Minderheitenkonstellation dem Aufsichtsrat der Helios-Spital Überlingen GmbH angehört.

Die Stadt, beziehungsweise der Spital- und Spendfonds, habe die Weichen zwar richtig gestellt gehabt, als sie den Eigenbetrieb im Jahr 2003 in eine privatrechtliche GmbH umgewandelt und 2006 die private Seeklinik eingerichtet hätten. "Der sichere Gewinn der Privatklinik hätte zum Ausgleich des Defizits des 'Normalbetriebes' ausgereicht," ist Pursche überzeugt. Doch die von den Privatkassen verweigerte Anerkennung habe einen Erfolg des Konzepts verhindert. So habe es keine echte Alternative gegeben. "Durch den Verkauf an Helios wurde der Standort und damit ein wohnortnahes Krankenhaus gesichert", erklärt Pursche rückblickend. In den Verhandlungen habe die Stadt trotz einer minimalen Beteiligung (5 Prozent) immerhin einige Punkte sichern können, unter anderem ein Vetorecht bei einer Stationsschließung.

"Aus meiner Sicht war die Privatisierung für die Überlinger ein großer Gewinn", geht FDP-Stadtrat Raimund Wilhelmi noch einen Schritt weiter. "Wir haben weiterhin ein eigenes, leistungsfähiges Haus mit Geburtsstation und sind kein Portalkrankenhaus für Friedrichshafen oder Singen." Diagnostisch sei das Helios-Spital bei CT, MRT und sogar Koronarangiographie auf Augenhöhe mit Friedrichshafen und Konstanz. Im Ärztehaus seien zudem noch weitere Spezialisten untergebracht wie Dialyse und Augenmedizin. "Natürlich wird aufgrund des Kostendrucks inzwischen personell eng kalkuliert," räumt Wilhelmi ein, "was menschliche Kontakte im Vergleich zu früher leider erschwert." Das sei jedoch ein allgemeines Problem, das in einem gesamtgesellschaftlichen Dialog gelöst werden müsse.

"Es war richtig, dass wir einen Partner ins Boot geholt haben", sagt auch der frühere Geschäftsführer Ernst Widenhorn. Er hatte den Umbau vom Eigenbetrieb zur privatwirtschaftlichen Gesellschaft vorgenommen und die Privatklinik installiert. Pläne zur Modernisierung des Funktionstrakts und das Konzept für ein Ärztehaus lagen schon in der Schublade. "Helios hatte damit gute Startbedingungen", sagt Widenhorn. Und der Konzern konnte das Geld investieren, das die Kommune nicht hatte. "Als Träger einer Gesundheitseinrichtung muss man heutzutage ständig investieren", erklärt der frühere Wirtschaftschef des Krankenhauses. Der Weg des Gesundheitssystems führe ohnehin zu größeren Verbünden bzw. Zentren mit hoher Spezialisierung. Die Ansprüche der Gesellschaft seien ständig gestiegen, doch die staatliche Krankenhausfinanzierung habe damit nicht Schritt gehalten, sagt Widenhorn.

Stillstand kann sich keine Klinik leisten. So hat das Helios-Spital im vergangenen Jahr unter der Leitung von Chefarzt Marc Riemer eine akutgeriatrische Abteilung eingerichtet, die auf ihre spezifischen Kompetenzen im medizinischen und pflegerischen Bereich verweist. Ziel ist es, den älteren Menschen nach einem Krankheitsfall oder Unfall möglichst schnell zur Genesung und zur gewohnten Lebensqualität zu verhelfen, indem die notwendige Akutbehandlung gleich mit Rehabilitationsmaßnahmen verzahnt und wird. Die dafür geplante Station, mit deren Bau im Sommer begonnen wird, muss zunächst allerdings als Puffer für Modernisierungs- und Brandschutzmaßnahmen in den anderen Stationen dienen.

Das Krankenhaus in Überlingen ist mittlerweile seit 10 Jahren in der Hand des Helios-Konzerns. Bild: Stefan Hilser
Das Krankenhaus in Überlingen ist mittlerweile seit 10 Jahren in der Hand des Helios-Konzerns. Bild: Stefan Hilser


 

Im Spannungsfeld zwischen Medizin und Ökonomie

Ein Krankenhaus kanndie Preise für seine Behandlungen nicht selbst festlegen. Auf der anderen Seite muss eine privatwirtschaftliche Klinik wie das Helios-Spital eine vorgegebene Rendite erwirtschaften. In diesem Spannungsfeld muss auch der Ärztliche Direktor und Chefarzt Christoph Miltenberger agieren. Er leitet seit Oktober 2011 die damals eingerichtete Klinik für Gefäß- und Endovaskularchirurgie.

Herr Dr. Miltenberger, wie versuchen Sie die wirtschaftlichen Zwänge und die medizinische Qualität, die Erwartungen der Patienten und der Mitarbeiter auszutarieren?

Wir sind nach wie vor in erster Linie der Medizin und dem Wohl des Patienten verpflichtet. Das ist alternativlos. Auf der anderen Seite ist es natürlich schon so, dass wir dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliegen. Wenn es für eine gute Behandlung zwei Wege gibt, die zum Erfolg führen, dann müssen wir uns für die kostengünstigere Lösung entscheiden. Doch in diesem Spannungsfeld Medizin und Ökonomie hat die Geschäftsführung andere Aufgaben als der Ärztliche Direktor und die Chefärzte. Unsere Aufgabe ist es, das Interesse der Medizin und des Patienten zu vertreten. Doch das hat im Grunde nichts mit dem privaten oder kommunalen Träger zu tun. Wenn es unterschiedliche Qualitäten der Behandlung gibt, dann müssen wir versuchen, uns gegen die wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen.

Es kann auch unterschiedliche Auffassung bei der Besetzung von Pflegestationen geben. Doch dieses Spannungsfeld ist bei einem kommunalen Träger im Grunde das gleiche.

Zumindest gefühlt gibt es aus Sicht der Patienten einen häufigen Wechsel bei den Ärzten des Helios-Spitals. Täuscht das? Oder woran liegt das?

Ich würde es mal als Fluktuation bezeichnen. Die betrifft allerdings das ganze Personal, auch in der Pflege. Insbesondere bei den nachgeordneten Ärzten gibt es eine stärkere Fluktuation, wo es früher noch stabilere Teams gab. Das macht die Arbeit tatsächlich schwieriger, da es immer wieder Einarbeitungsphasen zu überwinden gilt. Doch auch das ist für mich weniger ein Helios-typisches als ein generelles Phänomen. Das gibt es nicht nur in der Medizin, das ist aus meiner Sicht eine gewisse Zeiterscheinung. Früher haben die Leute nach ihrer Ausbildung 30, 40 Jahre im gleichen Betrieb gearbeitet und sind dann in Rente gegangen. Heute sind die Menschen mobiler, sie wechseln ihren Wohnort. Dies wird von ihnen auch erwartet. Doch es bringt natürlich mehr Unruhe hinein und ist eine Belastung.

Welches sind die aktuellen Pläne? Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Wir wollen im Sommer mit dem Bau einer neuen Station beginnen, die im Süden dem Hauptgebäude vorgelagert ist. In den ersten Jahren muss diese Erweiterung als Puffer für andere Stationen dienen, in denen der Brandschutz ertüchtigt werden muss und die auch hinsichtlich des Komforts modernisiert werden. Hier wachsen die Anforderungen und die Ansprüche stetig. Dafür sind immer wieder neue Investitionen erforderlich, um den Patienten gerecht zu werden.

 

 

 

Auch Krankenpflege verändert sich

Gerne wird im öffentlichen Bild von Krankenhäusern die qualifizierte medizinische Versorgung gegen den pflegerische Betreuung in Stellung gebracht. Dies gilt ganz besonders, wenn Ökonomie eine wichtige Rolle spielt. Ein differenziertes Bild zeichnet hierbei Daniela Klesel, die Pflegedienstleiterin am Helios Spital, die schon seit 1993 in verschiedenen Positionen und mit kurzen familiär bedingten Unterbrechung am Überlinger Krankenhaus tätig ist.

Daniela Klesel begann als Krankenschwester, hatte mehrfach leitende Funktionen auf Stationen und ist schon seit einigen Jahren Pflegedienstleiterin im Helios-Spital. Noch sehr gut erinnert sich Klesel an die Situation vor rund 20 Jahren, als das Haus unter kommunaler Trägerschaft stand. „Ende der 1990er Jahre haben sich die Mitarbeiter nach Gesprächen freiwillig zu einem teilweisen Gehaltsverzicht bereit erklärt“, erzählt die Pflegedienstleiterin.

„Wir hatten damals schon große Sorgen um den Fortbestand des Krankenhauses.“ Zumindest als Einrichtung für die Grund- und Regelversorgung sei es ernsthaft in Frage gestellt gewesen. „Doch wir haben an das Haus geglaubt und uns gefragt: Was können wir tun?“

Durchaus verändert hat sich die Arbeit der Krankenschwestern. „Man spürt den schnelleren Umlauf aufgrund der vorgegebenen Liegezeiten“, erklärt Daniela Klesel: „Die Mitarbeiter haben häufiger mit schwerer kranken Patienten zu tun.“ Auf der anderen Seiten seien die Pflegekräfte von Arbeiten entlastet, die vor 20 Jahren noch zum Alltag gehörten: Betten wechseln, sauber machen oder die Essensbestellungen. Auch für den Transport der Patienten zu Untersuchungen oder medizinischen Eingriffen gibt es eigene Mitarbeiter. Klesel: „Die Krankenschwestern können auf ihrer Station bleiben.“ Nach wie vor muss im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr gearbeitet werden.

Seit Helios das Krankenhaus in Rottweil 2011 übernommen hat, gebe es hier eine enge Zusammenarbeit und eine Arbeitsteilung. Die zuständige Apotheke, die zunächst nach Friedrichshafen abgewandert war, ist inzwischen im Partnerhaus angesiedelt. Auf der anderen Seite werden Instrumente in Überlingen sterilisiert und von hier nach Rottweil gebracht.

Froh ist Daniela Klesel auch, dass die Krankenpflegeschule, die schon nach Singen abgewandert war, von Helios wieder nach Überlingen geholt worden sei. Denn die Nähe zum Nachwuchs ist für sie wichtiger denn je. Als Klesel 1984 in Schwenningen ihre Ausbildung begann, hatte es 300 Bewerber für 30 Plätze gegeben. Dies hat sich dramatisch geändert. „Heute ist es schwierig, qualifizierten Nachwuchs zu bekommen“, sagt sie. Deshalb kooperiert die Ausbildungseinrichtung auch mit dem Bereich Altenpflege der Justus-von-Liebig-Schule in Überlingen. Die Schüler können sich hier weiter qualifizieren.

Doch auch bei den angestellten Fachkräften höre die Fortbildung nicht auf. „Auch die Pflege ändert sich ständig“, sagt Daniela Klesel. „Ich habe ein Budget und stelle jedes Jahr einen Plan für die Mitarbeiter auf.“ Der Arbeitgeber ermögliche zudem auch Umorientierungen innerhalb des Hauses. Besonders erfreulich ist für die Pflegedienstleiterin, dass Fachkräfte, die das Haus verlassen hatten, auch wieder zurückkämen.