Noch steht der Gasthof „Löwen“ in Deisendorf, doch seit dem Herbst sind die Türen geschlossen und die Läden dicht. Um das ehemals lebendige Ortszentrum ist es still geworden, seine Tage sind gezählt. Die Entscheidung, seine Gastwirtschaft aufzugeben und die Immobilie zu verkaufen, hatte Gastwirt Winfried Keller schon im Herbst 2017 getroffen.
Wirt: "Mir zerreißt's schier das Herz"
„Mir zerreißt's schier das Herz – und vielen Gästen auch“, versicherte Keller, der die Gaststätte mehr als 30 Jahre betrieben hatte, im vergangenen Sommer. Doch da waren die Würfel längst gefallen. Ortsvorsteher Martin Strehl versuchte zwar noch, die Stadt als Rettung auf den Plan zu rufen, doch vergeblich.
Investor blitzte mit ersten Plänen ab
Nun steht zum zweiten Mal öffentlich im Raum, was an der Stelle des „Löwen“ in der Dorfmitte Neues entstehen soll. Mit seinen ersten Vorstellungen war der Investor BG Business Group mit Sitz in Cham am Zuger See bei Ortschaftsrat und Stadtverwaltung abgeblitzt. Auch der erste öffentliche Vorschlag war diesen noch zu massiv.
Absprung des Investors stand kurzfristig im Raum
Der Absprung des Investors stand schon kurzfristig im Raum. Doch nun stellte Ralf Pavaletz, Leiter der Projektentwicklung, dem Deisendorfer Gremium und den zahlreichen Bürgern einen neuen, abgespeckteren Entwurf vor. Begleitet wurde Pavaletz von Architekt Dietmar Stordel aus Grünkraut, dessen Details in dieser frühen Phase allerdings noch kaum gefordert waren. „Wir sind jetzt ziemlich weit auf die Wünsche der Gemeinde eingegangen“, erklärte Stordel.

Drei Mehrfamilienhäuser mit 24 Wohnungen*
Drei Mehrfamilienhäuser sollen hier entstehen und die neue Dorfmitte markieren. Alle drei Gebäude weisen zwei Vollgeschosse und ein Dachgeschoss auf, erklärte Projektentwickler Pavaletz. Die Größe der Wohnungen liege mit einem bis bis vier Zimmern zwischen 54 und 105 Quadratmetern. Dies entspreche der aktuellen Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt.
Tiefgarage und Außenstellfläche
Hinzu komme eine Tiefgarage mit rund 26 Stellplätzen. Etwa ebensoviele Parkplätze sind am Rande des Areals oberirdisch vorgesehen. Dass die Gebäude einen Aufzug bekommen und einen hohen Energiestandard erhalten sollten, war zurzeit noch zweitrangig.
Stadt kauft Randstreifen am Riedbach
Während das bisherige Grundstück sich bis zum Riedbach erstreckte, hat die Stadt hier von ihrem gesetzlichen Vorkaufsrecht für einen zehn Meter breiten Gewässerrandstreifen Gebrauch gemacht. Einen Wiesenzwickel an der Ecke zwischen Straße und Riedbach würden die neuen Eigentümer der Dorfgemeinschaft als kleine Festwiese überlassen, dazu die zugewandten Räume im Erdgeschoss eines der Gebäude. „Das hängt natürlich auch von den Konditionen ab“, sagt Ortsvorsteher Martin Strehl.
Stadtplaner findet Pläne immer noch massiver als erwartet
Spätestens als Stadtplaner Thomas Kölschbach seine Bewertung abgab, kam im Gremium etwas Skepsis auf. Der Entwurf orientiere sich durchaus an der Ortsgestaltungssatzung, die sich Deisendorf selbst gegeben habe, sagte Kölschbach. Er sei für den Ort mit 24 Wohneinheiten allerdings nach wie vor etwas massiver als erwartet. Vor allem aber überschreite ein Gebäude die Grenze zum Außenbereich des Flächennutzungsplans. „Dafür kann es keine einfache Befreiung geben“, gab der Stadtplaner zu bedenken. Das müsse mit einer förmlichen Satzung geregelt werden.
Projektentwickler will mit Bau im Herbst loslegen können
Projektentwickler Pavaletz hätte aus Zeitgründen am liebsten auf eine Bauvoranfrage verzichtet und gleich ein Baugesuch eingereicht. Schließlich hoffte er, schon im Herbst loslegen zu können, bei einer geschätzten Bauzeit von 16 Monaten. „Wir werden uns nicht mit der Stadt anlegen, wir wollen ja wiederkommen“, erklärte Pavaletz: „Doch wenn wir kein Baurecht bekommen, kommt ein anderer.“
Wohnungen "liebend gern" an Einheimische verkaufen
Als die Frage nach den kalkulierten Preisen in den Raum gestellt wurde, wurde Kritik laut. „Wir werden wohl bei 6000 Euro pro Quadratmeter liegen“, sagte der Projektleiter. Pavaletz hatte zuvor ausdrücklich betont, die Wohnungen „liebend gern“ an Einheimische zu verkaufen. „Das ist für uns am einfachsten.“
Ortvorsteher reagiert geschockt auf Preisvorstellung
Auf den Quadratmeterpreis reagierte nicht nur der Ortsvorsteher schockiert. Auch aus dem Publikum wurden Zwischenrufe laut: „Das kann sich eine normale Familie nicht leisten.“
Investor: "In Überlingen bisweilen schon 8000 Euro"
Die finanziellen Dimensionen bewertete Pavaletz angesichts der Lage als normal. Natürlich könne man in Sigmaringen Wohnungen für weniger als 3000 Euro pro Quadratmeter erwerben, betonte der Projektentwickler. In Überlingen selbst müsse man bisweilen schon 8000 Euro auf den Tisch legen. „Das hängt immer vom Standort ab.“
*In einer ersten Version war die Rede von 44 geplanten Wohnungen. Wir haben dieses Missverständnis korrigiert.
Der Investor
„Wir sind aus der Schweiz“, stellte Ralf Pavaletz, Leiter der Projektentwicklung bei der BG Business Group, seine Investorenfirma im Angesicht des projizierten Matterhorns vor. Die Firma habe ihren Sitz in Cham am Zuger See. „Doch wir sind bis auf den Chef alles Deutsche.“ Das habe seinen Grund. Die BG Group baue nur in Deutschland, ja sogar nur in Baden-Württemberg und in Lindau, sagt Pavaletz, der selbst aus Villingen-Schwenningen kommt. Unter anderem sei seine Firma derzeit auch dabei, in zentraler Lage von Radolfzell ein Gelände mit mehreren hundert Wohnungen zu überplanen. „Wir gucken immer, dass die Architektur zum Ort passt“, erklärte der Projektentwickler. Deisendorf sei nun „nicht die Großstadt“. Der Planer habe darauf auch Rücksicht genommen und nicht so massiv bebaut, wie dies in Radolfzell nach den Vorgaben der Stadt kommen müsse. In Blaubeuren und Tuttlingen liefen derzeit andere Projekte ganz unterschiedlichen Charakters. Vergleichbar mit Deisendorf sei eine Bebauung in Schwäbisch Hall, wo seine Firma zwei Mehrfamilienhäuser mit 22 Wohnungen erstellt habe. Weitere Aktivitäten liefen am Hochrhein.