David Ebner aus Steinen sagt es unverblümt. Dass er „eingezogen und abgeschossen“ werden könnte, antwortet er auf die Frage von Heiko von Ditfurth. Der aber ist ganz Profi und lässt sich von der direkten Antwort des 19-Jährigen nicht aus der Fassung bringen.

Ebner ist Schüler der Gewerbeschule in Schopfheim, von Ditfurth Jugendoffizier der Bundeswehr. Mittwochvormittag, fünfte und sechste Stunde: Normalerweise würde jetzt Sven Widlarz, Lehrer unter anderem für Gemeinschaftskunde, vor der Klasse stehen. Jetzt aber kann er sitzen und zuhören. Denn der Mann in Uniform übernimmt. Von Ditfurth ist Kapitänleutnant, hat also einen Marine-Offiziersrang inne, entsprechend dem des Hauptmanns bei Heer oder Luftwaffe. Mit ihm nach Schopfheim gekommen ist Frederik Ströhlein, Oberleutnant und Presseoffizier der Bundeswehr.

Dieser Badge zeichnet Heiko von Ditfurth als Jugendoffizier der Bundeswehr aus.
Dieser Badge zeichnet Heiko von Ditfurth als Jugendoffizier der Bundeswehr aus. | Bild: Hans Christof Wagner

„Wir haben heute hier einen Gast, der einen großen Namen trägt“, begrüßt Schulleiter Klaus König die Runde. Er meint damit Hoimar von Ditfurth, einen TV-Wissenschaftsjournalisten aus den 70ern, mit dem der Jugendoffizier entfernt verwandt ist. Aber klar: Den hier versammelten Schülerinnen und Schülern sagt der Name sicher nichts mehr. Es sind angehende Maler, Stuckateure, Maurer im zweiten Lehrjahr – und ein paar werdende Zimmerleute sitzen auch im drückend heißen Schulzimmer. Etwa drei Viertel sind Männer, ein Viertel Frauen.

Sorge auch um Klimawandel und Rechtsruck

Ebners Äußerung mit dem „eingezogen und abgeschossen“ ist seine Antwort auf von Ditfurths Eingangsfrage: „Was bereitet euch am meisten Sorgen?“ Eine Schülerin antwortet: „Generell Kriege“. Aber dann kommen auch schon Antworten wie „Klimawandel“, „Rechtsruck“ und „ökonomische Krise“. Und auch, dass es kein Hitzefrei mehr an der Schule gibt, äußert eine – aber das mehr kichernd und hinter vorgehaltener Hand.

Von Ditfurth präsentiert dann aber die Ergebnisse einer Umfrage, nach der die größte Sorge der Deutschen aktuell die vor dem Krieg in der Ukraine sei, gefolgt von der Angst um die Sicherheitslage in Europa und dem Rest der Welt. Aber die Nato-Ostflanke, von der er erzählt, ist für die Klasse weit weg. So versucht von Ditfurth die Distanz zum Thema abzubauen, die Schüler in ihrer Lebenswelt abzuholen. So geht es auch um Handys. Darum, dass die Seewege offen bleiben müssen, um die Geräte nach Europa zu schiffen. Darum, dass deren Zugang zum Netz irgendwie auch ein Aspekt von Sicherheit ist.

Nach dem Vortrag Heiko von Ditfurths diskutierte er noch in kleiner Runde weiter.
Nach dem Vortrag Heiko von Ditfurths diskutierte er noch in kleiner Runde weiter. | Bild: Hans Christof Wagner

Für Nähe erzählt er auch von sich: Als Wehrpflichtiger 2005 zur Bundeswehr gekommen, leistet er von 2016 bis 2018 Dienst auf dem Minenjagdboot „Datteln“ mit Heimathafen Kiel – dabei leidet er unter Seekrankheit. „Ohne Tabletten ging es nicht“, gesteht er. Inzwischen wohnt er weit weg von der Küste in Freiburg, hat drei Kinder und ist froh um den Job an Land und den festen Boden unter den Füßen.

Dennoch: Er und Ströhlein bleiben in ihren Uniformen vielen hier doch fremd. Einer döst die 90 Minuten Vortrag größtenteils weg. Dazu, nach dem Vortrag noch zu einem Gruppenfoto mit den beiden zu posieren, hat niemand Lust. Nur ganz wenige wollen hinterher noch mit den Offizieren diskutieren.

Heiko von Ditfurth erläuterte in seinem Vortrag auch die Lage an der so genannten Nato-Ostflanke.
Heiko von Ditfurth erläuterte in seinem Vortrag auch die Lage an der so genannten Nato-Ostflanke. | Bild: Hans Christof Wagner

Von Ditfurth ist seit 2022 Jugendoffizier und kommt so auch an Schulen. An der Gewerbeschule Schopfheim ist er seitdem jedes Jahr zu Gast. Seit 2022, mit Beginn des Ukraine-Kriegs, hat der Stellenwert des Militärs wieder zugenommen. Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz hat die „Zeitenwende“ ausgerufen. Die neue Bundesregierung will Deutschland massiv aufrüsten.

Was sagen die Gewerbeschüler?

David Ebner aus Steinen (19) hat eine kritische Distanz zum Militär.
David Ebner aus Steinen (19) hat eine kritische Distanz zum Militär. | Bild: Hans Christof Wagner

Für die Bundeswehr zu werben, ist Jugendoffizieren wie Heiko von Ditfurth an Schulen nicht erlaubt. David Ebner aus Steinen aber ist überzeugt: „Natürlich dienen deren Besuche der Werbung dafür.“ Die jungen Leute sollten so motiviert werden, zur Bundeswehr zu gehen, findet er. Für sich kann er das aber ausschließen. „Ich würde stattdessen lieber sozial arbeiten. Mit Krieg und Tod will ich nichts zu tun haben“, sagt der 19-Jährige.

Johannes Kabbe (25) aus Steinen zieht vom Besuch Heiko von Ditfurths eine positive Bilanz.
Johannes Kabbe (25) aus Steinen zieht vom Besuch Heiko von Ditfurths eine positive Bilanz. | Bild: Hans Christof Wagner

Johannes Kabbe (25) hingegen zieht vom Besuch von Ditfurths eine positive Bilanz. Er hat zwischen 2019 und 2021 freiwillig Wehrdienst geleistet und macht jetzt parallel zur Zimmermann-Lehre eine Ausbildung zum Reserveoffizier. „Mir hat es vor allem gut gefallen, dass wir darüber diskutiert haben, welche Werte wir verteidigen wollen“, sagt er über von Ditfurths Besuch. Und schiebt nach: „Das war während meines Wehrdienstes nie groß ein Thema.“

Werben für die Truppe verboten

Für die Bundeswehr zu werben, ist von Ditfurth nicht erlaubt. Er darf nicht sagen: Wir sind eine tolle Truppe, kommt zu uns. Sein Besuch dient aber schon dazu, die Jugend zur Auseinandersetzung mit der Bundeswehr und der Verteidigung Deutschlands und des Nato-Bündnisses zu bringen. Und auch die in Schopfheim sitzenden Gewerbeschülerinnen und -schüler wissen genau: Die Bundeswehr will auf 260.000 Soldaten anwachsen und setzt dabei auch auf uns. Ihnen ist klar: Wenn es mit Freiwilligkeit nicht geht, kommt die Wehrpflicht zurück.

Sicher teilen nicht alle die Sorge Ebners davor, „abgeschossen“ zu werden. Dennoch hält sich die Begeisterung der jungen Leute über ihre mögliche Zeit im Tarnanzug in Grenzen. Einer sagt es offen heraus: „Ich würd‘s nicht machen“. „Okay“, kontert der Jugendoffizier, „kein Problem“. Den Wehrdienst zu verweigern, ist ja ein Grundrecht. Aber auch in dem Fall müsste der junge Mann etwas „machen“, alternativ Zivildienst leisten. Dabei halten sich die wenigen Frauen in der Runde eher zurück. Denn sie müssten ja auch nicht „zum Bund“. Sie sind von der Wehrpflicht ausgenommen.

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Aber sollte es tatsächlich einmal „ernst“ werden, würden die Schopfheimer Schülerinnen und Schüler auf Nachfrage des Jugendoffiziers eher Werte verteidigen wollen und weniger das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Es sind Werte wie Demokratie, Menschenwürde und Freiheit. Heiko von Ditfurth sagt: „Gerade solche Werte hat Russland in der Ukraine angegriffen.“