Mit dem Deisendorfer Landgasthof Löwen hat die letzte Wirtschaft im Dorf geschlossen. Mehr als 30 Jahre war Winfried Keller Betreiber des Löwen. Vergangenen Freitag haben sich die Deisendorfer Vereine von ihrem Löwenwirt verabschiedet. Kellers Großvater Joseph hatte im Jahre 1911 das über 300 Jahre alte geschichtsträchtige Gebäude gekauft. Im Dorf war die Gastwirtschaft eine wichtige Institution und Begegnungsstätte für Bürger und Vereine.

Altes Dorfgemeinschaftshaus zu klein
Das Leben der fünf örtlichen Vereine fand überwiegend im Löwen statt. Dabei ging es nicht nur um Vorstandssitzungen und Hauptversammlungen. Die Soldatenkameradschaft traf sich mit ihren über 60 Mitgliedern hier. Und die Dorffasnet wurde vom Schmotzigen Dunschtig bis zum Funken größtenteils im Löwen begangen. Jetzt müssen sich die Deisendorfer umorientieren. Zwar gibt es in Deisendorf bereits ein Dorfgemeinschaftshaus. Doch das biete nicht genug Platz für Feiern und größere Veranstaltungen, sagt Peter Müller, Vorsitzender des Fördervereins Dorfgemeinschaft Deisendorf. Er und die anderen Vereinsvertreter arbeiten derzeit daran, die Lücke, die der "Löwen" hinterlassen hat, zu schließen.

45 Plätze in altem Klassenzimmer
Schon 1984 hatten die Deisendorfer das alte Schulhaus mit viel Eigenleistung in ein Dorfgemeinschaftshaus umgebaut. Die Dorfgemeinschaft betreibt es heute eigenverantwortlich. Wenn der "Löwen" während seiner Betriebsferien geschlossen hatte, öffnete das Dorfgemeinschaftshaus für die Allgemeinheit. So konnten unter anderem die Kartenspieler ihre wöchentlichen Treffen ohne Unterbrechung fortsetzen. Was vor der Schließung der letzten Wirtschaft im Dorf eine Ausnahme war, wird nun jedoch zur Regel: „Die Stube hat jetzt jeden Mittwochabend und Sonntagvormittag geöffnet“, sagt Müller. „Die Stube“ nennt er liebevoll das alte Klassenzimmer im Dorfgemeinschaftshaus. Es hat eine kleine Theke und bietet 45 Sitzplätze, wenn alle Tische aufgestellt sind. Auch eine Küche ist vorhanden.
Organisatorische Herausforderungen
„Die erste Herausforderung ist das Patrozinium am ersten Advent. Dann kommen über 120 Personen“, erzählt Müller. Im Garten werde dann zusätzlich ein Zelt aufgestellt, um allen Teilnehmern Platz bieten zu können. „Früher sind wir in den Löwen. Da waren wir Gast, wurden gut bedient und haben die Rechnung bezahlt“, sagt Müller. Weiter hatten die Veranstalter nichts zu organisieren. Jetzt müssen sie den Aufbau, die Bewirtung, den Abbau und das Putzen selbst planen. Tätigkeiten, die den Spaß an der Sache mindern, ist Müller sich sicher: „Für so einen Riesenaufwand finden sich keine Leute mehr. Sie wollen loslegen und ein Fest machen. Wir müssen mit wenig Aufwand viele Leute begeistern." Hoffnungen setzt Müller in das neue Dorfgemeinschaftshaus. Ein modernes, großes Gebäude, wie es die anderen Überlinger Teilorte haben, fehlt den Deisendorfern bislang.
Neues Haus soll groß und funktional sein
Wie es aussehen soll, davon hat Müller schon genaue Vorstellungen: „Ein schöner funktioneller Zweckbau ohne Schnörkel und Schnick-Schnack“ soll es sein und am besten an der alten Grundschule am Kindergarten statt des Lehrerhauses stehen. Es solle Platz für 120 Personen bieten und einen Außenbereich haben. „So kann schnell ein Musikerhock oder ein Kindergartenfest organisiert werden“, hofft Müller.
Neubau noch Zukunftsmusik
Die Planungen für das Projekt „neues DGH“ laufen. 10 000 Euro seien im Haushalt für die ersten Planungen eingestellt. Auch eine zeitliche Perspektive gebe es: In vier Jahren soll es soweit sein. Oberbürgermeister Jan Zeitler habe sich der Sache angenommen. Nach der Landesgartenschau soll gebaut werden. Aktuell ist das Projektteam aus Vereins- und Ortschaftsvertretern, Gemeinderäten und Fachplanern bei der Bedarfsermittlung. So müsse auch genug Lagerfläche bedacht werden. Denn viele der Utensilien der Vereine liegen im "Löwen" oder sind bei Privatleuten. Das alte Dorfgemeinschaftshaus habe dafür nicht genug Platz. „Bis zum neuen Dorfgemeinschaftshaus müssen die Vereine ihre Termine so gestalten, dass es passt“, sagt Müller. Und das heiße auch, zu improvisieren.
2015 sollte in Mittelstenweiler die Dorfwirtschaft "Rössle" verkauft werden. Jürgen Öttel, Vorsitzender der Genossenschaft "Rössle Mittelstenweiler", erzählt:
Herr Öttel wie sieht die Mittelstenweiler Lösung zur Rettung des "Rössle" aus?
Aus der Dorfgemeinschaft heraus haben wir eine Genossenschaft gegründet, die das Rössle kaufen, renovieren und verpachten sollte.
Wieviel Kapital wurde benötigt?
Am Ende kamen 156 Anteilseigner zusammen, die 556 Anteile im Wert von jeweils 1000 Euro gekauft haben. Die gut eine halbe Million Euro Eigenkapital war genau die Summe, die wir in der Kalkulation angesetzt hatten. Hinzu kamen 200 000 Euro Fremdkapital.
Wie schwierig war es, die Summe zusammenzubekommen?
Wir hatten etwas Zeitdruck. Aber unser Glück war, dass der Verkäufer auf uns gewartet hat. Wir haben auf drei Infoveranstaltungen für unser Projekt geworben. Wir haben nicht nur Mittelstenweiler gewonnen, sondern auch viele Menschen von außerhalb, die die Idee so toll fanden, dass sie das Projekt unterstützen wollten. Klar war von Anfang an, dass die Rendite dabei zweitrangig war. Als es sicher war, dass wir die Summe zusammenbekommen, musste noch die Genossenschaft gegründet werden. Für die Anerkennung als Genossenschaft mussten wir Wirtschaftpläne aufstellen.
Aber Kapital war nicht das einzige, was benötigt wurde.
Nein, nach dem Kauf begann die ganze Arbeit. Das Gebäude wurde vom Keller auf renoviert, neue Leitungen für Strom und Wasser gelegt. Die Küche und die sanitären Anlagen wurden modernisiert – alles in ehrenamtlicher Eigenleistung. Bis jetzt kamen 4000 Arbeitsstunden zusammen.
Fragen: Mardiros Tavit