Die ersten Krokusse schießen bereits aus dem Rasen am Chantilly-Platz und wecken die Vorfreude auf den Frühling. Weiter eisig bleibt hingegen die Stimmung, wenn es um die Verlegung der Eisbahn geht. Nach den Plänen der Stadtverwaltung und Eventmanager Reinhard Weigelt, zugleich Stadtrat der FDP, soll „ÜB on Ice“ wegen Bauarbeiten am Landungsplatz im kommenden Winter eben hier, am Chantilly-Platz, stattfinden. Das hatte Oberbürgermeister Jan Zeitler vor zwei Wochen im Gemeinderat bekannt gegeben. Seitdem gab es viele kritische Stimmen zu diesem Vorhaben.
Nachdem sich die Bürgergemeinschaft für Überlinger Bäume (BÜB) bereits zu Wort gemeldet und Bedenken zum Schutz der alten Kastanien geäußert hatte, mischt sich nun auch der Verein Bürgersinn in die Diskussion ein. Mit großem Erstaunen habe man Zeitlers Ankündigung vernommen, die Veranstaltung am Chantilly-Platz mit den schützenswerten Rosskastanien in Absprache mit dem Veranstalter zu genehmigen. „Diese Vorgehensweise ist unerwartet und unüblich“, schreibt der Vorsitzende Joachim Betten in einem offenen Brief an den OB, in dem er auch bemängelt, dass die Planung ohne Beteiligung des Gemeinderats erfolgt sei: „Der Gemeinderat als demokratisch gewählte Vertretung der Bürger ist in einer solchen Angelegenheit in die Lösungsfindung und in die Beschlussfassung miteinzubeziehen. Gemeinderat und Bürgerschaft dürfen nicht einfach vor vollendete Tatsachen gestellt werden.“
OB Zeitler sieht das anders, wie er in der Gemeinderatsitzung am Montagabend deutlich machte: „Ich bin klar der Auffassung, dass das ein Geschäft der laufenden Verwaltung ist“, sagte er. Dennoch ließ er, obwohl das Thema eigentlich nicht auf der Tagesordnung stand, eine Diskussion der Räte zu. Diese nahmen das Angebot gerne an: So kritisierten etwa Irene Alpes (LBU/Grüne) und Robert Dreher (FW/ÜfA) die Pläne für den Chantilly-Platz und sprachen sich für den neugestalteten Platz bei der Kunstakademie als geeigneteren Standort für die Eisbahn aus. „Da geht es auch nicht um Bäume“, sagte Dreher. Silvia Kruse-Baiker (SPD) gab gar zu überlegen, die Veranstaltung ein Jahr ausfallen zu lassen, sollte der Aufwand für die Herstellung des Chantilly-Platzes zu groß sein.
Für Oberbürgermeister Jan Zeitler ist das keine Option: „Ich möchte diese Veranstaltung“, stellte er klar. Für die Belebung Überlingens in den Wintermonaten sei „ÜB on Ice“ ein wichtiges Ereignis. Deshalb habe man frühzeitig mit der Suche nach einem Alternativstandort begonnen, als klar war, dass der Landungsplatz ab Oktober saniert werden wird. „Wir mussten uns intensiv Gedanken machen und nichts anderes haben wir gemacht“, sagte Zeitler, der sich irritiert über die derzeit heftig geführte Diskussion zeigte: „Ich verstehe die Aufregung in dieser Fragestellung nicht.“ Schließlich seien die Suche und die Planung noch nicht abgeschlossen: „Wir haben noch nichts abschließend beschlossen.“ Dass der Veranstalter bei den Überlegungen miteinbezogen werde, sei für ihn selbstverständlich.
Der OB erklärte, dass man zwar über andere Standorte wie den Seesportplatz oder die Zimmerwiese nachgedacht habe, diese aber ausschieden, da sie nicht dazu dienten, „unsere Innenstadt im Winter zu beleben“. Eine andere Idee sei gewesen, die Bauarbeiten am Landungsplatz eine Zeit lang zu unterbrechen, um „ÜB on Ice“ weiter am gewohnten Standort stattfinden zu lassen. „Aber das wäre nicht opportun gewesen“, sagte Zeitler. Zum einen hätten die Arbeiten dann bereits im August beginnen müssen, zum anderen hätte eine Bauunterbrechung für einen Mehraufwand von rund 100 000 Euro gesorgt. Deshalb habe man die Suche auf den Bereich Chantilly-Platz und Mantelhafen konzentriert.
Günter Hornstein (CDU) hörte das nicht gerne. Er bat die Verwaltungsspitze darum, sich nicht zu schnell auf einen Standort festzulegen. „Als Überlinger schlägt mein Herz für die Zimmerwiese“, sagte er. Zudem forderte er, das Thema vor einer endgültigen Entscheidung im Gemeinderat zu beraten: „Wir sollten zeigen, dass alles sauber läuft – auch um Reinhard Weigelt den Rücken zu stärken.“ Auch sein Parteikollege Lothar Fritz plädierte für den Platz beim Bahnhof Mitte, die Zimmerwiese sei ein zentraler Ort mit guter Anbindung an den ÖPNV. Die Eisbahn am Chantilly-Platz könne er sich nur schwer vorstellen. „Es wäre wünschenswert gewesen, wir hätten eine Skizze gehabt.“ Dass es nun eine Diskussion um die Kastanien gebe, sei wenig überraschend.
Eine ganz neue Idee warf Uli Krezdorn in den Ring. Der CDU-Stadtrat schlug vor, die Eisbahn auf den Felderhaus-Parkplatz zu verlegen und den Mietern der Stellplätze im Gegenzug über die Wintermonate eine „warme Stube fürs Auto“ im Parkhaus West anzubieten. „Sie erzählen ja immer, dass dieses nicht voll ausgelastet ist“, sagte er in Richtung Zeitler, bei dem der Vorschlag auf wenig Gegenliebe stieß: „Wenn jemand einen Parkplatz gemietet hat, möchte er diesen auch nutzen“, meinte der OB.
So konzentriert sich die Planung wohl weiter auf den Chantilly-Platz, „stets darauf bedacht, dass die Bäume keinen Schaden nehmen“, wie Zeitler versichert. Das bezweifelt der Bürgersinn: „Aufschüttungen und Abgrabungen sowie Oberflächenverdichtungen durch Fahrzeuge und sonstige Belastungen führen zu Schäden und Schwächung des Wurzelbereiches, was zum langsamen Absterben der Bäume führt“, schreibt der Verein an den OB. „Dieses Risiko kann und darf die Stadt für eine an diesem Ort einmalig stattfindende Veranstaltung nicht eingehen.“
Geschäftsleute gegen Motorradlärm
Als "ein Versehen am Planungstisch" sehen drei Geschäftsleute aus der Mühlenstraße die Absicht der Stadtverwaltung, am Chantilly-Platz Motorradstellplätze auszuweisen. Die Rathausverwaltung hatte damit argumentiert, dass für die Erschließung des Platzes für eine Eisbahn keine zusätzlichen Arbeiten nötig würden, die Eisbahnbetreiber Reinhard Weigelt tragen müsste, sondern die Arbeiten seien ohnehin für den Bau eines Motorradstellplatzes nötig.
Dagegen regt sich Widerstand von Ochsenwirt Lukas Waldschütz, von Investor Joachim Nabholz, der am Mantelhafen im Frühjahr die Eröffnung eines Supermarktes plant, und von Geschäftsmann Marc Untermann (Art Construction), der in der Mühlenstraße wohnt. In einer gemeinsamen Stellungnahme geht es ihnen weniger um den Chantilly-Platz im Speziellen, als vielmehr um den Motorradlärm, der durch diese Pläne in der Innenstadt weiter verschärft werde. Sie schreiben: "Die Innenstadtbewohner können in der Saison nicht bei gekippten Fenstern schlafen. Bis weit nach Mitternacht trüben der Lärm – auch schwerer Motorräder – in der Innenstadt das Bild von Citta Slow wie es gerne von manchem Stadtrat erträumt wird. Wir sind selbst Motorradfahrer, müssen aber leider feststellen, dass es für viele Verkehrsteilnehmer besonders beliebt ist, in Höhe Post ordentlich Richtung Ostbahnhof zu beschleunigen. Nachdem die Planung eines Reiseomnibusparkplatzes am Minigolfplatz abgewendet werden konnte, kommt nun eine weitere Posse um die Ecke. Der Ausweis eines zentralen Motorradparkplatzes am Mantelhafen, natürlich mit Parkleitsystem, zieht noch mehr Motorräder und damit Lärm in die Innenstadt." (shi)