Pfarrer Bernd Walter

An Weihnachten soll das Leben perfekt sein. Das meinen wir jedes Jahr irgendwie aufs Neue. Schöne, heile Welt bitteschön. Aber so ist Weihnachten nicht. Vergessen? Damals in Betlehem: Nirgends Glocken. Kein Fest. Keine bunten Geschenke. Eine hochschwangere Frau wird von ihrem Mann auf eine anstrengende Reise mitgenommen. Ein ganz schlechtes Timing. So was kann nur einem Mann einfallen. Die Übernachtung in Bethlehem ohne vorherige Reservierung. Was für eine dilettantische Vorbereitung. Und schließlich die Geburt in einem Stall.

Das ist doch der Super-GAU. Kein klinisch sauberer Kreißsaal, keine Hebamme. Kein Chefarzt. Unperfekte Weihnachten in Bethlehem. Heile Welt sieht anders aus. Nur wir spielen gerne perfekte Weihnachten. Und ich finde das einfach nur anstrengend.

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Dieses Friede, Freude, Familienidyll und heile Welt all überall. An Weihnachten da muss einfach alles stimmen: das Essen, das Miteinander der Familie, die Bescherung. Selbst der Weihnachtsbaum muss perfekt sein. Doch das perfekte Dinner gibt es im Fernsehen. Die perfekte Familie gibt es in der Werbung. Und perfekte Weihnachten gibt es in unseren unrealistischen Klischeebildern. Aber in der Realität?

Darum möchte ich das Aktionsbündnis „Unperfektes Weihnachten 2018“ ins Leben rufen. Denn Weihnachten ist doch die Botschaft, dass wir nicht perfekt sein müssen. Gott kommt uns mitten in unserer Unvollkommenheit entgegen. In einem Stall. Mitten im Mist, den wir verbockt haben. Denn er liebt uns so wie wir sind. Weihnachten heißt: ich muss nicht perfekt sein. Ich muss nicht vollkommen sein. Gott sei Dank! Unsere Gesellschaft ist nicht sehr fehlerfreundlich. Einem Material gesteht man zu, dass es ermüdet, bei Menschen erwarten wir mehr: er muss funktionieren! Wir leben in einer Welt, die etwas Gnadenloses hat. Da gibt’s irgendwie kein Platz für Fehler und Versagen. Und dagegen steht das Aktionsbündnis „Unperfektes Weihnachten 2018“. Sind sie mit dabei?

Wir müssen nicht perfekt sein. Und der Partner, die Kinder, die Schwiegermutter, die Tante und der Nachbar auch nicht. Ich darf bei Gott Fehler machen. Er liebt mich trotzdem. Das ist Weihnachten. Wäre alles okay auf der Welt und bei uns, dann hätte es Weihnachten nicht geben müssen. Wäre alles perfekt, dann hätte Jesus nie in diese Welt kommen müssen.

Wie oft meine ich, was muss ich noch alles verändern, damit Gott mich liebhat. Wie strenge ich mich an perfekt zu sein, damit die anderen mich gut finden. Aber Weihnachten sagt mir: Vergiss es! Gott liebt dich brutto und nicht netto. Gott liebt mich brutto. Nicht erst netto, nach Abzug aller Ungereimtheiten, sondern brutto, mit allen Fehlern, mit allem, was schief läuft. Das ist Weihnachten. Nicht das Produkt unserer Mühen und Vorbereitungsaktionen.

Wir sind nicht vollkommen, aber vollkommen geliebt! Und darum darf ich scheitern, darf an Brüchen wachsen und aus Fehlern lernen. Ich muss nicht perfekt funktionieren. Und ich muss auch nicht „perfekte Weihnachten“ spielen. Es darf an Weihnachten etwas schief gehen. Christ der Retter ist da, das macht Weihnachten perfekt! Denn perfekte Weihnachten sind da, wo Menschen nicht perfekt sein müssen.

Traditionell zu den hohen kirchlichen Feiertagen Weihnachten und Ostern bittet der SÜDKURIER jeweils einen Geistlichen um einen Gastbeitrag.