Isabella Escobedo

Wie verarbeitet man die Geschichte einer Flucht? Wie lernt man mit dem Erlebten zu leben? Hussin Daoud hat sein Ventil in der Kunst gefunden. Der 17-jährige Syrer kam im November 2015 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland. Nach Stationen in Gießen und Lindau landete er schließlich im Georgenhof. Schon im Januar 2016 konnte er die Integrationsklasse der Waldorfschule besuchen. Anderthalb Jahre später ist er hier nun festes Mitglied einer neunten Klasse. Somit musste auch er sich, wie alle Neuntklässler an Waldorfschulen, in diesem Schuljahr einer Vertiefungsarbeit widmen.

Daoud hat die Gelegenheit genutzt, um sich mit seiner Geschichte und dem Thema Integration künstlerisch auseinanderzusetzen. In einem Stück, das Theater- und Filmsequenzen kombiniert, konfrontiert er die Zuschauer mit den Vorurteilen, die ihm selbst oft entgegengebracht werden. "Als ich nach Deutschland kam, haben mich die Leute gefragt, ob wir in Syrien auch Gabeln haben. Viele wissen über Syrien nur das, was sie in den Nachrichten sehen und das ist nur ein Bruchteil der Realität", erzählt der 17-Jährige. Mit seiner Arbeit möchte er zeigen, dass Syrien mehr ist als Krieg und Terror.

Gemeinsam mit Freunden und Mitschülern arbeitet er seit Mai an dem Film-Theater-Projekt. Kunst war dabei das Mittel, um kulturelle und sprachliche Grenzen aufzulösen und allen Mitwirkenden einen neuen Zugang zu der Thematik zu verschaffen. Gleichzeitig stärkte das Projekt die Klassengemeinschaft und half Daoud dabei, seine Rolle zu finden. Mit seiner Arbeit ist es ihm somit auch gelungen, das Thema des Stücks, Integration, schon im Schaffensprozess in die Tat umzusetzen. "Es ging um den Prozess der Annäherung, gar nicht so sehr um das Ergebnis", erklärt Isabella Simonian, Lehrerin der Integrationsklasse und Betreuerin des Projekts.

Daouds Stück "Warum sind wir hier?" und andere künstlerische Beiträge der neunten Klassen werden am Donnerstag, 20. Juli, um 20 Uhr im Großen Saal der Waldorfschule Überlingen aufgeführt. Der Eintritt ist frei.