Auf der einen Seite wird munter gebaut, wie man bei einem Spaziergang durch die gefragten Wohnlagen der Seegemeinden schnell sieht. Auf der anderen Seite suchen viele Familien mit Kindern sowie Paare und Alleinstehende vergeblich eine Bleibe an ihrem Wunschort.
Graben wird immer breiter
Dazwischen tut sich ein immer breiter werdender Graben auf, der sich in wenigen Zahlen beschreiben lässt: Eine Penthousewohnung mit drei Zimmern und 165 Quadratmetern in ruhiger stadtnaher Überlinger Lage steht mit 1,65 Millionen Euro zum Verkauf, für das ganze Mehrfamilienhaus mit seinen fünf Wohnungen werden monatliche Mieteinnahmen von nahezu 10 000 Euro in Aussicht gestellt. Von Seesicht ist hier nicht einmal die Rede, lediglich von Seenähe, toskanischem und mediterranem Flair sowie von bester Infrastruktur.
Ist der Begriff „bezahlbarer Wohnraum„ sinnvoll?
Dies macht ein Dilemma auf dem Wohnungsmarkt deutlich, mit dem sich der Kreisverband der SPD in Mühlhofen auseinandersetzte. Landtagsabgeordneter Daniel Born aus Schwetzingen und Alexander Weber als Vertreter von Betz und Weber Baupartner in Ravensburg waren als Gegenspieler aufgeboten, die so konträr bisweilen gar nicht waren, wie es Gastgeber und SPD-Ortsvorsitzender Domenico Ferraro angedeutet hatte. „Unternehmer am Tisch zu haben“ sei für die SPD eher unüblich, sagte er. Wobei Daniel Born den Begriff „bezahlbarer Wohnraum“ gleich auf seine Sinnhaftigkeit hinterfragte: „Wer will denn schon ‚unbezahlbaren Wohnraum‚ bauen?“ Die Antwort darauf gäben derzeit Bauträger und Projektentwickler auf ihre Art.

Wohnen neben Klimaschutz größte politische Herausforderung
Mehr denn je berge das Thema Wohnen neben dem Klimaschutz die größten politischen Herausforderungen, erklärte SPD-Kreisvorsitzender Reiner Röver bei der Veranstaltung „Wohnen am See – bald nur noch für Reiche?“ vorweg. Deshalb könne man die Problematik gar nicht oft genug diskutieren. Dabei wollte Domenico Ferraro darüber nachdenken, wie man Wohnungen schaffen könnte, „die sich auch eine Bäckereifachangestellte oder eine Krankenschwester leisten kann“.
Zweckentfremdung und Sozialbindung als mögliche Lösungen
Als Moderator brachte Ex-Landtagsabgeordneter Norbert Zeller, Fraktionsvorsitzender im Kreistag, unter anderem die Stichworte Zweckentfremdung, Sozialbindung und Vorkaufsrechte für Kommunen ins Gespräch. „Es würde sich manche Gemeinden wünschen, sie hätte noch Grundstücke.“
Bauträger wünscht sich klare Rahmenbedingungen
Auch gegen eine Sozialquote sei im Grunde gar nichts zu sagen, wenn alle Karten von vornherein offen auf dem Tisch lägen, erklärte Unternehmer Alexander Weber sinngemäß. In Ravensburg sei seine Firma als erster privater Bauträger dem Bündnis für sozialen Wohnraum beigetreten. „Wenn man so etwas vorher weiß, ist das eine gute Sache und man kann das einpreisen.“
Weber: Auflagen oft erst, wenn Grundstück schon bezahlt ist
Meist würden die Auflagen jedoch erst nachgereicht, wenn der hohe Kaufpreis für ein Grundstück schon bezahlt sei. Das von Weber als gängig dargestellte Szenario überraschte die meisten Zuhörer. „In der Regel kaufen wir private Grundstücke, die am Markt angeboten werden.“ Diese würden den bekannten Bauträgern von Maklern angetragen. Weber: „Dann geht es meistens los: Wer bietet mehr?“ Irgendwann sei das Grundstück verkauft und man gehe mit einem Bebauungsvorschlag zum Rathaus, von wo das Wort „ausgemoschtet“ entgegenschalle.
Bessere Bezahlung für manche Berufsgruppen
Für Daniel Born, den wohnungspolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, kommt es darauf an, nachhaltig zu bauen und manche Berufsgruppen besser zu bezahlen, damit sie sich Wohnen wieder leisten könnten. „Das ist überfällig, das fordern wir schon lange.“ Denn als privater Unternehmer sei es unter den gegebenen Umständen oft nicht einfach, preiswerter zu bauen, räumte Born ein.
„Größere Nähe“ auf innerstädtischen Grundstücken
Statt neue Siedlungsflächen zu erschließen, sollten innerstädtische Grundstücke bebaut werden, aber nicht mit Einfamilien- oder Doppelhäusern. „Das negative Wort Verdichtung mag ich nicht“, erklärte der Sozialdemokrat. Er spreche lieber von größerer Nähe und Nachbarschaft. Diese menschliche Facette sei ohnehin vielfach verloren gegangen.
Weber: „Ich hatte etwas anderes befürchtet“
Baugruppen seien keineswegs ein Allheilmittel, widersprach Alexander Weber einem Einwurf von Ursula Binzenhöfer und deren Ruf nach innovativen Lösungen. Meist seien es relativ gut betuchte Familien, die dies versuchten, da es aus Haftungsgründen sehr schwierig sei. „Das ist nicht die SPD-Klientel“, sagte Weber und SPD-Mann Born pflichtete ihm weitgehend bei. Teils kontrovers, aber unverkrampft und unideologisch verlief der Abend der SPD. Dies erfreute auch Bauunternehmer Weber am Ende: „Um ehrlich zu sein: Ich hatte etwas anderes befürchtet.“
Verbot der Zweckentfremdung
- Seit 2006 haben die Länder die Möglichkeit, den gesetzlichen Rahmen für ein Zweckentfremdungsverbot festzulegen. Schon 2008 erließ Bayern ein solches Gesetz, 2013 zog Baden-Württemberg nach. Die Stadt Konstanz, die eine ähnliche Regelung schon vor 2006 hatte, erließ 2015 ein neues Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Seit Oktober 2018 ist die Frist für die Vermietung von Wohnungen an Feriengäste auf maximal sechs Wochen beschränkt. Unter anderem haben die Gemeinde Sipplingen im November 2018 und die Stadt Überlingen im Februar 2019 mit einer entsprechenden Regelung nachgezogen. Die Stadt Konstanz wertet die Maßnahme schon als Erfolg. Es seien bisher 247 Verfahren eröffnet worden. In 88 Fällen handelte es sich nach Angaben der Stadt um leer stehende Wohnräume im Gebäude. 65 Wohneinheiten seien davon wieder dem Wohnungsmarkt zugeführt worden.
- Das Verbot untersagt, vorhandene Wohnräume ohne Genehmigung dem Wohnungsmarkt zu entziehen. So soll sichergestellt werden, dass einerseits Wohnraum erhalten bleibt und andererseits zweckentfremdeter Wohnraum wieder dem Wohnungsmarkt zugeführt wird. Rechtsgrundlage ist das Landesgesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG). Wohnraum gilt als zweckentfremdet, wenn er ohne Genehmigung überwiegend für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet oder überlassen wird, zum Zwecke einer dauernden Fremdenbeherbergung, insbesondere einer gewerblichen Zimmervermietung oder der Einrichtung von Schlafstellen verwendet oder überlassen oder sonst durch eine pensionsartige Nutzung beziehungsweise eine Nutzung als Ferienwohnung dem allgemeinen Wohnungsmarkt entzogen wird, baulich derart verändert oder in einer Weise genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist, länger als sechs Monate leer steht, beseitigt wird (Abbruch).