Hat die Fischerhäuservorstadt den Charakter eines Künstlerquartiers, in dem einst auch Handwerker den Bürgern zu Diensten waren, wie die Stadträtinnen Bernadette Siemensmeyer (LBU/Grüne) und Kristin Müller-Hausser (BÜB+) betonen? Vor allem, um damit für eine sensible Bebauung mit neuen Baukörpern zu plädieren. Oder ist das Viertel zwischen Gallergraben und ehemaligem Grundtor längst ein Konglomerat unterschiedlicher Baustile geworden, das dringend einer ordnende Planung und einer Entwicklung des wertvollen Potenzials bedarf? Auch, um die Schaffung neuen innerstädtischen Wohnraums zu ermöglichen, was Stadtplaner Thomas Kölschbach besonders hervorhebt. An diesen kontroversen Polen entzündete sich im Ausschuss für Bauen, Technik und Verkehr ein heftiger Schlagabtausch bei der Diskussion des aktuellen Bebauungsplanentwurfs.

In einem Hinterhof der Fischerhäuservorstadt erinnert eine Tafel und ein Relief an die Kunstwerkstatt der „Gebr. Mezger“.
In einem Hinterhof der Fischerhäuservorstadt erinnert eine Tafel und ein Relief an die Kunstwerkstatt der „Gebr. Mezger“. | Bild: Hanspeter Walter

Siedlungsstruktur einer mittelalterlichen Stadt

„Das zu uberplanende Quartier ist historisch gewachsen und widerspiegelt in fast unveranderter Form die Siedlungsstruktur des mittelalterlichen Stadtgefuges“, betonen Stadtplaner Thomas Kölschbach und Sachbearbeiterin Kathrin Meyer in ihrer Sitzungsvorlage: „Die historische Bedeutung und Wichtigkeit wird durch zahlreiche unter Denkmalschutz stehende Baukorper manifestiert. Die noch fast intakte Blockbebauung mit seiner unterschiedlichen gestalterischen Auspragung der Wohnhauser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert ist Ausgangspunkt einer bestandserhaltenden Bauleitplanung.“

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Mögliche Baukörper sind Siemensmeyer zu groß

Das Ziel sei „sehr gut formuliert“, räumte Bernadette Siemensmeyer (LBU/Grüne) ein und bekräftigte die „Einmaligkeit“ dieses Siedlungsbereiches. Bei genauerem Hinschauen hege sie allerdings Zweifel, ob dessen Qualität und die Struktur auf Basis des vorgelegten Entwurfs erhalten werden könne. Zu groß seien die damit möglichen Baukörper, warnte Siemensmeyer, zu wenig bliebe an „qualitativen Freiflächen“. Daher plädiere sie für kleinere Gebäude und verwies auf die Anregungen des Gestaltungsbeirats. Der Schutz des Gebietscharakters sei nicht ausreichend, im schlechtesten Fall werde man am Ende „nicht zufrieden sein“. Unverständlich sei, dass die denkmalgeschützte Werkstatt von Viktor Mezger, mit einem größeren Baufenster versehen und damit dem Abriss preisgegeben sei.

Felskante des Molassesandsteins schützenswert

Die bewegte bunte Dachlandschaft der Fischerhäuservorstadt – vom Torhaus gesehen. Links die grüne Molassekante, die den besonderen ...
Die bewegte bunte Dachlandschaft der Fischerhäuservorstadt – vom Torhaus gesehen. Links die grüne Molassekante, die den besonderen Charakter ausmacht, darüber die Straße zum Gallerturm. | Bild: Hanspeter Walter

Auch Kristin Müller-Hausser (BÜB+) verwies auf die Felskante des Molassesandsteins als „landschaftliche Besonderheit“, die es besonders zu schützen gelte. Dazu passe es nicht, solche „Klöpse“ hineinzustellen, die der Bebauungsplan zumindest ermögliche. Gewisse Bedenken formulierte auch Hubert Büchele (ÜfA/FWV) und fragte sich, ob die Bewohner sich so eine Bebauung vorstellten, die der Plan zulassen würde. Skeptisch nur gegenüber einer Erweiterung am östlichen Rand bei der Gunzoburg zeigte sich Jörg Bohm (CDU) aufgrund der schwierigen Erschließung. Mit Siemensmeyers Fundamentalkritik könne man die Planung „direkt in die Tonne treten“, echauffierte sich Ingo Wörner (FDP), „und wir treffen uns in ein paar Monaten wieder“. Derzeit erkannte er im aktuellen Bestand allenfalls „versammelte Hüttenwerke“.

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Gemeinderäte wollen verbesserte Planung

Auf das Entwicklungspotenzial hinzuweisen, sei die Ziel des Bebauungsplanentwurfs, entgegnete Baubürgermeister Matthias Längin. Aufgrund einer detaillierten Vermessung des Bestands hat die Stadtplanung für die Baufenster lediglich die Baugrenzen und die maximalen Firsthöhen vorgegeben. Einigkeit bestehe, dass „hier etwas passieren muss“, erklärte Stadtrat Herbert Dreiseitl (LBU/Grüne). Doch sei das Quartier ein „Juwel“ und haben eine „extreme Qualität“ mit seiner Kleinteiligkeit. Deshalb lohne es sich hier, sagte Dreiseitl, „auch ein bisschen mehr Grips reinzubringen“. Versöhnlicher formulierte es Michael Wilkendorf (SPD). „Natürlich ist hier Grips investiert worden“, meinte er, „um keinen falschen Zungenschlag hineinzubringen.“ Doch war auch Wilkendorf der Ansicht: „Ein Paar Dinge sollten schon geändert werden.“

Das Motiv auf einer Hauswand erinnert an die Tradition der Fischerhäuservorstadt.
Das Motiv auf einer Hauswand erinnert an die Tradition der Fischerhäuservorstadt. | Bild: Hanspeter Walter

Stadtplaner: Weder Künstler- noch Handwerkerviertel

Spätestens nach der Äußerung Dreiseitls war Stadtplaner Thomas Kölschbach aus dem Häuschen. Er verwehre sich gegen die Behauptung, hier sei „kein Grips investiert worden“. Dies sei eine Behauptung aus dem hohlen Bauch heraus. „Ich kann hier kein Künstlerviertel erkennen“, sagte Kölschbach und stellte die rhetorische Frage. „Wie soll man denn hier junge Familien reinkriegen unter diesen Bedingungen? Die alten Bewohner sterben doch langsam aus.“ Dazu sei eine Verbesserung der Wohnqualität erforderlich. Dafür müsse man die Möglichkeiten schaffen. Er erkenne auch kein „Handwerkerviertel“, sagte er. Auf der anderen Seite gelte ja die Altstadtsatzung als Leitplanke auch hier. Zur Seite sprang ihm Jörg Bohm (CDU) und wehrte sich gegen eine „romantisierende Verklärung“ der aktuellen Situation. „Mir stinkt das.“

Längin verzichtet in der Sitzung auf ein Votum

Der Bestandsschutz sei bei der Mezger-Werkstatt vorrangig, betonte Längin. Man könne unter denkmalrechtlichen Aspekten allerdings auch nicht davon ausgehen, dass sie einen „Ewigkeitsbestand“ habe. Gerade ein Stadtplaner müsse daher schon weiterdenken, was dort möglich sein könnte. Aufgrund der Stimmungslage im Gremium verzichtete Längin auf ein Votum zur Sache und forderte die Fraktionen auf, der Stadtplanung ein Statement mit ihren Wünschen abzugeben.