Biberberater Michael Brantner ist gelassen, wenn er über den fleißigsten Baumeister der Welt spricht: „Derzeit sehen wir die Population hier in Überlingen nicht als kritisch an. Es kommt zu keinen größeren Problemen mit den Bibern.“ Brantner ist als ehrenamtlicher Biberberater für Überlingen sowie Sipplingen und Owingen zuständig. In Überlingen leben Biber mittlerweile an zwei Plätzen entlang des Bodenseeufers: in der Nähe des Gondelehafens und am Osthafen. Hier umfasst der Biberbau zum einen die Burg am Ufer, zum anderen das vorgelagerte Winterfutterlager. Mittlerweile hat die Stadt Überlingen zur Sicherheit des Hafengeländes und der dortigen Boote die meisten der jungen Pappeln gefällt. Die Biber sind nun emsig dabei, die liegenden Bäume zu bearbeiten.

Biber fühlen sich auch am Bodenseeufer wohl
Mit der vielfach vorherrschenden Meinung, Biber müssten Wasser immer anstauen, um leben zu können, räumt Claudia Huesmann gleich auf. Sie ist Biberbeauftragte im Landratsamt Bodenseekreis für das westliche Kreisgebiet. Denn Biber lebten nicht nur in Fließ-, sondern auch in Stillgewässern, wie in Weihern oder eben im Bodensee. Huesmann erklärt: „Biber stauen nur Wasser an, wenn der Wasserstand im Fließgewässer zu gering ist, um sich sicher schwimmend fortbewegen zu können.“ Da Biber eine Wassertiefe von mindestens 50 bis 70 Zentimeter brauchen, hätten sie im Bodensee kein Problem mit zu geringer Wassertiefe.

Tiere leben seit rund zehn Jahren im Bodenseekreis
Seit rund einem Jahrzehnt leben Biber im Bodenseekreis, erzählt Claudia Huesmann. Die Anzahl der Reviere schätzt sie auf rund 75 bis maximal 100. Die Bestände an Bibern seien noch nicht systematisch erfasst worden, die Angaben stammen aus Fachplanungen oder Gutachten, Meldungen aus der Bevölkerung sowie von Zufallsbeobachtungen. Um die Besiedelung im Bodenseekreis verfolgen zu können, sei das Landratsamt für Meldungen von Nagespuren, Dämmen oder Burgen, möglichst mit genauen Ortsangaben, sowie Bildmaterial an die Biberbeauftragten dankbar.
Huesmann erzählt, dass in jedem Revier jährlich zwei bis drei Jungbiber zur Welt kommen. Zwar überleben nicht immer alle Jungtiere, aber: „Die Biberpopulation wächst stetig an.“ Wenn Jungbiber den elterlichen Bau nach zwei Jahren verlassen müssen, machen sie sich auf die Suche nach neuen und unbesetzten Revieren. Da Biber ihre Reviere energisch verteidigen, siedeln sie sich nicht dicht an dicht an. „Es kommt nicht zu einer unbegrenzten Vermehrung, sondern zu einer natürlichen Regulierung der Population.“
Biberdämme beugen dem Austrocknen von Gewässern vor
Biber seien die einzigen Tiere, die ihren Lebensraum selbst gestalten. Das habe viele Vorteile für die Umwelt, führt die Fachfrau an: Die Veränderung der Gewässer wirke sich positiv auf den Lebensraum für Tiere und Pflanzen im und am Wasser aus. Weil Biberdämme den Abfluss verzögern, könne ein periodisches Austrocknen von Gewässern vermieden oder zumindest minimiert werden. „Dieser Effekt gewinnt mit einer zunehmenden zu erwartenden Auswirkung durch den Klimawandel an Bedeutung, denn anhaltende Trockenphasen, wie es diese jüngst 2019 und 2020 gab, werden sich prognostisch mehren.“ Werde das Austrocknen von Gewässern reduziert, sei dies auch von Vorteil für den Bodenwasserhaushalt angrenzender Flächen, wovon beispielsweise Land- und Forstwirtschaft profitierten.
Vermittlung bei Konflikten mit Land- und Forstwirten
Die Biberexpertin sieht aber auch die Probleme: So komme es immer wieder zu Konflikten mit der Landwirtschaft, wenn das Wasser auf Flächen stehe und diese nicht mehr oder nur noch eingeschränkt für Land- oder Forstwirtschaft nutzbar sind. Claudia Huesmann erklärt, dass hier im Rahmen des Bibermanagements Abhilfe geschaffen werden kann, wie durch den Einbau von Dammdrainagen. „In Einzelfällen werden Tiere auch aus Bachabschnitten vergrämt.“ Obstbäume könnten durch Elektrozäune wirkungsvoll vor den scharfen Zähnen der Biber geschützt werden; auch ein Schutzanstrich mit einer Baumpaste sei möglich.

Außerdem könne es zu Konflikten kommen, wenn die Tiere ihre Gänge und Wohnkesseln in Böschungen von Straßen oder Bahnlinien anlegten und der Bereich dadurch instabil wird. Ihr sei jedoch nicht bekannt, dass es Probleme im Bereich von befestigten Uferabschnitten am Bodensee oder Hafenanlagen gebe. Wo Biber und Mensch dicht beieinander lebten, könne es immer mal wieder zu Konflikten kommen: „Im Rahmen des Bibermanagements wurden aber bislang immer zufriedenstellende Lösungen für alle Beteiligten gefunden“, beruhigt Claudia Huesmann.
Wer Biber verletzt oder ihre Bauten zerstört, begeht eine Straftat
Darf ein Privatmann überhaupt etwas gegen den Biber unternehmen? „Nein“, macht Huesmann klar. Der Biber ist streng geschützt, das besagt Paragraf 44 des Bundesnaturschutzgesetzes. Man dürfe ihn nicht stören, verletzen oder gar töten. „Auch seine Bauten, wie Dämme und Uferröhren oder Burgen, sind geschützt und dürfen nicht beeinträchtigt, verändert oder zerstört werden.“ Ein eigenmächtiges Hantieren an Dämmen und Burgen sei eine Straftat. Bei Problemen sollten immer zunächst die Biberberater oder die Biberbeauftragten kontaktiert werden.

Sind Gewässer naturnah gestaltet, kaum es kaum zu Schäden durch Biber
Aus der Pressestelle der Stadt Überlingen heißt es: Es gelte nicht, gegen den Biber zu handeln, sondern mit ihm zu arbeiten. Schäden durch Biber träten dort auf, wo Gewässer eingeengt, begradigt, Ufer künstlich und nicht mit Naturmaterialien gesichert seien. Das sei am Rande von naturnah gestalteten Gewässern kaum der Fall. Biberberater Michael Brantner sagt: „Es geht darum, den Biber auch als Indikator für genau solche naturfernen Zustände zu nutzen.“ Gemeinsam könne man überlegen, wie man den naturnahen Zustand wiederherstellen könne und dennoch dabei alle Nutzungsansprüche berücksichtige.
Dem Biber am Ufer Baustoff und Nahrung lassen
Brantner ist es wichtig, dass man im Uferbereich Gehölze wie Pappel und Weide, die an Biberfraß mehr oder minder gewöhnt seien, auch dem Biber zugestehe und die Bäume nicht allesamt vor dem Biber schütze. „Wir entscheiden im Einzelfall, ob Gefahr für die Bevölkerung vom Biber und seinem Wirken an den Bäumen ausgeht.“ Wenn man dem Biber am Ufer Baustoff und Nahrungsgrundlage nehme, dann werde er sich weiter hinten in den Gärten und im Straßenraum bewegen. „Und das möchten wir verhindern.“.

Informationen rund um den Biber
Der Biber, eine Familie in der Ordnung der Nagetiere, ist das größte europäische Nagetier.
- Lebensweise und Lebensraum: Biber leben in fließenden und stehenden Gewässern und deren Ufern, besonders wenn dort Pappeln oder Weiden wachsen. Hier verbessern die Biber zu einem gewissen Teil ihren Lebensraum selbst, wenn sie mit ihren Dammbauten Bäche anstauen und kleine Seen schaffen. Weil sich dadurch das Wasser staut und der Wasserstand steigt, bleiben die Eingänge zu den Biberburgen ganzjährig unter Wasser. Das schützt die Tiere vor Feinden und kalter Winterluft. Der Wohnraum selbst liegt jedoch immer über dem Wasserpegel. Bleibt der Wasserstand von Natur aus hoch genug, wie am Bodensee, dann bauen Biber keine Dämme. Sie sind dämmerungs- und nachaktiv und reine Pflanzenfresser. Biber ernähren sich im Sommer von krautiger Vegetation und im Winter von Baumrinde. Die Tiere horten ab Spätherbst über den Winter häufig Äste und Zweige vor der Burg, als Vorratskammer für den Winter.
- Biber einst und jetzt: Am Ende des 19. Jahrhunderts waren die Biber so gut wie ausgerottet, in Europa lebten nur noch etwa 1000 Tiere. Nicht nur ihr Fleisch und ihr dichter Pelz waren begehrt, sondern auch das ölige, nach Moschus riechende Sekret „Bibergeil“, das die Biber zur Fellpflege und zum Markieren ihrer Reviergrenze nutzen. Es wurde in der Volksmedizin als Heilmittel gegen Epilepsie, Krämpfe oder Nervosität eingesetzt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Biber durch Auswilderung vor allem in Bayern und Österreich wieder angesiedelt. Mittlerweile leben in Deutschland wieder rund 20.000, in Europa rund 800.000 Tiere.
- Bibermanagement: Mit der Wiederbesiedelung wurde in Baden-Württemberg ein Bibermanagement aufgebaut. Neben den vom Regierungspräsidium beauftragen Fachleuten gibt es auch beim Landratsamt Biberbeauftragte, im Bodenseekreis Claudia Huesmann und Dieter Schmid. Unterstützt werden sie von ehrenamtlichen Biberberatern, die erste Ansprechpartner bei Problemen mit Bibern sind. Bei Bedarf wird die Situation vor Ort besichtigt und es werden mögliche Maßnahmen besprochen, wie Konflikte zwischen Mensch und Biber minimiert werden können. Material für Schutzmaßnahmen, wie Zäune oder Verbissanstrich, wird vom Landratsamt kostenfrei zur Verfügung gestellt.
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