Kulturschaffende sind selten auf Rosen gebettet, aber aktuell ist es besonders schwer. Steigende Kosten überall und kaum bezahlbare Mieten für Produktionsräume in Überlingen. Dunkle Zeiten für Kreative, meint der Verein Kulturschutzgebiet, und veranstaltet am Samstag die „Finsterste Nacht der Kunst“.
Die Stadt fördert den Abend mit einem kleinen Betrag und macht ihn so zu einer der letzten Veranstaltungen im Rahmen des Stadtjubiläums. Beim Pressetermin berichtet Kulturamtsleiter Michael Brunner, dass dies der Auftakt zu einem Wiedererstehen der Kunstnacht sein soll. Die Veranstaltungsreihe fiel 2010 in ein schwarzes Loch. Zehn Jahre fand die Kunstnacht im zweijährigen Rhythmus statt, bis Sponsoren absprangen und die Stadt die Unterstützung strich.
Neuanfang für „Lange Nacht der Kunst“
Mit dem Team des Kulturschutzgebiets soll jetzt ein Neuanfang gelingen. „Eine lange Nacht der Kunst ist eine tolle Idee, das wollen wir gerne aufgreifen“, sagt Vorstandsmitglied Elinor Bender. Allerdings könnten sie wegen der knappen Zeit und dem geringen Budget nur mit einer kleinen Version in den Räumen des Omega B anfangen. „So eine Art Vorspeise“, fügt die Theaterpädagogin und Performance-Künstlerin an.
Michael Roggon, ebenfalls im Vorstand des Kulturschutzgebiets, erinnert sich an das Gespräch dazu mit Oberbürgermeister Jan Zeitler. „Er möchte damit nach den vielen Rückblicken anlässlich des Stadtjubiläums nach vorne sehen. Auf die nächsten 1250 Jahre!“, sagt Roggon. Auch er engagiert sich im Vorstand des Kulturschutzgebiets. Ihrem Verein, der mit dem Omega B in der Hafenstraße eine temporäre Bleibe gefunden hat, gehe es darum, ein Statement zu setzten. „Wir sind da, wir brauchen Raum, Strukturen und Unterstützung. So ist es zu finster!“, sagt Bender.
Besucher begeben sich auf eine Kunstexpedition
„Finster“ bezieht sich aber nicht nur auf die Arbeitsbedingungen der Kreativen. Am Samstag werden 30 Künstlerinnen und Künstler ihre Werke aus den Bereichen Bildende Kunst, Foto, Performance, Musik und Installation ausstellen. Im unteren Stockwerk informiert eine politische Ausstellung, wie die Veranstalter es nennen, über die aktuelle Situation der lokalen Kunst. Damit wollten sie nicht anklagen, sondern ihre Erfahrungen und Fakten zugänglich machen, betont Anna Lena Weidemann. Im Gang daneben steht die Bar und ab der ersten Etage wird es dunkel. Im ganzen Haus wird das Licht ausgemacht und die Besucher begeben sich ausgerüstet mit Taschenlampen auf eine Kunstexpedition der besonderen Art. „Das ist eine großartige Idee, das gab es noch nie!“, freut sich Michael Brunner. Er setzt auf die lokale Kunstszene und hofft, dass das kreative Potenzial hier erhalten bleibt.

Kunst in Überlingen benötigt Unterstützung
Michael Roggon macht deutlich, dass es dafür mehr als Kulturinstitutionen und Berufsverbände braucht, die den Künstlern Ausstellungsmöglichkeiten verschaffen aber auch Mitgliedsbeiträge kosten. „Wir sehen keine Zukunft für Kultur in Überlingen, wenn sich niemand dafür einsetzt. Es geht nicht nur darum Kunst zu zeigen, sondern auch die Möglichkeiten zu schaffen, sie zu produzieren“, sagt der Künstler. Er hat auch konkrete Ideen, wie das angegangen werden kann. „Es geht um Drittmittel“, sagt er. Also Förderprogramme vom Land oder Bund. Diese zu akquirieren sei Aufgabe von Fachleuten, so Anna Lena Weidemann und nichts, was das Kulturamt noch zusätzlich ohne personelle Unterstützung leisten könne.
Leerstehendes Haus wird zum Ort für Künstler
Wie sich mit dem Blick über den Tellerrand neue Lösungen finden lassen, demonstriert der Verein mit dem Omega B. Auf der Suche nach einer Bleibe für ihr Projekt seien sie durch Überlingen gelaufen und hätten sich leerstehende Häuser angesehen. Dabei stießen sie auf die Adresse in der Hafenstraße und einen gesprächsbereiten Vermieter. Mithilfe der Expertise der Zwischenzeitzentrale schlossen sie einen Vertrag.
Die Experten des Pilotprojekts aus Bremen haben sich darauf spezialisiert, Leerstände von Häusern zu verhindern „nach dem Prinzip, vergünstigter Raum gegen befristete Nutzung“, wie es auf der Homepage heißt. So bekam das Kulturschutzgebiet auf unkonventionelle Weise einen Ort für Künstler, wo sie sich austauschen, arbeiten und vernetzen können sowie mehr Sichtbarkeit in Überlingen erhalten. Allerdings nur auf Zeit.