Reinhard Weigelt ist verärgert: Zuerst sagt die Stadt seine Veranstaltungsreihe Kultur im Kapuziner im Januar ab. Und dann haben auch die Sanierungsarbeiten an dem alten Gebäude noch nicht begonnen. Die waren nämlich der Grund für die Absage der Stadt in Richtung Weigelt.
Seit den 90er Jahren engagiert sich der Veranstalter für das Kulturangebot in Überlingen. Angefangen hat alles mit der Veranstaltung Kunst im Garten, die damals noch im Badgarten stattfand. Weigelt organisierte das Event gemeinsam mit der Kur und Touristik GmbH. Als die Stadtverwaltung Kunst im Garten dann 2003 abschaffen wollte, weigerte sich Überlinger Veranstalter.
„Ich habe zur Stadt gesagt: Gebt mir die Veranstaltung und die Orte und ich übernehme das“, erinnert sich der 66-Jährige. Ab 2004 wurde das sogenannte Durchführungs- und Vermarktungsrecht für die Veranstaltung dann an Weigelt übertragen, bestätigt Stadtsprecherin Andrea Winkler auf Nachfrage. In den Jahren darauf etablierte Weigelt sein Kulturevent. „Es war ein Festival aus Abendveranstaltungen, Kleinkunst und Bildender Kunst“, erzählt er. „Für jeden war etwas dabei.“
Später zog das Festival um – vom Badgarten in die Kapuzinerkirche. Aus Kunst im Garten wurde Kultur im Kapuziner. In der Kirche konnten die Veranstaltungen auch bei schlechtem Wetter stattfinden. „Wir haben das Festival vergrößert, von fünf auf 16 Veranstaltungen.“
Erste Absage: Kapuzinerkirche wird für die LGS gebraucht
Die Jahre vergingen. Das Festival, das immer im August stattfand, war ein wiederkehrender Erfolg. Dann begannen die Vorbereitungen für die Landesgartenschau (LGS) in Überlingen. Weigelt berichtet: „Mir wurde mitgeteilt, dass die Kapuzinerkirche für die LGS gebraucht wird. Es hieß, das Festival müsste dann eben aussetzen.“ Von der Absage betroffen war auch das Sommertheater.

Als wäre eine Absage für das LGS-Jahr nicht genug, stellte die Stadt dann auch noch fest, dass die Kirche einsturzgefährdet sei. Das dankmalgeschützte Gebäude müsste bereits vor der LGS gesperrt und schließlich für die Gartenschau teilsaniert werden. Stichtag war der 11. Dezember 2017. An diesem Tag wurde seitens der Stadt aus „Gründen der Baufälligkeit des Dachstuhls ein sofortiges Nutzungsverbot für die Kapuzinerkirche ausgesprochen“.

Reinhard Weigelt erinnert sich: „Ich war darüber natürlich nicht amüsiert.“ Doch er hatte eine Idee. Nach Genehmigung durch die Verwaltung stellte er 2018 kurzerhand einen Glaskasten vor das alte Gebäude. Sowohl Kultur im Kapuziner als auch das Sommertheater konnten darin stattfinden.
2019 wollte Weigelt den Glaskasten wieder aufbauen – doch diesmal verweigerte die Stadt es ihm. Als Begründung teilte die Verwaltung damals mit: „Der angefragte, temporäre Glaspavillon verstößt gegen Belange des Bauplanungsrechts, des Baumschutzes, des Sanierungsrechts sowie des Nachbarrechts [...].“
Keine Genehmigung also für Weigelt. Dann kam Corona, die LGS wurde um ein Jahr verschoben. „Im Gemeinderat wurde besprochen, dass das Sommertheater und Kultur im Kapuziner nach der LGS wieder stattfinden können“, erzählt Weigelt. Also akquirierte der Veranstalter erste Künstler für sein Festival und organisierte Synergien mit dem Sommertheater – zum Beispiel eine gemeinsame Lösung für die Technik.
Zweite Absage: Sanierungsmaßnahmen sind eng getaktet
„Am 30. Januar habe ich dann eine Mail von der Stadt bekommen, in der es hieß: Das Sommertheater findet statt, aber Kultur im Kapuziner nicht“, erzählt Weigelt. Als Begründung habe die Stadt die Fristen des Kirchenumbaus angegeben. Die müssten eingehalten werden, damit es die nötigen Zuschüsse gibt.
Wortlaut aus der Mitteilung der Stadt an Weigelt: „Der Terminrahmen für die Sanierung der Kapuzinerkirche als Gesamtmaßnahme ist sehr eng getaktet [...]. Das Fristende für den Abruf der Fördermittel aus der Städtebauförderung am 30. April 2024 muss zwingend eingehalten werden [...].“
Aktuelle Lage: Arbeiten sind noch nicht ausgeschrieben
Trotz engem Zeitplan tat sich bislang jedoch nicht viel. „Es wurde August und an der Kirche ist einfach nichts passiert“, sagt Weigelt, der das Prozedere beobachtet. Die Sanierungsarbeiten seien noch nicht einmal ausgeschrieben – wie die Stadtverwaltung auf Nachfrage bestätigt: „Erst mit der Beschlussfassung zum Umbaukonzept durch den Gemeinderat werden die einzelnen umfangreichen baulichen Maßnahmen in einem Bauzeitenplan terminiert.“ Das Thema sei in einer Sitzung im Oktober vorgesehen. Bis dahin seien „Untersuchungen notwendig, vor allem in denkmalpflegerischen Belangen“.
Reinhard Weigelt: „Ich komme mir veräppelt vor“
Reinhard Weigelt sagt ehrlich: „Ich komme mir veräppelt und von der Stadt nicht ernst genommen vor.“ Hätten die Arbeiten mittlerweile begonnen, würde er sich mit der Absage abfinden, betont er. Stattdessen fühlt Weigelt sich zu Unrecht behandelt. „Es kommt mir vor wie eine Kultur zweiter Klasse, die ich mache. Denn die Kultur von der Stadt wird ja weiter unterstützt.“
Auf Weigelts Aussage reagiert die Stadt mit folgender Erklärung: „Für die Festlegung der finalen Variante zum Umbau einer Kulturstätte sind vorbereitende Untersuchungen unabdingbar. Diese Leistungen sind Teil der Sanierung.“
Veranstaltungen in der Kirche für 2023 abgesagt
Auch für 2023 sind sämtliche Veranstaltungen in der Kapuzinerkirche wegen der Sanierung abgesagt, Kultur im Kapuziner eingeschlossen. Und selbst, wenn Weigelt ab 2024 wieder die Möglichkeit bekommt, sein Festival in der Kapuzinerkirche auszutragen, wird er sich erst überlegen müssen, ob sich das dann noch lohnt.
Denn im Zuge der Sanierung sind voraussichtlich einige Änderungen vorgesehen, wie etwa die Verringerung der Sitzplätze. Rechnete Weigelt einst mit 350 Karten, könne er künftig vermutlich nur noch mit etwa 150 Plätzen kalkulieren. „Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Karte pro Platz wird teurer. Die Frage ist, wer sich das dann noch leisten möchte“, sagt der Veranstalter. Für ihn ist die Nachricht eindeutig: „Der Kultur wird ein Riegel vorgeschoben, sie wird unmöglich gemacht.“
Seitens der Stadt heißt es diesbezüglich: „Das Nutzungskonzept mit dem daraus resultierenden Umbau verfolgt das Ziel einer multifunktionalen Kulturstätte mit einer Bestuhlungskapazität von bis 199 Personen.“ Für Sonderveranstaltungen könne die Zahl auf bis zu 400 Besucher erhöht werden.
Reinhard Weigelt ist sich jedoch sicher, dass es für ihn und seine Kultur im Kapuziner in Überlingen schwierig bleibt. Deswegen plant der 66-Jährige nun anderweitig. „Ich möchte die Veranstaltung weiterführen, ob das in Überlingen sein wird oder wo anders, wird man sehen“, sagt er und betont: „Konkreter möchte ich aktuell noch nicht werden.“