Sabine Busse

„Folgen für Klima und Finanzen werden wir tragen müssen“

Espen Rechtsteiner
Espen Rechtsteiner | Bild: Sabine Busse

Espen Rechtsteiner, 18 Jahre, 12. Klasse: „In den ersten Wochen war es spannend, aber dann hat man die Normalität vermisst“, sagt Espen Rechtsteiner über die Zeit im Lockdown. „Ich musste erst einmal eine Struktur finden.“ Anfangs habe er intensiv die Nachrichten zum Thema Corona verfolgt. Aber irgendwann wurde es ihm zu viel und mittlerweile verfolgt er die Nachrichten nur noch sporadisch. „Ich will mich nicht mehr stressen lassen, nicht verrückt machen.“ Es sei ihm alles langsamer und schwerer vorgekommen. Da auch seine Eltern zu ungewohnten Zeiten oder im Homeoffice arbeiteten, musste sich die ganze Familie umstellen.

Seit Mitte Mai geht er wieder in die Schule. Zu Beginn des Homeschoolings hätten die Lehrer schnell reagiert. Es wurde eine cloudbasierte Plattform eingerichtet, auf der jeder Schüler seine Aufgaben abholen konnte. Manchmal habe es auch Video-Unterricht gegeben. „Das ist komplett anders als normaler Unterricht. Das kann man gar nicht vergleichen!“ Die für dieses Frühjahr geplante Stufenfahrt nach Griechenland fällt ersatzlos aus.

Als hilfreich empfand der 18-Jährige das gute Wetter und die Möglichkeit, viel raus in die Natur zu gehen. „Ich habe das Spazierengehen für mich entdeckt.“ Er musste zwar mehr im Haushalt helfen, aber das sei okay gewesen. „Einkaufen war die Attraktion des Tages!“

„Im letzten Jahr haben wir viel protestiert gegen das Handeln der älteren Generationen, jetzt müssen wir uns solidarisch zeigen und unser Leben einschränken.“
Espen Rechtsteiner

Espen Rechtsteiner engagiert sich in der „Fridays for Future„-Bewegung. „Im letzten Jahr haben wir viel protestiert gegen das Handeln der älteren Generationen, jetzt müssen wir uns solidarisch zeigen und unser Leben einschränken.“ Er hofft, dass die Politik das Hochfahren der Wirtschaft nachhaltig gestaltet. Allerdings sieht er bereits Beispiele, die dagegen sprächen, wie die Unterstützung der Lufthansa und die Inbetriebnahme des neuen Kohlekraftwerks in Datteln. „Das ist die pure Ignoranz!“

„Die Politik hört die Jugend nicht stark genug, weil wir keine große Wählergruppe darstellen.“
Espen Rechtsteiner

Die Klimakrise sei mit der Corona-Krise nicht vergleichbar, aber auch sie werde nachhaltige Effekte haben. „Die Folgen für das Klima und die Finanzen werden wir tragen müssen.“ Um die Jugend besser zu beteiligen, plädiert er für ein Absenken des Wahlalters auf Bundes- und Landesebene auf 16 Jahre. „Die Politik hört die Jugend nicht stark genug, weil wir keine große Wählergruppe darstellen.“

„Ich wünsche mir, dass die Krise als Chance gewertet wird“

Christelle Warner
Christelle Warner | Bild: Sabine Busse

Christelle Warner, 18 Jahre, Abiturientin: Mittlerweile hat Christelle Warner die schriftlichen Abi-Prüfungen absolviert. Die mündlichen folgen Ende Juli, vier Wochen später als geplant. „Rückblickend war es gut, mehr Zeit zu haben“, sagt sie. „Aber mittendrin war es schwierig, weil viel Unsicherheit herrschte und Diskussionen aufkamen, die Prüfungen abzusagen und die Durchschnittsnoten zu nehmen.“ Plötzlich auf sich gestellt zu sein, hat sie als Übung in Selbstdisziplin empfunden.

„Es tat gut zu sehen, dass es den anderen genauso schwerfiel.“
Christelle Warner

Zwei Wochen vor den Prüfungen hatten sie wieder Unterricht, nur vormittags und ein Fach pro Tag. „Das war sehr intensiv, aber gut!“ Damit meint sie die schulischen wie sozialen Aspekte. „Es tat gut zu sehen, dass es den anderen genauso schwerfiel.“ Auf eine Abifeier werden sie verzichten müssen. „Wir machen stattdessen eine besonders ausführliche Abizeitung.“

Die Zeit im Lockdown sei eine große Umstellung für die Familie gewesen. Die Freizeit hätten sie mit Fahrradfahren verbracht oder sie habe mit Freunden beim Spazierengehen telefoniert. Anfangs, als ihre Eltern den Kontakt zu anderen Familien untersagten, zog sie zu ihrem Freund.

„Ich habe keine Angst. Ich habe ja die Freiheit zu wählen, in welche Branche ich gehe.“
Christelle Warner

Nach dem Abi wollte Christelle erst einmal reisen, aber das sei jetzt schwierig. Über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise spekuliert sie nicht. „Ich habe keine Angst. Ich habe ja die Freiheit zu wählen, in welche Branche ich gehe.“ Mit dem Handeln der Politiker sei sie zufrieden. „Für unseren Abi-Jahrgang hat man sich viele Gedanken gemacht, daher fühle ich mich wahrgenommen. Ich wünsche mir, dass die Krise als Chance gewertet wird, aber ob das ausreichend wahrgenommen wird, weiß ich nicht.“

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„Unglaublich, dass das Meer wieder klarer und in China die Luft sauber ist“

Fabio Warner
Fabio Warner | Bild: Sabine Busse

Fabio Warner, 14 Jahre, 8. Klasse: Die Klassenstufe von Fabio aus Sipplingen war seit 16. März nicht mehr in der Schule. Nach den Pfingstferien ging es zwar wieder los, aber da die Klasse in Gruppen aufgeteilt wurde, muss er bis 29. Juni warten. Er bekommt von den Lehrern jeden Tag Aufgaben, später dann die Lösungen. Für die Korrekturen seien sie selbst zuständig, in manchen Fächern stellten die Lehrer sehr viele Aufgaben. Auch neuer Stoff sei dabei. „Das war nicht einfach, aber ich bin zurechtgekommen“, räumt er ein. „Ich kann besser im Klassenzimmer lernen.“ Der Klassenlehrer, bei dem er sich immer melden konnte, habe ein paar Mal angerufen. Online-Unterricht gab es für ihn nicht. Seine Klassenfahrt an die Nordsee fiel aus.

„Ich kann besser im Klassenzimmer lernen.“
Fabio Warner

Der 14-Jährige sagt, er habe nur wenig Kontakt zu einigen Freunden, meist über WhatsApp. Zum Glück habe er Geschwister. Die hätten zwar manchmal genervt, aber insgesamt sei es ganz gut gelaufen. Seine Freizeit verbrachte Fabio mit seinem neuen Hobby: einem Skateboard. Da ihm im Moment niemand Tricks beibringen kann, sieht er sich Videos dazu im Internet an. „Damit habe ich mir die Langeweile vertrieben.“

„Ich musste nicht pünktlich zum Zug oder Bus.“
Fabio Warner

Positiv an der Zeit zu Hause sei, dass der Zeit- und Termindruck weggefallen sei. „Ich musste nicht pünktlich zum Zug oder Bus.“ Allerdings hätten die neuen Freiheiten auch eine Schattenseite, da die Struktur gefehlt habe.

Fabio glaubt, dass die Politiker in Sachen Wirtschaft und Gesundheit das Richtige machen. Besonders beeindruckt ihn, welche Auswirkungen Corona für die Natur hat. „Es ist unglaublich, dass das Meer wieder klarer und in China die Luft wieder sauber ist!“

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„Um Corona kümmert man sich tausendmal mehr als um das Thema Umwelt“

Helene Buder
Helene Buder | Bild: Sabine Busse

Helene Buder, 15 Jahre, 8. Klasse: Bei der Frage, wie lange sie nicht mehr in der Schule war, muss Helene Buder überlegen: „Ungefähr drei Monate?“ Nach den Pfingstferien ging es auch für sie auch wieder los, aber nur wochenweise und an einigen Terminen bis zu den Sommerferien. Die digitale Übermittlung der Aufgaben und Materialien habe gut funktioniert. „Nach zwei Wochen war das geregelt“, sagt die 15-Jährige. Sie hätten auch Online-Unterricht gehabt, allerdings zum Teil mit technischen Problemen beim Bild oder Ton. „Das war nervig!“

„Es ist keine Angst, sondern eher Vorsicht. Es bringt nichts, wenn man nur negativ darüber denkt.“
Helene Buder

Helene Buder lebt in einer Wohngruppe der Linzgau Kinder- und Jugendhilfe in Deisendorf. Um das Infektionsrisiko zu mindern, wurden die Wohngruppen geteilt. Seitdem gehen die Jugendlichen zum Essen und zu anderen Aktivitäten nur noch zu dritt. Ansonsten müssen sie Masken tragen, genau wie die Betreuer, mit denen es keine Berührungen geben darf. „Das war am Anfang hart und es hat viele Diskussionen gegeben, aber mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt.“ Anfangs wurde öfter Fieber gemessen und jeder habe Sorge gehabt, infiziert zu sein, aber auch das habe sich gelegt. „Es ist keine Angst, sondern eher Vorsicht. Es bringt nichts, wenn man nur negativ darüber denkt.“

Die Betreuer sorgten direkt zu Beginn für eine Struktur mit festen Lernzeiten und Pausen. Mit Freunden hat sie vor allem telefoniert. „Treffen darf ich sie nicht oder muss in den kommenden sechs Tagen Maske tragen“, erklärt Helene. Besonders hart war der Verzicht auf den Besuch ihrer Tante in Berlin in den Ferien. Auch ihre Oma darf sie aus Sicherheitsgründen nicht sehen. „Es ist schon traurig, wenn die anderen von ihren Kontakten erzählen.“

Positiv ist für sie, dass sie sich innerhalb der Wohngruppe jetzt besser verstehen als vor Corona. „Die Gruppensituation ist besser geworden.“

„Ich bin nicht sicher, ob unsere Kinder noch Schnee sehen werden.“
Helene Buder

Den Politikern hält sie vor, viel über die Sicherheit älterer Menschen zu reden und sie bezweifelt, dass die Jüngeren den Politikern ebenso viel wert sind. „Dabei sind wir die Zukunft!“ Für sie ist die Klimadebatte zu sehr in den Hintergrund getreten. „Um Corona und die Folgen kümmert man sich tausendmal mehr als um das Thema Umwelt.“ Dabei betreffe das ihre Generation nachhaltig. „Ich bin nicht sicher, ob unsere Kinder noch Schnee sehen werden.“