Das Parkhaus wurde vom Stadtwerk inzwischen schon aufwendig saniert. Nun liegt eine erste Kostenschätzung für die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen im Torhaus bei rund 2,3 Millionen Euro. Die von Bernd Richter, dem neuen Leiter für das Technisches Facility Management, vorgelegten Zahlen im Ausschuss für Bauen, Technik und Verkehr erschreckten manchen im Gremium.
Warum ist das notwendig?
Ganz neu ist die Problematik nicht. Denn schon seit 2013 war die Nutzung des offenen Dachgeschosses aus Sicherheitsgründen untersagt. Dass es sich bei den aktuellen Defiziten keinesfalls um Kleinigkeiten handle, machte Richter schnell deutlich. Ein Brandschutzgutachten aus dem Jahr 2017 habe aufgezeigt, dass es bei der Raum-und Wegeplanung und bei den Bauteilen massive Mängel gebe. Die Baurechtsbehörde habe das Gutachten im Oktober 2020 freigegeben mit der Auflage, dass die Mängel binnen eines Jahres behoben werden müssten.
Unter anderem bedürften die Büroräume eines zweiten Rettungswegs, zudem müsse das Treppenhaus durch eine Brandwand komplett von den Büros abgetrennt werden. Auch eine Brandemeldeüberwachung müsse etabliert, viele Wände müssten auf höhere Standards bei der Feuerbeständigkeit ertüchtigt werden. Hinzugekommen sei der Wunsch des Ü-Punkts, den Grundriss im Erdgeschoss den Anforderungen von Datenschutz und Corona anzupassen. In seiner Sitzung am heutigen Mittwoch soll der Gemeinderat grünes Licht geben. Die Ausschreibung der Arbeiten sei 2021, die Ausführung 2022 vorgesehen.

„So etwas darf nicht passieren“
So einfach zur Tagesordnung übergehen wollte Stadtrat Ingo Wörner (FDP) in der Ausschusssitzung nicht. „Es ist mir unerklärlich, wie so etwas passieren kann.“ Es handle sich schließlich um keinen Bau aus dem Jahr 1970. „Ist das Gebäude überhaupt nach der Baugenehmigung gebaut werden? Wieso ist da keiner durchgegangen? Kann man nicht Planer in Regress nehmen?“ Die Fragen des FDP-Stadtrats waren zahlreich. Nicht nachzuvollziehen sei, dass es bei der Brandschutzplanung so massive Mängel gebe, das Gebäude sei schließlich erst 20 Jahre alt. „So etwas darf nicht passieren.“

„Nicht einwandfrei abgenommen“
Auch sein Fachbereich stehe vor einem Rätsel, sagte der Überlinger Baubürgermeister Matthias Längin. Für ihn waren die Einwürfe verständlich und er hatte mit Abteilungsleiterin Katrin Ehing und Peter Lorenz gleich zwei Vertreter des Baurechts zugeladen. Doch auch sie konnten wenig zur Aufklärung beitragen. Das Studium zur Aktenlage habe nicht wirklich weitergebracht. „Es gibt verschiedene, auch nachträgliche Baugenehmigungen“, berichtete Ehing. „Es wurden Auflagen geändert, es wurden Auflagen herausgestrichen.“ Auch ihre Abteilung könne nicht jedes Detail nachvollziehen. Fest stehe, dass nicht überall nach der Baugenehmigung gebaut worden sei und dass das Objekt nicht einwandfrei abgenommen worden sei. Hinzu komme, dass manche Anforderungen inzwischen verschärft worden seien. Keinen Zweifel ließ Katrin Ehing am Handlungsbedarf: „Das ist schon Risikostufe 6 und dunkelrot“, gab sie zu bedenken.
„So ganz überraschend kommt es für mich nicht“, sagte Jörg Bohm (CDU) und führte entlastende Argumente ins Feld. „Es ist auch dem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft geschuldet, dass das heute sehr kompromisslos betrachtet wird.“ Seit 2010 gehe die Brandverhütungsschau übers Land und sondiere in öffentlichen Gebäuden Mängel, bei denen es um „Menschenrettungsmöglichkeiten“ gehe. Hinzu kämen neue energetische Anforderungen. „Es ist nicht so, dass sich die Rechtslage hier nicht geändert hat“, betonte Bohm. „Und ich bin froh, dass dies beachtet wird.“
Sorgenkind
Der Bau des Tor- und Parkhauses in den Jahren 1999/2000 stand unter keinem guten Stern. Probleme bereitete schon der Baugrund und setzte lange die unterste Parkebene unter Wasser. Im November 2000 zogen die Verwaltung und das Bürgeramt ein. Kurz vor Ostern 2001 wurde das Parkhaus freigegeben. Im Mai 2001 fand die offizielle Einweihung statt. Die Gesamtkosten waren auf 20,8 Millionen DM beziffert worden, wobei gut 9 Millionen auf das Torhaus entfielen.Besseres Projektmanagement Thema im RatLängin muss Vorberatung im Ausschuss auf Anweisung des OB vertagenFacility Management sieht personellen Bedarf für effektives Projektmanagement
- Die unerwartet teure Sanierung des 20 Jahre altenTorhauses ist nur ein Beispiel, bei dem die Stadtverwaltung auf dem linken Fuß erwischt und überrascht wurde. Der Abriss der alten Realschulsporthalle oder der Zustand des Gymnasiums sind weitere. Um solche Situationen künftig nach Möglichkeit zu vermeiden, soll von der Abteilung Facility Management künftig ein Projektablaufschema samt Ressourcenplanung zum Projektmanagement etabliert werden. Schon am Mittwoch soll der Gemeinderat darüber befinden, nachdem Baubürgermeister Matthias Längin eine Vorberatung im zuständigen Ausschuss kurzfristig canceln musste. Dass Längin darüber alles andere als glücklich war, ließ sich aus seiner Mitteilung heraushören. Erst in der Mittagspause zuvor habe ihn „der Oberbürgermeister angewiesen, den Tagesordnungspunkt abzusetzen“, da die vorgelegte Präsentation aus seiner Sicht noch nicht die nötige Beratungsreife habe. „Es tut mir leid“, sagte der Baubürgermeister, „doch ich weiß es auch erst seit wenigen Minuten“. Doch sei dies „eine Anweisung des OBs der ich Folge leisten muss“.
- Das Aufgabengebiet der Abteilung Facility Management umfasse „den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes von der Projektierung über die Planung, den Bau und Betrieb, die Unterhaltung bis zum Abriss“, heißt es in der Sitzungsvorlage. Bei der Übernahme des Gebäudeportfolios im Jahr 2010 habe sich gezeigt, dass die Ausmaße der Defizite im Bestand so groß seien, dass der Bedarf trotz Aufstockung des Personals bei weitem nicht abgedeckt werden könne. Hinzu gekommen sei eine Vielzahl von Investitionsvorhaben im Bereich von Großprojekten (ab 1 Mio. €), die in diesem Umfang nicht absehbar gewesen seien und bei der Ressourcenplanung nicht berücksichtigt werden konnten.
- Diese Projekte könnten nur mit einem zielführendem Projektmanagement erfolgreich umgesetzt werden. Die Historie habe indessen gezeigt, dass aufgrund der Vielzahl der Projekte sowohl im Bau- als auch im Nutzerbereich nicht mit der notwendigen Sorgfalt und Detailtiefe gearbeitet werden konnte. Das Ergebnis seien häufig massive Abweichungen in den Bereichen Qualitätsumfang, Termine und Kosten gegenüber den Planwerten. Dies erfordere ein innovatives Projektablaufschema inklusive frühzeitiger Erhöhung der Planungstiefe bereits bei der Machbarkeitsstudie. Ebenso erfordert dies eine klare Entscheidungskette zu definierten Projektständen. Zudem sei zur Bewältigung des Projektportfolios im aktuellen Haushaltsplan 2021ff eine Bewertung der Umsetzbarkeit aus personeller Sicht notwendig. hpw