Ab dem Schuljahr 2026/27 gilt der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in den Grundschulen. Hintergrund ist das erklärte Ziel, die Bildungsqualität im Primarbereich im Allgemeinen und insbesondere die Chancengleichheit für sozial benachteiligte Schüler zu verbessern. Notwendig erscheint vor dem Hintergrund jüngster Testergebnisse beides gleichermaßen. Einen aktuellen Situationsbericht legte der zuständige Fachbereichsleiter, Raphael Wiedemer-Steidinger, jetzt dem Gemeinderat vor.

Schon jetzt sei die Ganztagsbetreuung in den meisten Überlinger Grundschulen sehr gefragt, machte Wiedemer-Steidinger mit Zahlen deutlich. An der Wiestorschule nutzten über 100 von derzeit 169 Grundschülern das Angebot, an der Burgbergschule seien es 94 von 213. Am höchsten ist die Betreuungsquote in Lippertsreute mit 55 von 63 Schülern, relativ gering in Hödingen mit 15 von 81. Mit 54 von 72 Schülern werden in Nußdorf über zwei Drittel ganztags betreut. An der Franz-Sales-Wocheler-Schule gibt es derzeit kein ergänzendes Betreuungsangebot.

Gemeinderat berät Gesamtkonzept für Betreuung

Welcher Weg in den Grundschulen favorisiert wird, soll auf Grundlage von Elternbefragungen entschieden werden. Nach der Elternbefragung muss von jeder Schule ein passendes pädagogisches Konzept entwickelt werden. Über die daraus abgeleitete „bedarfsgerechte und an eine finanzielle sowie personelle Leistungsfähigkeit angepasste Gesamtkonzeption“ soll am Ende der Gemeinderat befinden.

Das Land gebe mit seiner Förderkulisse den Weg zur Ganztagsgrundschule im Prinzip schon vor, merkte Oberbürgermeister Jan Zeitler im Vorfeld der Diskussion an. Interessant sei die bessere Ausstattung mit Lehrerstunden, sagte der OB, „vorausgesetzt, dass wir die Lehrer dazu auch haben“. Aber irgendjemand müsse die Betreuung ja auch leisten.

„Sehr skeptisch“ zeigte sich Stadtrat Günter Hornstein (CDU) vor dem Hintergrund der aktuellen Lehrersituation. Einen großen Zuwachs an Stunden könne er sich daher kaum vorstellen. Im Prinzip müsse das Land den Mehrbedarf bereits abschätzen können. Er fürchte, dass das Konzept in der Praxis nicht funktionieren und der Schwarze Peter wieder bei den Gemeinden liegen werde. Dort habe es bereits erste Hilferufe von Kommunen gegeben, die vom Ministerpräsidenten nur abgetan worden seien.

Das könnte Sie auch interessieren

Grundschulen sollen alle betrachtet werden

Besorgt über eine erwartete Mehrbelastung habe sich ja auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schon gezeigt, bestätigte Raphael Wiedemer-Steidinger. Allerdings sei die GEW im Vorjahr selbst von einer Studie überrascht worden, die bereits ein Ende des Lehrermangels bevorstehen sah. „Danach scheint es in den nächsten Jahren tatsächlich einfacher zu sein, qualifizierte Lehrer anzustellen als Erzieher“, erklärte der Fachbereichsleiter.

Alle Grundschulen sollen bei einer Umstellung gemeinsam betrachtet werden, betonte Wiedemer-Steidinger auf Nachfrage von Bettina Dreiseitl-Wanschura (LBU/Grüne). Dies sei schon deshalb geboten, um nicht zu viele Anträge auf Schulbezirkswechsel zu erhalten. Allerdings könne die Umstellung schrittweise binnen vier Jahren erfolgen. „Müssen dann alle Kinder bleiben?“, hakte Dreiseitl-Wanschura nach. Wie lang, das hänge von der spezifischen Konzeption der Schule ab, die ja auf Basis der Elternbefragung erstellt werde.

100 Jungen und Mädchen von insgesamt 169 nutzen an der Wiestorgrundschule das aktuelle Betreuungsangebot.
100 Jungen und Mädchen von insgesamt 169 nutzen an der Wiestorgrundschule das aktuelle Betreuungsangebot. | Bild: Hanspeter Walter

AfD-Rat will sich gegen Ganztagsschule wehren

Eine rhetorische Duftmarke glaubte Stadtrat Thorsten Peters (AfD) in der Diskussion setzen zu müssen. Was Fachbereichsleiter Wiedemer-Steidinger als Beitrag zu mehr „Chancengleichheit“ bezeichnet hatte, nannte Peters einen Weg zur „Gleichschaltung“. Das Land wolle die Nachmittagsbetreuung über die Schulaufsicht „unter Kontrolle bekommen“ und der Selbstorganisation entgegenwirken. Ja, Peters erkannte darin eine „verdeckte Integrationsmaßnahme“. Er wolle „den Eltern die Kinder nicht wegnehmen“, sagte Peters im Gemeinderat: „Deshalb sollten wir uns gegen das Konzept wehren.“

Das könnte Sie auch interessieren

Genau das schlage die Stadt nicht vor, erklärte Oberbürgermeister Jan Zeitler. Gemeinsam ringe man schließlich darum, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung umzusetzen. Die Kommune sei aufgerufen, sich an den Förderrichtlinien zu orientieren. „Die Wortwahl von Ihnen weise ich entschieden zurück“, betonte Zeitler. Es gehe ausschließlich darum, in diesem Land eine vernünftige und verlässliche Ganztagsbetreuung zu ermöglichen.

Massive Kritik an Thorsten Peters

Der Begriff „Gleichschaltung“ sei „völlig verfehlt“, sagte Alexander Bruns (CDU). Es gehe darum, ein Angebot zu machen, „sofern die Eltern das wollen“. Zudem müsse die Gesellschaft tatsächlich die Integration verbessern, um ein gedeihliches Miteinander zu ermöglichen, erklärte Bruns. Es sei „bodenlos und unter aller Kanone“, wie Peters versuche, die Diskussion in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Unterstützt wurde Bruns von Rainer Röver (SPD). Hier werde wieder einmal die „Verschwörungsideologie“ vorgetragen, sagte Röver, dass dem Staat an „Gleichschaltung und Indoktrination“ gelegen sei. Dabei gehe es darum, das für Eltern beitragspflichtige Betreuungsangebot durch ein kostenfreies Bildungsangebot zu ersetzen.