Es ist stadtbildprägend, vielleicht sogar ein Visitenkärtle von Überlingen, auf jeden Fall aber ein bedeutendes Bauwerk an der Ecke Christophstraße/Franziskanerstraße: das Fachwerkhaus, in dessen Erdgeschoss, das Optik und Akustik-Geschäft Krezdorn beheimatet ist. Dieses Haus, liebevoll „Krezeck“ genannt, gehört nun dem Spital- und Spendfonds der Stadt Überlingen. Seit Kurzem: Eigentümer Ulrich Krezdorn hat es hergeschenkt. Einfach so.
Mutter gründete Sozialstation
Ulrich Krezdorn ist Überlinger mit Leib und Seele. Seit 30 Jahren sitzt er im Stadtrat, seine Mutter Lisbeth Krezdorn, die im Jahr 2021 verstorben ist, war ebenfalls eine Überlinger Bekanntheit. Wenn man etwas wissen wollte, musste man nur Lisbeth Krezdorn fragen. Ein Jahr vor ihrem Tod hat sie dem Spital ein unterhalb Aufkirchs im Landschaftsschutzgebiet gelegenes großes Grundstück vermacht. Das war die erste Krezdorn‘sche Schenkung.
„Die Mama wollte schon immer auch wissen, was ich mal mit dem Krezeck mache“, erzählt Ulrich Krezdorn. „Und als ich sagte, dass ich es dem Spital geben will, war sie glücklich. Meine Mutter hat für das Spital gelebt. Sie hat in den 1970er-Jahren die Sozialstation mitgegründet und den Spitalgedanken hat sie als Überlingerin immer gelebt.“ Diese Liebe sei ihm in die Wiege gelegt worden. Die Bürgerstiftung liebt er und die, die man liebt, bedenkt man in der Regel im Testament.
Auf Zustiftungen angewiesen
Genau das hat Ulrich Krezdorn getan, nicht testamentarisch, sondern in Form einer Schenkung. Auch, weil er weiß, wie nötig es ist und dass der Spital- und Spendfonds, die die Alten- und Pflegeheime betreibt, dringend auf Zustiftungen angewiesen ist. „Früher hat sich der Spital ja vor allem aus den Wäldern finanziert. Diese Quellen genügen heute nicht mehr. So ist die Stadt selber, und damit der Bürger, immer wieder gefordert bei deren Finanzierung, – das kriege ich als Stadtrat ja mit.“
Dass Ulrich Krezdorn der Stiftung das Haus geschenkt hat, bedeutet nicht, dass er auszieht: Er und sein Mann Michael haben den Nießbrauch, das bedeutet: lebenslanges Wohnrecht. „Ich habe alle Rechte, aber auch alle Pflichten und muss mich um alles rund um das Haus kümmern. Nur verkaufen kann ich es nicht mehr.“
Haus darf nicht weiterverkauft werden
Die Schenkung erfolgte aber nicht ohne Auflagen: Krezdorn will, dass das Haus im Eigentum des Spital- und Spendfonds bleibt und nicht irgendwann verkauft wird. Die Erträge aus dem „Krezeck“ müssen auf Dauer dem Spital zugutekommen und 25 Prozent ans Kolpingwerk abgeführt werden, „damit auch Menschen geholfen wird, die außerhalb unseres Wohlfahrtsstaats leben.“ Außerdem muss die Stadt das Haus technisch und optisch stets in Schuss halten und sollte darauf achten, dass es bei Festen mit den Stadtfahnen geschmückt wird. Wie die Stiftung das Haus nach Krezdorns Eintritt in den Ruhestand nutzen will, ist noch nicht bekannt.
Das Eckhaus und seine lange Geschichte
Als die Geschichte der Familie Krezdorn in jenem Eckhaus Franziskanerstraße/Christophstraße begann, waren es noch zwei Gebäude. Die Nummer 49 und die Nummer 51. Die Nummer 49 wurde 1979 abgerissen und der Neubau mit der Nummer 51 vereint. Jetzt sind die beiden Häuser eins, haben auch nur noch eine Haustüre und die gemeinsame Nummer 49. Die 51 ist somit Geschichte.
Es war Ulrich Krezdorns Großvater Anton Hahn, der die Verbindung mit dem Haus begründete: Der Uhrmacher aus Aufkirch kehrte in den 1920er-Jahren aus dem Allgäu zurück, wo er seine Frau Josefa kennengelernt hatte.
„Mein Großvater wollte das Haus immer erwerben“
1924 zog er mit seinem Uhrengeschäft mit Werkstatt, das er zunächst in der Jakob-Kessenring-Straße eröffnet hatte, ins Eckhaus, damals Nummer 51. Kurz darauf wurde das Gebäude verkauft, sodass Hahn das Geschäft wieder verlassen musste. Es siedelte in die Christophstraße 27 um, konnte aber 1932 wieder nach „vorne“ wechseln und zog mit Laden und Wohnung in die 49. Hier verbrachte Lisbeth Krezdorn ihre Kindheit. „Mein Großvater wollte das Haus mit der damaligen Nummer 49 immer erwerben, aber es stand nicht zum Verkauf“, schildert Ulrich Krezdorn.
Als dann 1938 das gegenüberliegende Gebäude, Christophstraße 34, verkauft wurde, griff Anton Hahn zu und siedelte auf die andere Straßenseite um. 1954 kam Ulrich Krezdorns Vater ins Spiel: Martin Krezdorn heiratete Lisbeth Hahn. Er war Uhrmacher- und Optikermeister, perfekt, um in das Geschäft, das damals Uhren und Schmuck führte, einzusteigen. „Mein Vater hat es um den Bereich der Optik erweitert und 1962 um Hörgeräte ergänzt. Wir sind aus allen Nähten geplatzt in unserem Geschäft in der Christophstraße 34.“
Am Ende glückte der Kauf doch noch
Doch: Martin Krezdorn gelang, was seinem mittlerweile verstorbenen Schwiegervater verwehrt geblieben war: Er kaufte die Häuser Christophstraße 49 und 51. „Das war für meine Großmutter Josefa der ganz große Triumph, dass wir das jetzt doch noch bekommen haben“, sagt Ulrich Krezdorn. Der Hauskauf war aber nicht der Grund für die gute Beziehung zwischen Josefa Hahn und ihrem Schwiegersohn. „Meine Großmutter und mein Vater waren ganz innig“, sagt Krezdorn. „Er hat immer das größte Schnitzel bekommen.“
Lisbeth Krezdorn liebte Zahlen
Ulrich Krezdorn und seine Geschwister sind im Grunde bei der Großmutter aufgewachsen: Seine Eltern hatten im Geschäft zu tun, Lisbeth Krezdorn war obendrein im Gemeinderat. Dass sie arbeiten konnte, war für Lisbeth Krezdorn letztlich ein Triumph: „Sie wäre so gerne Bankkauffrau geworden, aber meine Oma hatte ihr nicht erlaubt, einen Beruf zu erlernen. Das schickte sich damals nicht für ein ordentliches Mädle“, sagt Ulrich Krezdorn. Doch ihre Liebe zu Zahlen konnte Lisbeth Krezdorn trotzdem leben: Im Geschäft übernahm sie die Buchhaltung. Das hat sie gemacht, bis sie Mitte achtzig war. Doppelte Buchführung von Hand, bis zuletzt.“

Lisbeth Krezdorn blieb in der Nummer 34 wohnen. Der Laden aber zog um: Nach dem Kauf der Häuser 49 und 51, dem Abriss des Hauses mit der Nummer 49 und dem Neubau als Anbau an das Eckhaus, packte die Familie im Geschäft ihre Sachen. „Am Sonntag, 30. November 1980 um halb eins haben wir, nachdem wir am Vormittag im alten Laden noch verkauft und in der Werkstatt Brillengläser geschliffen hatten, den Laden in der Christophstraße 34 zugemacht, alles die Straße geschafft und dort bis Montagmorgen 3.30 Uhr installiert und eingeräumt.“ Dann gingen die Krezdorns schlafen – und haben verschlafen! „Um halb neun am Montagmorgen sind wir hochgeschreckt und ich dachte: Oh Gott, um neun stehen die alle da.“ Die Krezdorns schafften es, aber knapp: „Im Narrenkonzert kam dann prompt die Retourkutsche: Wir seien wegen lauter Eile ungewaschen zu unserer eigenen Eröffnung gekommen!“
Von der Ferne wieder an den Bodensee
In den 1980er-Jahren verließ Ulrich Krezdorn die Stadt für ein paar Jahre. Besuchte die Augenoptik-Fachhochschule in Köln und arbeitete in zwei anderen Betrieben, um Erfahrung zu sammeln. „Mein Vater hatte zunächst Bedenken, dass ich nicht zurückkomme.“ Seine Mutter habe diese nicht geteilt: „Sie wusste, wie ich an Überlingen hänge.“ Zur Sicherheit versorgte Lisbeth Krezdorn ihren Sohn mit einem SÜDKURIER-Abonnement. Als weiteren Anreiz für die Rückkehr überschrieben die Eltern dem Sohn die vierte Etage des „Krezecks“, die damals noch Speicher war, heute aber sein Zuhause ist.

1992 übernahm Ulrich Krezdorn das Geschäft gemeinsam mit seiner Schwester Anne. Der Vater richtete sich in der Nummer 34 eine Werkstatt ein. Nur zwei Jahre waren ihm im Ruhestand vergönnt, bevor er 1994 überraschend an einem Herzinfarkt verstarb. 2005 kaufte Ulrich Krezdorn seiner Mutter die dritte Etage des „Krezecks“ ab. Der Rest des Hauses wurde ihm nach und nach überschrieben, der Mutter war der lebenslange Nießbrauch im Grundbuch gesichert. „So habe ich die wirklich tolle Lösung des Nießbrauchs kennengelernt und so machen wir es ja nun auch mit dem Spital“, sagt Krezdorn. Ein Beispiel, das wohl Schule macht: Nachdem die Schenkung des „Krezecks“ beim Neujahrsempfang bekannt gegeben wurde, sei ein Ehepaar auf ihn zugekommen und habe gesagt: „Ich glaube, das machen wir auch so mit unserem Haus.“