Kennen Sie das „Rieds Eck“? Genau, das ist – in inoffizieller Bezeichnung – die Ecke zwischen Markt- und Christophstraße, an der viele Autofahrer trotz eines Geradeausfahrgebots gerne verkehrswidrig links abbiegen. Viele Überlinger kennen diese Orientierungsmarke auch ohne Hinweistafel. Noch recht neu auf dem informellen Stadtplan ist dagegen eine Bezeichnung just gegenüber auf der anderen Straßenseite.
Ulrich Krezdorn hat hier vor Kurzem vollendete Tatsachen und ein selbst ernanntes „Krez-Eck“ als neue Sehenswürdigkeit geschaffen, die noch nicht einmal Touristikchef Jürgen Jankowiak kennt. Was es damit auf sich hat, das tut Optiker- und Hörgeräteakustikermeister Krezdorn mit einem kleinen Infotext kund, in dem auch der bisherige Begriff „Latschari-Eck“ vorkommt.

Krezdorn will auf spannende Stadtgeschichte hinweisen
„Ich habe schon lange das Bedürfnis, auf spannende Details der Überlinger Geschichte hinzuweisen“, sagt Ulrich Krezdorn. Insbesondere das ehemalige Christophstor habe es ihm angetan, das auf Höhe der Grabenstraße gelegen und im 19. Jahrhundert abgerissen worden war.
Vieles von der Überlinger Geschichte gerate in Vergessenheit. „Es ist schade, dass es dazu nicht mehr Informationen gibt“, begründet er, dass er nun selbst aktiv wurde. „Ich hoffe, dass es hier bald weitergeht, und wir auch QR-Codes für ausländische Besucher bekommen.“

Rainer Wilberts Wunsch nach Nachahmer erfüllt sich
Schon vor drei Jahren war Friseur Rainer Wilbert aktiv geworden, sein Salon liegt nur einen Steinwurf entfernt in der verkehrsberuhigten Münsterstraße. Wilbert hatte gemeinsam mit seinem Vermieter, dem Münsterbauverein, eine Informationstafel am „Haus Hölle“ an der Münstertreppe angebracht. Und er hatte sich damals Nachahmer gewünscht. Mit Ulrich Krezdorn hat er nun einen gefunden.
Ein „Gaffer“ bietet hoch über der Kreuzung Maulaffen feil
Neben dem Alter und der Geschichte des markanten Fachwerkgebäudes, von dem ein „Gaffer“ als Sandsteinkopf neugierig auf die Kreuzung blickt, vermittelt Krezdorn hier begriffliche Herkunftsforschung. Nicht genug der Ecken. Auch „Maulaffeneck“ werde der Ort genannt. Der Autor weiß auch weshalb. „An Kreuzungen treffen oder trennen sich Wege“, ist hier zu lesen und vor allem: „Die Social-Media von damals waren das Gespräch miteinander.“
Dieses Damals reicht lange zurück. Denn das „stattliche Bürgerhaus“ sei schon 1540 erbaut worden, lernt man auf der neuen Tafel auch. Es habe zwischen dem Oberen und Unteren Markt gelegen. Hier habe die Nachbarschaft „Bäckerbrunnen“ begonnen, die bis zum ehemaligen Christophstor reichte.

Der „Gaffer“ am Haus Krezdorn ist durchaus typisch für einen öffentlichen Platz. Der „Gaffkopf oder auch Neidkopf“ solle nach altem Volksglauben die Bewohner des Hauses vor Unheil schützen und das Böse abwehren, hatte Stadtarchivar Walter Liehner einst bei einer Stadtführung erläutert. Als Fassadenschmuck war er in der Renaissance sehr beliebt.
Tourismuschef hatte Initiative bisher nicht wahrgenommen
Selbst Touristikchef Jürgen Jankowiak war überrascht von der Initiative Krezdorns und hatte es bislang nicht wahrgenommen. „Im Grunde ist es natürlich jedem selbst überlassen, an seinem Privathaus ein Schild anzubringen, wenn rechtlich nichts dagegen spricht“, sagt Jürgen Jankowiak, Geschäftsführer der Überlinger Marketing & Tourismus GmbH (ÜMT), der sich seit einigen Jahren um ein Corporate Design bemüht.
Erst im Vorjahr ist das neue Stadtleitsystem mit Wegweisern und Tafeln zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten installiert worden. „An öffentlichen Gebäuden ist uns an einem einheitlichen Erscheinungsbild gelegen“, betont Jankowiak. Wenn jemand auf privatem Grund so etwas plane, dürfe er jederzeit auch gerne auf ihn zukommen, um dies gegebenenfalls abzustimmen.