Den Schlusssegen spendeten der katholische Pfarrer Bernd Walter und der evangelische Stadtpfarrer Kai Tilgner gemeinsam. Das war nicht immer so. Schließlich war Überlingens Schwedenprozession über fast drei Jahrhunderte eine ur-katholische Veranstaltung.

An diesem Sonntag feierte Überlingen die zweite Schwedenprozession des Jahres – und es war die zweite unter einer neuen Ordnung. Sie folgte dem Gedanken, auch anderen christlichen Kirchen einen Platz in der Zeremonie einzuräumen.
Katholischer Kern bleibt unangetastet
An einem runden Tisch hatten sich die Kirchen, Gemeinderat und die Traditionsvereine (Trachtenbund, Schwerttanzkompanie) darauf verständigt, den Kern der Schwedenprozession nicht anzutasten. Mit ihr erfüllt Überlingen ein fast 300 Jahre altes Gelübde, zum Dank dafür, vor Plünderungen durch protestantische Truppen bewahrt worden zu sein. Dennoch bekommt der Protestantismus in der Schwedenprozession heute ein Gesicht.
Evangelischer Pfarrer mit am Altar
Kai Tilgner und Bernd Walter standen gemeinsam am Altar, Tilgner hielt eine Lesung und spendete mit Walter gemeinsam den Schlusssegen. Auch die politische Gemeinde entsandte in Gestalt von Stadtrat Ulrich Krezdorn einen Vertreter, der ein Gebet an einem der Altäre sprach, wie auch die Schwerttanzkompanie betend mit von der Partie war.

Er freue sich, sagte Pfarrer Bernd Walter nach der Schwedenprozession im vollen Nikolausmünster, „dass wir an Traditionen festhalten können“. Die Feier und die Prozession mit ihren prachtvollen Bildern sei „fast wie früher“ gewesen. „Nur noch schöner“, so der katholische Geistliche. Den Vertretern der evangelisch-methodistischen Kirche, der neuapostolischen Kirche und der Freikirche Lindenwiese sei es diesmal nicht möglich gewesen, einen Vertreter zu entsenden. Sie seien aber, so seine Überzeugung, „in Gedanken mit uns verbunden“ gewesen.
Emotionen, nicht nur für Katholiken
Emotionaler Höhepunkt der Schwedenprozession ist das Te Deum. Das Münster ist dann, dreieinhalb Stunden nach Beginn der Feier, wenn am Wegesrand immer mehr Leute eingesammelt werden, gut gefüllt. Im Raum liegt ein Klangteppich aus Glocken, Orgel, Chorgesang, es spielen und singen Stadtkapelle und Münsterchor, Jugendkantorei, Trachten, Schwertletänzer, Politiker, Pfadfinder, Ministranten.

Im Chor mit den übrigen Besuchern wird aus hunderten Kehlen „Großer Gott wir loben Dich“ gesungen, und es brandet Beifall auf, bevor Folklore endgültig die Oberhand über die Kirchlichkeit gewinnt: Die Festgemeinde zieht zur Hofstatt, wo traditionell die Schwerttanzkompanie ihre Tänze aufführt, nachdem der Erste Platzmeister, Eric Hueber, bei Oberbürgermeister Jan Zeitler die Erlaubnis dazu einholte.

Wie geht die Debatte weiter?
Und wie geht es in der Debatte um die Ökumene weiter? Die Verantwortlichen kündigten an, nach dieser zweiten Schwedenprozession eine Bilanz ziehen und überprüfen zu wollen, ob die Ökumene weiter vertieft werden kann oder muss, wie die ganze Stadtgesellschaft in das Gelübde eingebunden werden kann. Von ihrer Aussagekraft her geht die Veranstaltung längst über das Gedenken an den Dreißigjährigen Krieg hinaus, sondern ist ein Ausdruck von Dankbarkeit für die besondere Lebensqualität, in der sich Überlingen befindet – unabhängig von Konfessions- und Glaubensfragen.