Vier Jahre lang lebte der Angeklagte mit der Gewissheit, dass ihn eine Gerichtsverhandlung und ein Urteil erwarten. Das fällt jetzt Richter Alexander von Kennel im Überlinger Amtsgericht – und führt aus: „Die schiere Zahl der Dateien mit schrecklichen, brutalen Szenen. Die Kinder sind sicher traumatisiert fürs Leben.“ Dann blickt er zum Angeklagten: „Aber ab der Entdeckung ist es mustergültig gelaufen.“

Der Mann auf der Anklagebank – 51 Jahre alt, früher verheiratet und angestellt in der Bodenseeregion, heute allein in Norddeutschland – nickt kaum merklich. Ein Jahr Haft auf Bewährung, vier Jahre Laufzeit, die maximale Dauer, in der sich der Mann nichts zuschulden kommen lassen darf. Dazu 2000 Euro an den Kinderschutzbund zahlen. Und die klare Erwartung des Gerichts: „Alles Weitere steht und fällt mit Ihrer Therapie.“

„Mit großer Brutalität missbraucht“

Die Anklage beschreibt, was Ermittler 2021 auf einem Laptop, zwei Handys und einem USB-Stick des Mannes finden. Es sind über 5700 Dateien Kinderpornografie, penibel sortiert nach Themen. Die Opfer seien „schwerst und zum Teil mit großer Brutalität missbraucht worden“, sagt die Staatsanwältin.

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Dank des Hinweises einer US-Behörde stoßen die deutschen Ermittler vor vier Jahren auf den Angeklagten in Meersburg. Der 51-Jährige räumt alles ein, lässt über seinen Verteidiger eine Erklärung verlesen: „Die Anklage ist zutreffend. Ich schäme mich zutiefst. Es tut mir leid.“ Er habe sein Leben inzwischen neu geordnet, mache eine Umschulung, absolviere ein Praktikum in einem Altenheim. „Das macht mir Spaß, es läuft sehr gut. Die alten Leute sind dankbar.“

Eine Therapie hat er begonnen, freiwillig, einmal im Monat. Mit seinem Therapeuten verstehe er sich. „Wir können offen reden. Das tut mir sehr gut.“

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Die Staatsanwältin sieht mildernde Umstände: Der Mann sei nicht vorbestraft, habe von Beginn an kooperiert, die Tat liege Jahre zurück. Und doch: „Der Umfang ist erheblich, die Inhalte schwer zu ertragen.“ Sie spricht von einer „langjährigen pädophilen Neigung“, betont die hohe Rückfallgefahr und beantragt ein Jahr und zwei Monate auf Bewährung – mit vierjähriger Laufzeit, regelmäßigen Therapienachweisen und 2500 Euro Geldauflage.

Der Verteidiger zeichnet das Bild eines Mannes, der an sich arbeitet – und vor dem Fall jahrelang geschwiegen hatte: „Wer solchen Neigungen erliegt, kommt aus eigener Kraft nicht raus.“ Nach der Anzeige habe sein Mandant Frau, Beruf und soziales Umfeld verloren. Der Umzug in den Norden, die neue Arbeit, die Therapie – sein Mandant meine es ernst.

Laptop und Handy? „Kann vernichtet werden.“

„Anker und Schutzraum“ nennt der Anwalt den Therapeuten und dessen Praxis, wo sein Mandant offen reden kann. Wichtig sei nicht die Dauer einer möglichen Haftstrafe, sondern dass die Therapie fortgesetzt werde: „Das ist der Halt, der ihm hilft, dass das nicht wieder vorkommt.“

Der Angeklagte selbst sagt nur noch: „Ich entschuldige mich und warte ab, was jetzt passiert.“ Seinen Laptop und die Handys wolle er nicht zurück: „Das kann vernichtet werden.“

Verlust von Beruf und Partnerschaft

Richter von Kennel folgt im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Er spricht von einer „nachhaltigen Problematik“, die Bewährungszeit müsse daher vier Jahre betragen. Gleichzeitig betont er: Der Angeklagte habe sich von Beginn an offen gezeigt, „reinen Tisch gemacht“. Der Verlust von Partnerschaft, Beruf und Heimat sei bereits eine erhebliche Strafe. Zudem habe sich das Verfahren lange hingezogen. Der Richter schließt mit einer Aufforderung: „Machen Sie mit. Ziehen Sie die Therapie durch. Ich wünsche Ihnen alles Gute.“ Der Angeklagte nimmt das Urteil an.