Nicht mit Andreas Wissmann. Der Autofahrer aus Überlingen ist Rechtsanwalt und lässt eine Zahlungsaufforderung in Höhe von 35 Euro nicht auf sich sitzen. Angeblich parkte sein Auto eine Nacht lang auf dem Parkplatz eines Edeka-Markts in Überlingen. Wissmann kann jedoch nachweisen, dass sein Auto dort nicht stand. Die private Überwachungsfirma hat den Strafzettel deshalb mittlerweile zurückgezogen. Und nun geht es dem Überlinger um mehr als um die 35 Euro. „Ich denke, das Thema ist wichtig und die Leute sollten wissen, dass man nicht einfach bezahlen muss, sondern erst prüfen sollte, ob der Vorwurf zutrifft.“

Überwachungskameras der Firma Betterpark am Eingang zum Parkplatz an der Lippertsreuter Straße.
Überwachungskameras der Firma Betterpark am Eingang zum Parkplatz an der Lippertsreuter Straße. | Bild: Hilser, Stefan

Unserer Redaktion sind drei dokumentierte Fälle im Zusammenhang mit dem Edeka-Parkplatz in der Lippertsreuter Straße bekannt, bei denen Autofahrern zu Unrecht Geld abgeknöpft werden sollte. Alle drei wehrten sich und alle drei bestätigen, dass die Zahlungsaufforderung unkompliziert zurückgenommen wurde. Wissmann wendet sich dennoch an die Öffentlichkeit. Denn er ist überzeugt davon, dass viele Autofahrer sich die Mühe gar nicht machen, zähneknirschend bezahlen, auch wenn sie gar nicht müssten. Als Rechtsanwalt ist ihm dies ein besonderes Anliegen.

In allen drei dem SÜDKURIER bekannten Fälle handelt es sich um angebliche Parkverstöße, die gar keine sind. Vielmehr wurden ihre Autokennzeichen fälschlicherweise erfasst, beziehungsweise falsch ausgewertet. In Wissmanns Fall kam der Strafzettel erst Wochen nach dem angeblichen Vorfall. „Ich will nicht wissen, wie viele verunsicherte Kunden eine solche Forderung ungeprüft zahlen, oder weil sie sich einfach nicht erinnern, oder weil sie kein ‚Alibi‘ haben.“

Wissmann liefert stichhaltiges Alibi

Kurios an Wissmanns Fall ist die vorgeworfene Parkdauer. Angeblich hat er auf dem Parkplatz eine ganze Nacht lang sein Fahrzeug abgestellt. Laut Aushang wäre eine Höchstparkdauer von 1,5 Stunden zulässig. Wissmann wohnt in der Nachbarschaft und kann sich vorstellen, dass er am Abend auf dem Heimweg für Besorgungen anhielt und am nächsten Morgen ein zweites Mal auf den Parkplatz fuhr, um frische Brötchen zu holen. Aber die ganze Nacht dort geparkt? Das schließt er aus. Er vermutet, dass jemand sein Auto zweimal gesehen und die falsche Schlussfolgerung gezogen hat.

Noch während Wissmann darüber nachdenkt, wie er den Strafzettel rechtssicher zurückweisen könnte, kommt ihm die Abrechnung seines Stromversorgers zugute. Aus ihr geht hervor, so Wissmann, dass sein Elektro-Auto in der angeblichen Tatzeit zum Aufladen an der Wallbox bei ihm daheim in der Garage stand, den Kundenparkplatz also gar nicht blockiert haben kann.

Das könnte Sie auch interessieren

Edeka überwacht den Parkplatz nicht mit eigenem Personal, sondern delegiert das Thema an die Firma Betterpark, hinter der die Stuttgarter Nexobility GmbH steht. Für die Mitarbeiter der Nexobility GmbH ist Wissmanns Fall plausibel, sie verzichteten auf ihre Forderung. Auf Anfrage unserer Redaktion teilte Philipp Diebold vom Projektmanagement der Nexobility GmbH mit, dass Betterpark rund 700 Parkflächen „betreibt“, in Deutschland, der EU und in den USA. „Unsere Parkraumkontrolle basiert auf modernen kameragestützten Systemen, die eine effiziente und kundenfreundliche Nutzung ermöglichen.“

Nebel vor der Überwachungskamera?

Auf dem Edeka-Parkplatz in der Lippertsreuter Straße in Überlingen kommen Kameras zum Einsatz, die bei der Ein- und der Ausfahrt die Autonummern erfassen. Diebold: „Wie bei jeder automatisierten Erfassung kann es in seltenen Fällen zu fehlerhaften Strafzetteln kommen.“ Gründe dafür könnten „schlechte Witterungsbedingungen“ sein oder Reflexionen, die die Erkennung der Kennzeichen beeinträchtigen. Wie viele Fehlmessungen es gebe, verriet Diebold nicht, sondern sprach von einem „nur sehr geringen Anteil“. Er ermuntert dazu, sich bei Zweifeln an den Kundenservice zu wenden, „um solche Fälle zu klären und gegebenenfalls Korrekturen vornehmen zu lassen“.

Dieses Schild weist deutlich auf die Höchstparkdauer hin. Es kann vom Auto aus mit dem bloßen Auge gelesen werden.
Dieses Schild weist deutlich auf die Höchstparkdauer hin. Es kann vom Auto aus mit dem bloßen Auge gelesen werden. | Bild: Hilser, Stefan

Christhard Deutscher, Pressesprecher bei Edeka Südwest, antwortete ähnlich. Demnach beschränken sich Reklamationen auf „Einzelfälle“, und „bestehende Unklarheiten können in aller Regel rasch im direkten Austausch mit der Marktleitung vor Ort geklärt werden“. Nicht alle Märkte werden so wie in Überlingen überwacht. „Es handelt sich im Südwesten um einzelne Märkte, die häufig zentrumsnah liegen.“ So auch beim Markt an der Lippertsreuter Straße, der nicht nur zentrumsnah liegt, sondern auch in der Nähe des Schulzentrums. Kostenlose Parkplätze sind in diesem Quartier rar, und umgekehrt ist es nachvollziehbar, dass die Marktleitung Fremdparker, die keine Kunden sind, mit den Überwachungsmaßnahmen fernzuhalten versucht.

Auf diesem Schild werden im Kleingedruckten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen genannt: Sie gelten, sobald ein Kunde mit seinem Auto ...
Auf diesem Schild werden im Kleingedruckten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen genannt: Sie gelten, sobald ein Kunde mit seinem Auto auf den Kundenparkplatz fährt. | Bild: Hilser, Stefan

Neben der Firma Betterpark gibt es weitere externe Dienstleister, sie heißen beispielsweise Parkdepot, fair parken, Loyal Parking oder Park und Control. Sie agieren auf der Grundlage eines Vertrags, den Kunde und Dienstleister stillschweigend eingehen, sobald der Parkplatz benutzt wird. Ab diesem Moment gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Ein Aushang, den die Firma Betterpark an der Zufahrt zum Parkplatz an der Lippertsreuter Straße in Überlingen installiert hat, beschreibt die Vertragsbedingungen näher, und das Schild enthält auch einen Hinweis darauf, was bei einem Verstoß blüht. Andreas Wissmann stellt das Recht des Edeka-Marktes, den Platz seinen eigenen Kunden vorzuhalten, nicht in Abrede, verlangt aber, dass die Überwachungsfirma alles dafür tut, haltlose Forderungen erst gar nicht aufkommen zu lassen.