Das Kernstück des neuen Sportzentrums in Überlingen ist die Gerätturnhalle. Mit ihrem Bau erfüllt sich für Siegbert Ruf, den man in Überlingen liebevoll Turnvater Ruf nennt, ein 30 Jahre lang gehegter Traum. Seit 1970 trainieren Siegbert Ruf und seine Frau, Maria Ruf, Turnerinnen und Turner auf Spitzenniveau. Sportliche Höhepunkte waren der Gewinn der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft in den Jahren 1989 und 1990, sowie viele Titel bei Einzelwettkämpfen.
„Einfach nicht mehr zeitgemäß.“Siegbert Ruf über die Burgbergturnhalle, die schon vor 30 Jahren den Ansprüchen der Spitzensportler nicht mehr genügte.
Trainiert wurde all‘ die Jahre in der Sporthalle der Burgbergschule. Nachteil dort: Die tonnenschweren Geräte mussten bei jedem Training erst mühevoll auf- und anschließend wieder abgebaut werden, denn die Sporthalle wurde auch für andere Sportarten und den Schulsport genutzt.
Für Auf- und Abbau alleine gingen jeweils 20 Minuten drauf, wie Roland Ruf erklärt. Aufwändige Geräte konnten nur in Ausnahmefällen aufgestellt werden. Und so verglich Siegbert Ruf den Zustand der bisherigen Sportstätte in einem Interview mit dem SÜDKURIER im Jahr 2009 mit dem eines Büros, aus dem man den Computer entfernt und eine Schreibmaschine reinstellt: „Einfach nicht mehr zeitgemäß.“
Interview mit Siegbert Ruf 2009
Dass das Interview 2009 mit dem SÜDKURIER zustande kam, war damals kein Zufall. Siegbert Ruf hatte damals wieder einmal einen Antrag auf den Bau einer Gerätturnhalle bei der Stadt gestellt – und war zum wiederholten Male gescheitert. Verwaltung und Gemeinderat zollten dem Engagement des Turnvereins zwar stets große Anerkennung, machten aber das Geld dafür nicht locker.
1989: Aus diesem Jahr datierten die ersten Überlegungen zum Bau einer Gerätturnhalle. Sie sollte das Lebenswerk von Maria und Siegbert Ruf krönen und zugleich den Turnsport in Überlingen nachhaltig auf jenem Spitzenniveau sichern.
Mittlerweile übernahm Junior Roland Ruf Verantwortung im Turnverein, erst als stellvertretender Vorsitzender und seit 2016 als Vorsitzender. Den Bau einer fest mit Turngeräten ausgestatteten Halle verfolgte Roland Ruf, wie sein Vater von Beruf Sportlehrer, hartnäckig weiter. Letztlich mit Erfolg – „nach dem siebten Antrag“, wie Siegbert Ruf sagte. Die Stadt baute ein neues Sportzentrum und integrierte darin die neue Gerätturnhalle, in der die Turngeräte nun dauerhaft stehen bleiben können. Sebastian Fritz, Sportlehrer am Gymnasium und Fachschaftsleiter Sport, drückt seine Anerkennung aus: Es sei dem nachdrücklichen Einsatz der Rufs zuzuschreiben, dass die Halle heute steht.
Sie wurde am 19. Oktober nach zweijähriger Bauzeit eröffnet. Mit einer Sportstunde von Sechstklässlern des Gymnasiums ging das neue Sportzentrum in Betrieb – coronabedingt ohne jegliche Eröffnungsfeier. Eine Dreifeldsporthalle im Untergeschoss, eine Ballsporthalle im Obergeschoss, und daneben einer Gerätturnhalle bieten fortan dem Schulsport nach jahrelanger Knappheit an Sportflächen endlich wieder genügend Raum für körperliche Ertüchtigungen. Und zugleich steht dem Turnverein eine Halle zur Verfügung, die den hohen Ansprüchen gerecht wird und den Vorsitzenden Ruf von Medaillen träumen lässt, die an frühere Erfolge anknüpfen.
Wie Sebastian Fritz betont, herrschten für den Schulsport nun „traumhafte Bedingungen“. Der weitere Hallenteil, in dem nun die Turngeräte stehen, sei nötig geworden, als bei der Entwicklung des Schulcampus Pläne auf den Tisch kamen, die einen Abriss der aktuell noch bestehenden Gymnasiumturnhalle vorsahen (an diesem Standort soll künftig das neue Gymnasium stehen). Die Synergie aus Schul- und Vereinssport habe letztlich den Ausschlag gegeben, dass sich der Gemeinderat, noch unter Leitung der früheren Oberbürgermeisterin Sabine Becker, zu den Mehrkosten für eine Gerätturnhalle durchgerungen habe.
Zudem lag das Angebot des Turnvereins, die Geräte anzuschaffen und sie dem Schulsport zur Verfügung zu stellen, auf dem Tisch. Es erleichterte dem Gemeinderat das Ja zum Bau der Gerätturnhalle. 350 000 Euro, sagt Roland Ruf, kostet die gesamte Anlage aus Barren, Reck, Trampolin, Weichbodenmatte, Schnitzelgrube und weiteren Geräten. Der Verein habe dafür Eigenmittel aufgewendet, Spenden- und Sponsorengelder eingetrieben.
Wie Sportlehrer Sebastian Fritz erläutert, könnten künftig gezielt ein qualifizierterer Sportunterricht angeboten und neue Konzepte erprobt werden. Neu ist eine Schnitzelgrube, die es bisher in Überlingen nicht gab. In ihr landen die Sportler nach einem Sprung so weich wie in einem Wasserbecken. Das macht die Kinder mutig. Fritz ist froh, dass es diesen Synergieeffekt mit dem Turnverein gibt. „Gut, dass das noch geklappt hat.“
Fritz hätte sich gewünscht, dass es eine derart enge Kooperation auch mit dem Alpenverein gegeben hätte. In den ersten Plänen unter OB Sabine Becker war geplant, direkt ans Sportzentrum eine Kletterhalle anzubauen. Das Treppenhaus und andere Infrastruktureinrichtungen sollten gemeinsam genutzt werden. Doch kippte die Stadt die Pläne unter OB Jan Zeitler. Der Alpenverein ließ sich davon nicht abhalten und plant nun den Bau einer eigenen Kletterhalle, die als Solitär in direkter Nachbarschaft zum Sportzentrum entsteht.