Als „schnellende Schnallen“ traten sie vor 25 Jahren an der Fastnacht beim Sonntagsumzug auf: Mit Hütle und Handtäschle, Kostümchen und Karbatsche versuchten die sechs Frauen gar nicht erst, den Überlinger Hänselen Konkurrenz zu machen. Sie setzten ganz auf schräg-schrille Weiblichkeit und kamen damit nicht nur beim närrischen Publikum am Straßenrand, sondern auch bei den damaligen Narreneltern Hans-Peter Fräntzki und Reiner Rammelt gut an.

„Als wir zu Beginn des Umzugs oben am Hänselebrunnen die Karbatschen aus unseren Hausfrauenporsches auspackten und anfingen zu schnellen, haben die Leute applaudiert“, erinnert sich schnellende Schnalle Conny Dierig. Das sei ein richtiger Überraschungseffekt gewesen. Der selbstbewusste Auftritt der Karbatschen schnellenden Damen kam auch in der männerdominierten Narrenzunft super an. „Die Narreneltern waren begeistert. Wir wurden im darauffolgenden Jahr am Schmotzge Dunnschtig als schnellende Schnallen sogar offiziell zum traditionellen Empfang in die Zunftstube eingeladen“, berichtet Helga Lückewille.

Helga Lückewille machte die ersten Schnellversuche mit der Kinderkarbatsche ihres Sohnes. Für den Auftritt als schnellende Schnalle und ...
Helga Lückewille machte die ersten Schnellversuche mit der Kinderkarbatsche ihres Sohnes. Für den Auftritt als schnellende Schnalle und den perfekten Knall leistete sie sich dann eine eigene Karbatsche in der richtigen Länge, mit rosa Bändel versteht sich. | Bild: Antonia Kitt

Monatelang üben die Frauen das Schnellen

Das Schnellen hatten sich die unerschrockenen Schnallen allerdings zuvor erst noch mühsam beibringen müssen. „Uns war klar, wir können das Thema nur machen, wenn wir auch richtig gut schnellen können und uns nicht blamieren“, erklärt Lückewille. In aller Heimlichkeit trainierten die Frauen deshalb schon lange vor der Fastnacht und vor dem Dreikönigstag am 6. Januar, ab dem das Schnellen allgemein erlaubt ist. In einer abgelegenen Gärtnerei schnellten sie ab November 1999 bei Nacht und Nebel zunächst mit den Karbatschen ihrer Söhne und Männer. „Wir haben uns anfangs zum Schutz mit Mützen, Skibrillen und sogar mit Rollerhelmen vermummt“, erzählt Sybille Lembcke lachend. Ziel sei es gewesen, mindestens acht Schläge in beide Richtungen zu schaffen.

Das konsequente Trainingsprogramm zahlte sich aus. Bis zur Fastnacht 2000 beherrschten die Frauen die Technik des Schnellens und ließen es – inzwischen größtenteils mit eigenen Karbatschen in der richtigen Länge ausgestattet – so richtig knallen. Brigitte Köpsel schnellte in Ermangelung einer Karbatsche ganz allefänzig mit ihrem Badvorleger. “Beim Bad putzen hatte ich gemerkt, dass es beim Ausschütteln auch einen lauten Knall gibt“, weiß sie noch genau.

Das könnte Sie auch interessieren

An den Details ihres Outfits hatten die Schnallen nebenbei natürlich auch noch kreativ gefeilt. „Die Karbatschenbändel haben wir rosa eingefärbt und Handzettel für den Umzug entworfen“, sagt Sybille Lembcke. Die zur Gruppe gehörenden Ehemänner Julius Kitt und Dietmar Köpsel bekamen die Aufgabe, auf dem Umzugsweg den Platz für die Schnellerinnen abzusichern. „Wir haben an dem Tag so oft geschnellt, dass ich am Abend mein Bierglas nur noch mühsam mit zwei Händen halten konnte“, beschreibt Lembcke die körperliche Anstrengung. „Das hat starke Oberarme gegeben“, bestätigt Monika Kitt-Schmidt.

So berichtet der SÜDKURIER am 6. März 2000 über den Sonntagsumzug. Mit Foto einer schnellenden Schnalle nahe dem Landungsplatz.
So berichtet der SÜDKURIER am 6. März 2000 über den Sonntagsumzug. Mit Foto einer schnellenden Schnalle nahe dem Landungsplatz. | Bild: Santini, Jenna

So gelang den schnellenden Schnallen im Jahr 2000 ein fulminanter närrischer Auftritt, der vielen noch lange in bester Erinnerung blieb. Mit ihrer ganz eigenen Interpretation des despektierlichen Dialektworts „Schnalle“, zur „schnellende Schnalle“ verknüpft mit dem traditionell eher Männern vorbehaltenen Brauchtum des Karbatschenschnellens, hielten sie den Hütern der häufig in stereotypen Geschlechterrollen verhafteten Narretei humorvoll den Spiegel vor.

Auch in den kommenden Jahren war die der Elternschaft des Montessori-Kindergartens entstammende Gruppe an der Fastnacht aktiv, insbesondere am Sonntagsumzug, und nahm unter anderem als „Wärmflaschen für die Kapuzinerkirche“ oder als OB-Doubles der Firma „Rent a Becker“ das Überlinger Lokalgeschehen aufs Korn.

Im Fundus von Sybille Lembcke fanden sich noch viele Fotos und Accessoires der schnellenden Schnallen. Sogar meditatives Schnellen für ...
Im Fundus von Sybille Lembcke fanden sich noch viele Fotos und Accessoires der schnellenden Schnallen. Sogar meditatives Schnellen für Hausfrauen hatten sie im Angebot. | Bild: Antonia Kitt

Neuauflage 2010 mit Jugendabteilung

2010 kam es anlässlich des Zehnjährigen zu einer Neuauflage der schnellenden Schnallen. Diesmal nahmen die Frauen mit Verstärkung durch die eigenen Töchter, also quasi mit Jugendabteilung, am Sonntagsumzug teil. Eine zunftähnliche Gruppierung entwickelte sich zwar nicht daraus, jedoch haben die Auftritte der schnellenden Schnallen sicher ein Stück dazu beigetragen, dass von weiblicher Hand ausgeführte Karbatschenschläge mittlerweile in Überlingen keine Seltenheit mehr sind. Das kann Sybille Lembcke nur bestätigen: „Wer als Mädchen oder Frau schnellen will, kann das doch mittlerweile einfach tun – auch beim Einschnellen – und ganz ohne bestaunt zu werden.“

Sybille Lembcke als schnellende Schnalle und heute.
Sybille Lembcke als schnellende Schnalle und heute. | Bild: Antonia Kitt

Die Autorin des Artikels nahm selbst als schnellende Schnalle an den Sonntagsumzügen im Jahr 2000 und 2010 teil.