Ein Mann läuft in der Franziskanerkirche umher. Er ist schlank, trägt ein weißes Hemd und eine beige Jeans. Mit einer Flasche sprüht er wahllos um sich. Er überschreitet dort wohl die Lichtschranke einer Alarmanlage, die den Besucherbereich vom Altar trennt. Diese ungewöhnliche Szene ereignete sich am Vormittag des 12. August. Bezeugt von einem Video, das einen Tag nach dem Vorfall in den sozialen Netzwerken kursierte.
Ein 48-jähriger Mann erklärte sich bei der Aktion selbst zum Propheten. Der Vorfall löste nicht nur einen Polizeieinsatz aus, sondern auch viele Fragen. Laut Polizeiangaben habe er damit die Kirche segnen wollen. Nachdem er die Franziskanerkirche verließ, zog er weiter in Richtung Innenstadt, wo er schließlich am Überlinger Münster von Beamten gestoppt wurde, die von Zeugen alarmiert worden waren. Stadtpfarrer Bernd Walter und Kirchenmitarbeiterin Renate Engesser schildern, wie sie das Geschehen erlebten.
Stadtpfarrer wird Zeuge bei Polizeigespräch
Walter, der die römisch-katholische Kirchengemeinde der Stadt leitet, erlebte den Einsatz nur am Rande mit. Als er gegen 11.30 Uhr am Münsterplatz ankam, standen dort zwei Polizeifahrzeuge. „Das sah aus wie bei James Bond“, kommentiert er scherzhaft. „Mit Ohrstöpsel und Weste.“ Die Beamten seien dabei gewesen, sich mit dem Mann zu unterhalten, der sich als Prophet ausgab. „Ich misch‘ mich da nicht ein, ich geh in mein Büro“, habe Walter sich gedacht.
Auch Renate Engesser, die sich um die Pflege der Franziskanerkirche kümmert, bemerkte den Vorfall kurz vor Mittag. „Zwei Türen standen offen und die Polizei war da – ich habe mich gefragt, was hier los ist“, erinnert sie sich. Zu diesem Zeitpunkt war der selbsternannte Prophet jedoch schon auf dem Weg zum Münster.
Keine Schäden an der Kirche
Mitarbeiter einer Konstanzer Firma, die zu der Zeit des Vorfalls ein Klavier aus der Franziskanerkirche abholten, hatten den Mann gefilmt und die Polizei alarmiert, berichtet Engesser weiter. Sie selbst schaltete die ohrenbetäubende Alarmanlage ab und überprüfte die Kirche auf mögliche Schäden durch das Wasser. „Wir haben nichts gefunden“, gibt sie Entwarnung.
Pfarrer Walter kennt jedoch andere Fälle von seiner vorigen Wirkungsstätte, die nicht so glimpflich ausgingen. „Schlimm ist es dann, wenn sie etwas kaputt machen“, so Walter. „Einmal hat jemand in einer Kirche in Pforzheim mit einem Feuerlöscher großen Schaden angerichtet“, berichtet er. Solche Zwischenfälle seien jedoch selten.

Geschichte zieht weite Kreise
Die skurrile Aktion sorgte nicht nur lokal für Aufsehen. Sogar in Pforzheim, der ehemaligen Heimat des Pfarrers, schaffte es die Geschichte in die Zeitung. „Ein Gemeindemitglied hat mir ein Foto des Artikels geschickt“, erzählt Walter. Dort wurde über den „Auftrag von oben“ berichtet, mit dem der 48-Jährige unterwegs gewesen sein soll.
Dass Menschen mit ungewöhnlichen Anliegen in die Kirche kommen, ist für den Pfarrer nicht neu. „Das gibt es immer mal wieder“, sagt er, „so ist der Mensch.“ Auch erinnert er sich an einen Mann, der von einem Dämon besessen zu sein glaubte und um einen Exorzismus bat. „Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht darf“, so Walter. Stattdessen habe er eine Segnung vorgenommen.
Was macht einen Propheten aus?
Die Frage, ob er denn einen echten Propheten erkennen würde, beantwortet Walter differenziert: „Propheten gibt es viele“, sagt er. Laut Walter muss man aber zunächst fragen: Was ist ein Prophet? Man erkenne ihn nicht am Aussehen, sondern müsse ihn genau prüfen.“
Walter betont, dass es wichtig sei, Menschen ernst zu nehmen und nicht vorschnell zu urteilen. Gleichzeitig verweist er auf die Bibel: „Die Offenbarung ist mit dem letzten Apostel abgeschlossen. Deshalb muss man bei solchen Behauptungen vorsichtig sein.“ Für den Stadtpfarrer sind es hingegen eher die kleinen Wunder im Alltag, die zählen: etwa ein gutes Gespräch oder ein gemeinsames Essen.

Polizei untersagt weitere Segnungen
Für den selbsternannten Propheten ging die Aktion ähnlich glimpflich aus wie für die Franziskanerkirche. Nachdem die Beamten den 48-Jährigen am Münster kontrolliert hatten, untersagten sie ihm weitere Segnungen. Im Wiederholungsfall drohten sie ihm Gewahrsam an. Ob der Vorfall auf gesundheitliche Probleme zurückzuführen ist, blieb unklar. Für Bernd Walter und Renate Engesser bleibt er wohl ein Ereignis, das sie mit einem Augenzwinkern betrachten können.