Steuer hat zwei Bedeutungen: Zum einen ist es ein Betrag fürs öffentlich-rechtliche Gemeinwesen, zum anderen ein Lenkrad – man denke an das Schiffssteuer. Eine Zweitwohnungssteuer vereint beide Eigenschaften. In Überlingen müssen Zweitwohnungseigentümer 35 Prozent der Jahresnettokaltmiete entrichten. Bei 10.000 Euro Mietkosten würden also zusätzlich 3500 Euro Zweitwohnungssteuer anfallen.
Auch wenn die dadurch eingenommenen Beträge der Stadtkasse zugutekommen, versteht die Stadt die Gebühr in erster Linie als Lenkungsinstrument in einem hochpreisigen Wohnungsmarkt mit Nachfrageüberhang, schreibt die Verwaltung auf Anfrage des SÜDKURIER.
Um diesen Lenkungseffekt zu verstärken, wurde der zu entrichtende Betrag Anfang des Jahres von 28 auf 35 Prozent angehoben. Während es 2020 noch 634 Zweitwohnungen in Überlingen und seinen Ortsteilen gab, sind es in diesem Jahr 718. Verfehlt die Steuer also den angestrebten Lenkungseffekt?
Zweitwohnungssteuer greift in vielen Orten
Nein, sagt Winfried Kropp, Vorsitzender des Mieterbundes Bodensee. „In allen Städten und Gemeinden, die touristisch geprägt sind, haben wir das Problem, dass Touristen die Bürger verdrängen“, schildert Kropp. Dementsprechend setzen neben Überlingen unter anderem auch Konstanz, Radolfzell, Bodman-Ludwigshafen, Markdorf oder Friedrichshafen auf eine Zweitwohnungssteuer. Dass ab 2025 beispielsweise Singen dasselbe Werkzeug einsetzen will, zeige, dass die Kommunen darauf vertrauen.
Einnahmen in Millionenhöhe
Die Zunahme der Zweitwohnungen in Überlingen zeigt sich auch in der Stadtkasse: Im Jahr 2023 hat die Stadt Überlingen 1,63 Millionen Euro durch die Zweitwohnungssteuer eingenommen. Für das Jahr 2024 geht die Stadt Überlingen von 2,04 Millionen Euro aus. Mit der Steuersatzanhebung entsprechen die Mehreinnahmen also etwa 410.000 Euro.
Negative Effekte des Tourismus
Winfried Kropp vom Mieterbund fasst zusammen, dass Zweitwohnungen in der Regel von wohlhabenderen Personen gemietet werden. Denn was „hochpreisiger Wohnungsmarkt“ bedeutet, zeigt der Marktreport 2024/2025 des Immobilienunternehmens Engel & Völkers. Demnach stieg der Quadratmeterpreis in Lagen in Seenähe allein zwischen 2023 und 2024 von 6800 bis 9500 Euro auf 7650 bis 10.000 Euro pro Quadratmeter. Prognose: steigend.
Weil Zweitwohnungen oft Eigentumswohnungen sind, stehen sie dem lokalen Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung. „Wird der Wohnraum als Ferienwohnungen angeboten, wird er wenigstens genutzt“, sagt Kropp. Da während der Ferienzeit für die Dauer von zehn Tagen die Miete von 30 Tagen verlangt wird, führen ihm zufolge auch Kurzzeitvermietungen zu Preissteigerungseffekten, erläutert der Spezialist. „Auf diese Weise werden Mieter verdrängt, die nicht zurückkommen“, sagt Kropp. Neben einem Verdrängungseffekt beobachtet Kropp außerdem einen sichtbaren Effekt: „In den Wintermonaten gleicht Überlingen mit seinen heruntergelassenen Jalousien an manchen Stellen einer Geisterstadt.“

Über fünf Prozent sind Zweitwohnsitze
Laut Statistischem Landesamt stehen in Überlingen, Stand Dezember 2023, 5277 Wohngebäude, die insgesamt Platz für 13.115 Wohnungen bieten. Die 718 Nebenwohnsitze entsprechen also etwa 5,4 Prozent des Gesamtwohnraums in Überlingen.
„Das Halten einer Zweitwohnung darf durch die Steuer nicht gänzlich wirtschaftlich unmöglich gemacht werden“, erklärt die Stadtverwaltung. Die Gefahr bestehe bei 35 Prozent noch nicht, ergänzt die Stadt und verweist auf ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg. Da eine „Erdrosselung“ nicht erkennbar sei, wurde die Steuer Anfang des Jahres von 28 auf eben diese 35 Prozent erhöht.
Kaum Einfluss auf Verkäufe
Auf Wohnungsverkäufe hat das laut Richard Jennewein, Geschäftsführer der Engel & Völkers Niederlassungen am westlichen Bodensee, nur marginal Einfluss. Aus den vergangenen zehn Jahren sei ihm in Überlingen kein Fall bekannt, wo aufgrund der Zweitwohnungssteuer von einem Kauf zurückgetreten worden sei, anders sei das in Konstanz, wo es deshalb schon zu Kaufrücktritten gekommen sei, berichtet Jennewein. Grundsätzlich hält er die Zweitwohnungssteuer für „nicht unvernünftig“.
Zur Auswirkung der Steuererhöhung könne zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch keine finale Aussage getroffen werden, sagt Winfried Kropp. Effekte zeichnen sich demnach erst in zwei, drei Jahren ab.