Ein Waldweg, ein Wassergraben, dahinter ein urwaldartiges Gelände: In dieses Stück Wald am Stadtrand von Überlingen kommt selten ein Besucher, vielleicht auch jahrelang gar niemand. Selbst Jäger halten sich hier raus, wodurch Rehe und Füchse einen Rückzugsort erhalten. An diesem einsamen Ort wurde am Sonntag, 19. November, eine Leiche gefunden, die hier wohl schon seit Jahren gelegen hat. Die Beschreibung dieses unzugänglichen Umfeldes ist, nach jetzigem Kenntnisstand, auch die Erklärung dafür, dass die Leiche über so viele Jahre unentdeckt blieb.

Blick auf die Gruppe an Fichten, unter denen ein Mann sein Lager eingerichtet hat.
Blick auf die Gruppe an Fichten, unter denen ein Mann sein Lager eingerichtet hat. | Bild: Hilser, Stefan

Allerdings war dem Jagdpächter das Zelt seit Längerem bekannt. Wie Markus Gorber, in dessen Revier die „Mooswiesen“ liegen, dem SÜDKURIER berichtete, sei ihm die Hütte früher schon einmal aufgefallen und er habe sie mit der Polizei besichtigt. Wann genau das war, könne er nicht mehr sagen.

Wie kommt die Kripo auf das Sterbedatum 2019?

Den Funden am Lagerplatz nach zu urteilen könnte der Tod des Mannes bereits 2019 eingetreten sein. Darauf deuten Zeitungsausschnitte hin, oder das Mindesthaltbarkeitsdatum auf dem Deckel eines Joghurtbechers. Unter der Notiz „letztes Lebenszeichen“ vermerkte die Kripo einen Tag im September 2019. Gorber sagte, dass er nach Lektüre des ersten SÜDKURIER-Berichts intensiv über den Fall nachgedacht habe und sich frage, wann er die Stelle gemeinsam mit der Polizei inspizierte. Er könne es aber an keinem Datum festmachen.

Warum besichtigten Jäger und Polizei die Hütte?

In der Annahme, dass es sich um ein Lager von Diebesgut handeln könnte, habe er die Polizei informiert und den Platz gemeinsam mit zwei Beamten in Augenschein genommen, berichtete Jagdpächter Markus Gorber. Dabei sei ihnen nichts Besonderes aufgefallen. Als er jetzt die Bilder im Zeitungsbericht sah, habe sich der Platz optisch noch im gleichen Zustand befunden wie damals, als er ihn mit der Polizei inspizierte.

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Als Kripobeamte nach Auffinden der Leiche am 19. November Spuren sicherten und zu diesem Zweck die Plane der Behausung abnahmen, kamen Blecheimer mit Aufdruck „Lack“ ans Licht, sowie Batterien und eine 6-Kilo-Propangasflasche zum Betrieb eines Kochers. Solche für die Umwelt gefährlichen Stoffe lässt man nicht einfach im Wald liegen. Dazu Markus Gorber: „Ich kann ziemlich sicher sagen, dass damals weder die Lackbehälter, noch die Gasflasche da waren. Wie Sie wissen, bin ich ja selber bei der Feuerwehr – das wäre mir aufgefallen.“

Bücher, Kocher, Propangasflasche: Das kam zum Vorschein, nachdem die Kripo die Zeltplane abgehoben hat.
Bücher, Kocher, Propangasflasche: Das kam zum Vorschein, nachdem die Kripo die Zeltplane abgehoben hat. | Bild: Hilser, Stefan

Was sagt die Obduktion zur Todesursache?

Bislang geht die Polizei davon aus, dass der Tod etwa im Herbst 2019 eingetreten ist. Das schließt sie aus den Spuren am Tatort. Was den Verwesungsgrad anbelangt, könnte das Todesdatum auch jüngeren Datums sein. Die Obduktion habe jedenfalls keinerlei Hinweise auf ein Gewaltverbrechen ergeben. Wobei der Grad der Verwesung eine eingehende Untersuchung schwierig mache und eine Todesursache bislang nicht festgestellt werden konnte, so ein Polizeisprecher.

Warum hat Gorber den Platz nicht mehr beachtet?

Vorausgesetzt, das Sterbedatum liegt tatsächlich bereits vier Jahre zurück, und unterstellt, dass beim Inspizieren der Hütte durch Jäger und Polizei keine Leiche übersehen wurde, stellt sich die Frage, warum Markus Gorber die Hütte über Jahre hinweg nicht mehr beachtete. Er erklärt es damit, dass er in diesem Bereich die Jagd auf ein Minimum reduziert habe, um dem Wild ein Rückzugsgebiet im Sinne einer Wildruhezone zu schaffen. „Dementsprechend haben ich und meine Mitjäger dieses Gebiet kaum mehr betreten.“ Eine solche Ruhezone sei nötig. Es dürfe jeder den Wald hier betreten, einzelne Besuche seien auch kein Problem. In Summe setze das Freizeitverhalten vieler Bürger das Wild aber „nahezu von Sonnenaufgang bis weit nach Sonnenuntergang unter Druck“. So sei er selbst selten dort gewesen, und die Hütte habe für ihn keine Rolle mehr gespielt, teilte Gorber mit. „Außerdem wollte ich dem armen Menschen, der hier vielleicht noch hauste, nicht auch noch die Hütte nehmen, und das Wenige, das er besaß.“

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Kennt die Polizei das Datum ihres Besuchs?

Spannend wäre es zu erfahren, was in den Unterlagen der Polizei zu finden ist. Die Antwort dazu ist ernüchternd, nämlich nichts. Zugleich ist aber auch das ein Hinweis darauf, dass die Inspizierung der Hütte längere Zeit zurückliegt. Die Pressestelle des Polizeipräsidiums Ravensburg teilte Folgendes mit: „Uns macht hier der Datenschutz einen Strich durch die Rechnung. Weil offenbar kein strafrechtlich relevantes Ereignis vorlag, wurde es in unseren Systemen offenbar bereits fristgerecht gelöscht. Kolleginnen und Kollegen, denen der Sachverhalt bekannt ist, konnten wir nicht finden.“