Noch nie war die Bewerbung um einen Ausbildungsplatz so einfach. „Man kann uns auch bei Instagram schreiben“, sagt Felix Auner. Er ist als dualer Student selbst noch in der Ausbildung bei der Bäckerei Baader und findet diese unkomplizierte Kontaktaufnahme zielführender als die klassische Bewerbungsmappe. Auner betreut den Stand der Traditionsbäckerei bei der Berufsmesse des Linzgau Kinder- und Jugendheims. Heute ist Handwerkertag. Wer eine Lehre als Bäcker, Konditor oder Fachverkäufer absolvieren möchte, könne gerne auch einfach anrufen, so Auner weiter. Niederschwellig nennen die Fachleute diese Vorgehensweise.

Felix Auner von der Bäckerei Baader wirbt für die Ausbildungsberufe Bäcker, Konditor und Fachverkäufer.
Felix Auner von der Bäckerei Baader wirbt für die Ausbildungsberufe Bäcker, Konditor und Fachverkäufer. | Bild: Sabine Busse

Genau darum geht es bei der zehnten Auflage der Berufsmesse. Nach zwei Jahren Pause hat Christine Detmer, die das Projekt beim Fachdienst für Berufsintegrationshilfe der Linzgau Kinder- und Jugendhilfe übernommen hat, die Berufsmesse nach Salem verlegt und auf drei Tage verteilt. Hier haben Aussteller und Schüler mehr Platz für die Kontaktaufnahme und einiges kann draußen stattfinden.

Angebot für Schüler mit Förderbedarf

Nach dem Handwerkertag standen der Groß- und Einzelhandel und schließlich das Dienstleistungsgewerbe auf dem Programm. „Den zweiten Tag müssen wir ausfallen lassen, weil die Betriebe gerade zu hohe Krankenstände haben, um sich hier zu präsentieren“, bedauert Christine Detmer. Corona macht ihr immer noch einen Strich durch die Rechnung. Auch der Zeitpunkt im Sommer sei für die Schulen eigentlich nicht ideal, aber sie wollte nicht bis zum Herbst warten und dann vielleicht wieder alles absagen müssen. Zu wichtig sei die Gelegenheit für die jungen Menschen, sich über Ausbildungsberufe informieren zu können. „Das Angebot richtet sich vor allem an Schüler mit Förderbedarf und dem Ziel Hauptschulabschluss“, so Detmer. Auch für Jugendliche, die lediglich ein berufsvorbereitendes Jahr vorzuweisen hätten und nicht für die klassische duale Ausbildung qualifiziert seien, gebe es Möglichkeiten.

Fachpraktiker, eine praxisbezogene Lehre

Lebendes Beispiel dafür ist Omar Ashour. Der 18-Jährige kam als Flüchtling mit seiner Familie aus Syrien nach Deutschland und musste erst einmal die Sprache lernen. Zurzeit absolviert er ein Vorbereitungsjahr Arbeit und Beruf und gleichzeitig ein Dauerpraktikum bei einem Kfz-Betrieb. „Ich liebe Autos seit ich acht bin“, lautet seine Antwort auf die Frage, warum er sich für den Beruf des Mechatronikers interessiert. Zwei Tage in der Woche ist er im Betrieb, wechselt Flüssigkeiten, Filter oder Leuchtmittel. „Autos darf ich auch waschen“, sagt Omar lachend. Die Arbeit mache ihm Spaß und im Unternehmen komme er gut zurecht. „Alle mögen mich!“ Noch reichen seine Qualifikationen nicht für die klassische Ausbildung bestehend aus Praxis und Berufsschule. Aber bald will er als Fachpraktiker weitermachen, eine praxisbezogene Lehre für Leute mit einer Behinderung oder emotionalen oder sozialen Beeinträchtigungen.

Christine Detmer hat die Berufsmesse organisiert und aus Platzgründen nach Salem verlegt. Omar Ashour, Schüler der ...
Christine Detmer hat die Berufsmesse organisiert und aus Platzgründen nach Salem verlegt. Omar Ashour, Schüler der Janusz-Korczak-Schule, unterstützt sie und gibt Jugendlichen Auskunft über seinen Werdegang. | Bild: Sabine Busse
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Omar wird seinen Weg machen. Er spricht gut Deutsch, die Arbeit macht ihm Spaß und er hat Unterstützer bei der Linzgau Kinder- und Jugendhilfe. Aber nicht nur die Jugendlichen brauchen Hilfe. Viele Handwerksbetriebe suchen derzeit händeringend Nachwuchs. Wie das Unternehmen Bodensee Baumaschinen. Geschäftsleiter Raphael Schmidtjansen hat zur Berufsmesse zwei junge Mitarbeiter mitgebracht, die den Jugendlichen den Beruf des Landmaschinen-Mechatronikers näher bringen wollen. „In dem Beruf muss man noch richtig reparieren können und fährt oft raus zu den Kunden. Das ist viel abwechslungsreicher als im Kfz-Bereich“, wirbt Schmidtjansen. Wer sich das einmal ansehen wolle, könne das gerne als Praktikant oder Ferienjobber probieren.

Bei der Reparatur von Landmaschinen kommt großes Werkzeug zum Einsatz. Das demonstrieren Nico Specker, Raphael Schmidtjansen und Paul ...
Bei der Reparatur von Landmaschinen kommt großes Werkzeug zum Einsatz. Das demonstrieren Nico Specker, Raphael Schmidtjansen und Paul Trotter vom Unternehmen Bodensee Baumaschinen (von links). | Bild: Sabine Busse

Werben um Azubis in den sozialen Medien

Einen besonderen Anreiz ihren Stand zu besuchen hat sich das Team von HSM, dem Spezialisten für Aktenvernichtung und Verpackung, ausgedacht. Die Jugendlichen dürfen schätzen, wie viele DIN A4-Blätter in geschredderter Form in eine Plastikbox passen. Da es kleine Preise zu gewinnen gibt, bleiben viele stehen und kommen so mit Personalmanagerin Sabrina Gaugel ins Gespräch. Sie berichtet, dass sie ihre Ausbildungsplätze als Industriemechaniker auch in den sozialen Medien bewerben, auf Berufsmessen gehen und Praktika anbieten. Warum sich nur wenige Jugendliche für einen Handwerksberuf interessieren, kann auch sie nur mutmaßen. „Ich glaube viele wollen lieber einen Bürojob und sich die Hände nicht schmutzig machen.“ Auf Paul Pierschel, der den Beruf des Elektronikers für Betriebstechnik bei HSM erlernt, trifft das nicht zu. „Ich wollte immer etwas Handwerkliches machen und bin sehr zufrieden mit der Wahl“, sagt er. „Man sieht am Ende des Tages, was man geschafft hat.“

Paul Pierschel, Sabrina Gaugel, Lars Reichmann und Mujtaba Jafari stellten die Ausbildungsberufe bei HSM vor (von links).
Paul Pierschel, Sabrina Gaugel, Lars Reichmann und Mujtaba Jafari stellten die Ausbildungsberufe bei HSM vor (von links). | Bild: Sabine Busse

Ausbilder betonen Vielseitigkeit der Aufgaben

So geht es auch Jörg Kandirsky. Er arbeitet bei der Straßenmeisterei des Bodenseekreises und hat heute das größte Ausstellungsstück mitgebracht. Der Mähzug, wie der mit einem speziellen Werkzeug ausgestattete Lastwagen heißt, steht auf dem Hof und kommt gut an. Die Jugendlichen klettern gerne in die Fahrerkabine, einige dürfen auch mal auf die Hupe drücken. „Im Sommer ist das ein Mähzug, im Winter kommt er für den Straßendienst zum Einsatz“, erklärt Kandirsky. „In Überlingen haben wir 230 Kilometer Straße zu betreuen.“ Bei der Straßenmeisterei machten die Azubis nicht nur den Lastwagen-Führerschein, so Kandirsky, sie lernten auch Gehölze zu schneiden oder Pflasterarbeiten durchzuführen. „Das ist vielseitig und abwechslungsreich“, sagt Jörg Kandirsky und betont, wie wichtig diese Aufgaben sind. „Ohne uns läuft nichts!“ Das leuchtet sogar Autofahrern ein, die sich manchmal über die orangenen Hindernisse auf der Straße ärgern.

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