Freunde der Rengo-Vorzugsmilch haben es längst mitbekommen: Im Oktober wurden die letzten Flaschen der überregional bekannten Milch von Schweizer-Braunvieh-Kühen verkauft. Seither bleiben die Regale auf dem Hofgut Rengoldshausen leer, die Milch wird vom Milchwagen abgeholt und geht zusammen mit der anderer Biohöfe an Molkereien.
Der Grund: Mechthild Knösel, langjährige Betriebsleiterin Milchvieh auf dem Rengo-Hof, und ihr Mann Markus, Betriebsleiter Landwirtschaft, hatten das Hofgut im Herbst verlassen. Die Genehmigung zur Produktion von Vorzugsmilch sei nicht nur an den Hof, sondern auch die verantwortlichen Personen gebunden, erklärt Rengo-Altbauer Walter Sorms. Er hatte vor gut 20 Jahren die Rinderherde mit rund 150 Tieren an seine Nachfolgerin Knösel übergeben. Deren jetzigen Weggang empfindet er denn auch als „Tragödie“.
Herde zu groß, zu viele Schlachtungen
Wie es dazu kommen konnte, scheint vielschichtige Gründe zu haben. Vor etwa einem Jahr sei „das Ganze ins Stocken“ geraten, formuliert es Sorms. Zum einen sei die Herde zu groß geworden. Der Stall sei für 50 bis 60 Kühle gebaut, dazu rund 100 Kälber. Auch die verfügbaren Weiden müssten zum Viehbestand passen. „Für jedes Kälbchen muss ein Tier gehen“, sagt Sorms. Das habe zuletzt aber nicht mehr recht funktioniert. Und so wurden nach Knösels Weggang rund 50 Bullen und Altkühe geschlachtet.
Ökologische Tierhaltung war kaum wirtschaftlich
Eine Rolle könnte auch die fehlende Wirtschaftlichkeit gespielt haben. Bislang mussten die Bereiche Gartenbau und Landwirtschaft die Viehzucht subventionieren. Das sei zwar „im Prinzip nicht schlimm“, so Sorms, denn man halte die Viehherde „ja nicht in erster Linie zum Geldverdienen“. Dennoch müssten Milch und Fleisch vom Rengo eigentlich teurer sein, damit sich der Aufwand der anspruchsvollen ökologischen Tierhaltung lohnt. Die Frage, wie wirtschaftliche Preise erzielt werden könnten, schien ein Dauerthema zu sein. „Wir werden da etwas ändern“, sagt Sorms, denn es sei „kein Dogma, dass sich die Viehzucht nicht trägt“.
Neue Viehbauern sollen im März kommen
Eine Idee, die schon länger diskutiert wird, ist Hofmilch aus dem Automaten. Denn dann fielen viele der Vorschriften und Prüfungen für die in Flaschen verkaufte Vorzugsmilch weg. Doch darüber sollen die künftigen Pächter entscheiden, die in Eigenverantwortung die Herde übernehmen werden. „Da wollen wir nicht reinreden“, sagt Sorms. Die neuen Viehbauern sollen im März kommen. Dann dürfte sich auch zeigen, in welcher Form es künftig wieder Rengo-Milch geben wird.
Eines scheint jedoch klar: Die Rinderherde, deren Betreuung in der Zwischenzeit ein befreundeter Landwirt aus Norddeutschland übernommen hat, gehört ebenso zum Hof wie Chicorée, Kartoffeln, Möhren oder Rote Beete. „Ohne Stall könnte der Pflanzenbau niemals so erfolgreich sein“, ist Sorms überzeugt. Denn die gesamte Landwirtschaft sei in einem geschlossenen ökologischen Kreislauf zu betrachten, in welchem das durch die Kühe verdaute Weidegras zu wertvollem Dünger fürs Gemüse werde. „Kollegen, die ohne Tiere wirtschaften, blicken da immer wieder neidisch auf uns.“
Die Rengo-Kühe: eine besondere Herde
Üblicherweise kalbt jede Kuh einmal pro Jahr. Auf dem Rengo-Hof werden rund 15 Prozent der Kälber in die Herde aufgenommen, die übrigen als Zuchtbullen oder Schlachttiere verkauft. Einen Namen gemacht hat sich der Demeter-Hof durch die muttergebundene Kälberaufzucht, die auch künftig so weitergeführt werden soll. Mutter und Kalb stehen dabei die ersten Monate gemeinsam auf der Weide. Lange gekämpft hatte man zudem für die mobile Hofschlachtung, welche den Tieren das Transportleid erspart. Nur wenige Höfe in Deutschland füllen noch Vorzugsmilch ab, hier gelten strenge Hygienevorschriften. Eine Besonderheit der Schweizer-Braunvieh-Rasse ist zudem der hohe Anteil des Beta-Caseins A2 in der Milch. Sie soll dadurch bekömmlicher sein.