Gerade steht das Rind noch im Stall, am nächsten Tag liegt es als Steak auf dem Teller. Dazwischen steht unweigerlich der Tod. Damit dieser Tod für das Tier möglichst stressfrei ist, setzt Mechthild Knösel vom Hofgut Rengoldshausen auf die Hofschlachtung. Damit leistet sie ihr Möglichstes im Sinne des Tierwohls, sagt die „Kuhfrau“, wie sie sich selbst gern bezeichnet. Sie ist überzeugt, dass ein Rind, das ohne Stress getötet wird, besseres Fleisch liefert, weil sich darin weniger Stresshormone befinden.
Nach fünf Jahren Einsatz darf auf dem Hofgut jetzt geschlachtet werden
Mechthild Knösel ist seit 2006 für die Rinder auf dem Hofgut Rengoldshausen verantwortlich. Seit fünf Jahren setzte sie sich dafür ein, dass die Hofschlachtung auf dem Hofgut bei Überlingen genehmigt wird. Seit Februar 2021 wird nun alle zwei Wochen geschlachtet, Tendenz steigend. Während der Sommermonate holt die Kuhfrau das Tier, das geschlachtet werden soll, von der Weide. Einen Tag vor der Schlachtung steht es inmitten seiner Artgenossen, eines Teils der Herde, am Futterplatz im Offenstall. Der Schlachtanhänger, ein Prototyp der Firma Uria, gebaut nach den Wünschen des Hofguts, steht in Sichtweite, um das Tier daran zu gewöhnen.

Das Rind stirbt inmitten seiner Artgenossen
Am Folgetag wird das Schlachttier fixiert, während es zwischen seinen Artgenossen steht. Mechthild Knösel geht in der kleinen Herde auf das betreffende Tier zu und setzt ihm einen Bolzenschuss in die Stirn. Der Tod kommt für das Tier überraschend und schnell. Das Rind ist durch die Zerstörung des Gehirns betäubt, wie hirntot. Dann geht alles sehr schnell. Nur 60 Sekunden Zeit hat die Bäuerin, um das Rind in den Schlachtanhänger zu ziehen. Hier folgt ein Schnitt in die Brust, um den Tod doppelt abzusichern und das Tier auszubluten. Danach geht es zum Schlachthof der Fairfleisch-Initiative Überlingen. Der Schlachtanhänger ist mobiler Teil von Fairfleisch, die sich für artgerechte Haltung der Tiere und einen ethischen Tod einsetzen.
Trotz kurzem Weg zum Schlachthof ist die Hofschlachtung stressfreier
Der Weg zum Überlinger Fairfleisch-Schlachthof ist für Schlachttiere aus der Region zwar relativ kurz. Vom Hofgut aus gesehen sind es etwa 15 Minuten. Und im Schlachthof werden die Tiere mit der identischen Methode wie auf dem Hofgut getötet. Dennoch sei die Hofschlachtung sehr viel stressfreier, da dem Tier Transport und Aufenthalt im Schlachthof erspart bleibe, also in ungewohnter Umgebung und unter Tieren, die ebenfalls den Tod erwarten, erklärt Mechthild Knösel.

Eigenhändiges Töten ihrer Tiere kostete sie große Überwindung
Emotional, nicht sentimental nennt die Kuhfrau die Verbindung zu ihren Tieren. Sie erklärt: „Ich bedanke mich bei dem Tier, sage ihm, was passiert, und verabschiede mich vor dem Todesschuss von ihm, denn das Töten des Tieres ist ein sehr intimer Prozess. Damit ist dann allerdings auch für mich die Bindung erloschen.“ Es ist für sie von elementarer Bedeutung, ihre Tiere selbst zu töten. „Ich will es meinem Tier nicht zumuten, mich im letzten Moment zu verkrümeln. Auch eine fremde Person, die es dann tötet, bedeutet für mein Tier Stress.“ Das eigenhändige Töten ihrer Tiere sei für sie eine große Überwindung gewesen. Die habe sie nur in der Gewissheit bewältigen können, dadurch viel zum Tierwohl ihrer Rinder beizutragen.
Weideschlachtung auf dem Hofgut nicht möglich
Noch viel besser wäre es, die Rinder, wenn möglich, direkt auf der Weide zu töten, sagt Mechthild Knösel. Aber hier weiche Deutschland vom geltenden EU-Recht für eine Weideschlachtung ab – was Knösel für fragwürdig hält. In den Staaten der EU sei der Kugelschuss auf der Weide ganzjährig erlaubt, in Deutschland nicht. Hier dürfe der Kugelschuss nur dann eingesetzt werden, wenn die Herde ganzjährig im Freien gehalten werde. Die Herde von Mechthild Knösel steht acht Monate im Jahr draußen. „Eine absurde Regelung, da in unseren Breitengraden eine ganzjährige Weidehaltung unmöglich ist“, sagt Knösel dazu.
Geschlachtet werden die zweijährigen heranwachsenden Kälber
Bei der Hofschlachtung gehe es ihr in erster Linie um das Tierwohl, erst in zweiter Linie um die Fleischqualität, erklärt sie. Kühe, und damit meint sie die Milchkühe, die auf dem Demeter-Hofgut bis zu 14 Jahre alt sind, werden selten geschlachtet, Kälber gar nicht. Eine Kuh kalbt einmal im Jahr, damit sie Milch gibt. Kuh und Kalb stehen in Rengoldshausen gemeinsam auf der Weide. Die Kühe geben ihre Milch an ihre Kälber ab. Nach zwei Jahren werden dann die gemästeten Färsen, wie die weiblichen Tiere genannt werden, oder Bullen geschlachtet. Die Herde von Mechthild Knösel umfasst insgesamt rund 150 Tiere. Bei einem Demeter-Betrieb wie dem Hofgut Rengoldshausen müsse der Tierbestand in einem ausgewogenen Verhältnis zum Futter aus dem Eigenanbau und dem abgegebenen Dung für die Düngung der eigenen Felder bestehen. „Die heranwachsenden Kälber sind als Zweijährige zum Schlachten bestimmt, sonst hätten wir bald viel zu viele Tiere“, erklärt die Kuhfrau.

Studie soll bessere Fleischqualität durch Hofschlachtung nachweisen
Das Hofgut Rengoldshausen hat beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) eine Studie in Auftrag gegeben, die eine deutlich verbesserte Fleischqualität durch stressfreie Hofschlachtung zweifelsfrei nachweisen will. „Ein gestresstes Tier lässt den Stress im Fleisch. Wir machen eine Studie mit Blutproben und rechnen Anfang 2022 mit den Ergebnissen“, erklärt Knösel. „Die Hofschlachtung ist ein regionales Projekt, unser Ziel ist es, dass auch andere Landwirte in der Region unsere Erkenntnisse nutzen können.“
Fleisch kommt beim Verbraucher trotz höherer Preise an
Natürlich schlage sich die aufwendigere Schlachtmethode auch auf den Fleisch-Preis nieder, sagt Mechthild Knösel. Aber auch der Fleischkonsum der Menschen ändere sich: „Weniger Fleisch in höherer Qualität kommt an, wir haben keine Absatzprobleme“, erklärt sie. Vertrieben wird das Fleisch aus der Hofschlachtung im eigenen Hofladen und über die „Grüne Kiste“, einem hofeigenen Liefersystem für Bioprodukte.