Überlingen – „Ich liebe Kühe“, sagt Mechthild Knösel – aber ohne Sentimentalität und verniedlichenden Schnickschnack. Ein Resultat dieser Tierliebe ist auch eine bessere Milch, davon ist die „Kuhfrau“, wie sie auf dem Hofgut Rengoldshausen respekt- und liebevoll genannt wird, fest überzeugt. „Wir erzeugen hier Milch und Fleisch aus reiner Grasfütterung, ohne Zugabe von Kraftfutter wie beispielsweise Getreide, Mais und Soja“, erklärt Knösel. Die Tiere gehen auf die Weide und grasen und geben dann ihre Milch im Offenstall – „das ist für mich der optimale, weil der natürliche Kreislauf“. Die sogenannte Vorzugsmilch werde ständig und streng kontrolliert, da sie unbehandelt und nicht erhitzt ist. „So ist nichts Schlechtes drin und es bleibt alles drin, was gut ist“, sagt die Landwirtin. „Unsere Milch schmeckt nach Milch und das ist erst mal ungewohnt und ein Unterschied zu ultrahocherhitzter und homogenisierter Milch, die wir aus dem Supermarkt kennen.“

Drei der Mastbullen beim Vertilgen des frischen Grünfutters im offenen Stall. Die Kühe werden in Rengoldshausen ausschließlich mit Gras ...
Drei der Mastbullen beim Vertilgen des frischen Grünfutters im offenen Stall. Die Kühe werden in Rengoldshausen ausschließlich mit Gras und ohne Kraftfutter wie beispielsweise Mais oder Soja ernährt. | Bild: Stef Manzini

Rohmilch verdirbt auch schneller

Sonja Straub, Bäuerin vom Überlinger Negelhof und Schriftführerin des hiesigen Badischen landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV), sagt dazu: „Natürlich trinke ich auch meine unbehandelte Milch am liebsten, das ist klar. Dennoch möchte ich zu bedenken geben, dass diese Rohmilch auch schneller verdirbt und nicht jeder Verbraucher sozusagen an der Milchquelle sitzt.“ Straub betreibt auf ihrem Hof konventionelle Milchwirtschaft.

Landwirtschaftsmeisterin Mechthild Knösel übernahm vor 13 Jahren die Stammherde auf dem Hofgut Rengoldshausen, bestehend aus 50 Milchkühen und drei Zuchtbullen. Mit den Kälbern sind es rund 150 Tiere. Auch die männlichen Kälber bleiben auf dem Hof und werden dort bis zu zwei Jahre gemästet, das sei eher unüblich, sagt Knösel.

„Ich habe kein Problem damit, als ‚Kuhfrau‘ bezeichnet zu werden. Ganz im Gegenteil ist dieser Titel mittlerweile ...
„Ich habe kein Problem damit, als ‚Kuhfrau‘ bezeichnet zu werden. Ganz im Gegenteil ist dieser Titel mittlerweile nicht nur bekannt, sondern auch sehr liebevoll gemeint“, sagt Mechthild Knösel vom Hofgut Rengoldshausen. | Bild: Stef Manzini

Was ist der Unterschied zur konventionellen Milchwirtschaft?

Der besondere Ansatz und der Unterschied zur konventionellen Milchwirtschaft sei aber die Lebensleistungszucht, betont die Landwirtin. Ihre Milchkühe müssten nicht sehr schnell sehr viel Leistung bringen, denn dadurch würden die Tiere krank und „ausgepowert“. Ältere Kühe geben auch mehr Milch, das sei ganz natürlich, erklärt die Fachfrau. Durch ein „Low-Input-System“ halte sie die Kosten der Milchproduktion im Rahmen, da beispielsweise ein kostenaufwendiges Stallfütterungs-System entfalle.

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Das Kalb braucht die Milch der Mutter

Rund 5000 Liter Milch, das entspricht der Hälfte der konventionellen Milchproduktion, gibt eine Kuh pro Jahr – davon erhält ihr Kalb 1200 Liter. Die Milch der Mutter brauche es zur gesunden Entwicklung, sagt Mechthild Knösel. Fünf der weiblichen Kälber kämen pro Jahr als Kühe in die Herde und ersetzten die Alttiere. Die ältesten Kühe auf dem Hofgut sind 16 Jahre alt und nach ihrer Aussage „topfit“. Die verbleibenden Rindviecher kämen in die Schlachtung, wobei die Zielsetzung der Bäuerin ist, noch in diesem Jahr eine sogenannte mobile Schlachtung, also eine Tötung vor Ort, zu erreichen. Der behördliche Weg sei allerdings leider sehr aufwendig und zeitraubend, ergänzt Kuhfrau Knösel.

Zwei der drei Zuchtbullen vom Hofgut Rengoldshausen, Asterix und Hannes, beide zweieinhalb Jahre alt. Mechthild Knösel erklärt ihre ...
Zwei der drei Zuchtbullen vom Hofgut Rengoldshausen, Asterix und Hannes, beide zweieinhalb Jahre alt. Mechthild Knösel erklärt ihre Entspannung mit dem ausreichenden Raumangebot und der sogenannten „Low-Stress-Behandlung“ der Tiere. | Bild: Stef Manzini

In der konventionellen Milchwirtschaft werden Kälber von Müttern getrennt

Auch in der konventionellen Milchwirtschaft gibt es alte Kühe, erklärt Sonja Straub, deren älteste Milchkuh elf Jahre alt ist. Bis zu 10 000 Liter Milch geben ihre 150 Holsteiner Milchkühe pro Jahr, haben bis zu zehn Kälber und werden für diese Spitzenleistung sogar prämiert und ausgezeichnet. Die Kälber werden nach zwei bis drei Stunden von den Müttern getrennt und erhalten nach drei Mahlzeiten Muttermilch dann Vollmilch, also auch von anderen Kühen, die mit Kraftfutter angereichert wird. „Wir überprüfen und optimieren das Futter ständig auf die Milchleistung und ich möchte das Prinzip mit der Nahrung eines Hochleistungssportlers vergleichen. Ein Marathonläufer braucht ja auch besondere Inhaltsstoffe bei seiner Ernährung. Bei unseren Kühen ist der Marathon die Milchleistung“, erklärt die studierte Agrarwissenschaftlerin Sonja Straub.

„Ein Marathonläufer braucht ja auch besondere Inhaltsstoffe bei seiner Ernährung. Bei unseren Kühen ist der Marathon die ...
„Ein Marathonläufer braucht ja auch besondere Inhaltsstoffe bei seiner Ernährung. Bei unseren Kühen ist der Marathon die Milchleistung“, sagt Agrarwissenschaftlerin Sonja Straub. Sie betreibt auf ihrem Hof konventionelle Milchwirtschaft. | Bild: Hilser, Stefan

Um möglichst vielen Landwirten seine Philosophie im Umgang mit den Kühen zu veranschaulichen, veranstaltet das Hofgut Rengoldshausen am 17. Juli einen Praktikertag rund ums Milchvieh. Dazu werden Landwirte und Interessenten der Region und aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich eingeladen. „Mir kommt es darauf an, dass wir alle Landwirte, auch die konventionellen, einladen, denn wir möchten die Neugier für unsere Konzepte wecken“, sagt Mechthild Knösel. Es gehe dabei um eine Wissensvernetzung zum Thema Milchwirtschaft, aber die eigentliche Überschrift sei das Tierwohl, erklärt die Landwirtin.

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Hörner bleiben erhalten

So möchte Mechthild Knösel auch ihr Statement zur besseren Milch übersetzt wissen. „Meine innere Haltung zu den Kühen drückt sich aus in der artgerechten Tierhaltung. Ich gebe ihnen mein Bestes und erhalte ihr Bestes, so meine ich das mit der besten Milch.“ Kälber bleiben in Rengoldshausen übrigens bei ihren Müttern und auch die angeborenen Hörner bleiben dem „Schweizer original Braunvieh“ erhalten. Einer der elf Experten am Praktikertag referiert speziell zu diesem Thema. Die Rengoldshauser Bäuerin sagt dazu: „Die Hörner gehören dahin, sonst wären sie ja nicht da. Der Grund für die Entnahme der Hörner ist ja das Verletzungsrisiko. Dazu sage ich, es ist eine Frage, wie viel Raum ich den Tieren lasse – und bei uns hat eine Kuh im Stall etwa 30 Quadratmeter.“ Vorgeschrieben von der Landwirtschaftskammer sind 4,5 Quadratmeter Stallfläche pro Tier.

Wichert, einer der jungen Mastbullen, am Salzstein. Salz brauchen die Kühe wie ihr tägliches Fressen und Trinken, erklärt Mechthild Knösel.
Wichert, einer der jungen Mastbullen, am Salzstein. Salz brauchen die Kühe wie ihr tägliches Fressen und Trinken, erklärt Mechthild Knösel. | Bild: Stef Manzini