„Fragwürdige Erdbewegungen“ glaubte ein SÜDKURIER-Leser und aufmerksamer Bewohner des Schättlisberg schon seit einigen Wochen unterhalb von Aufkirch nördlich der B31-alt beobachtet zu haben. Völlig unnötig nennt er den Umbau zu einer Kreuzung oder Einfahrt, die neue Risiken mit sich bringe. Rechtskonform, ja sogar verpflichtend sind die massiven Eingriffe, die als Ausgleich für andere Straßenbauten gelten, ob sie in der Gesamtschau aus heutiger Sicht allerdings auch noch sinnvoll sind?

„Dem Naturschutz bringt das überhaupt nichts“
Mehr als fragwürdig ist der vermeintliche Rückbau im Namen des Bundesnaturschutzgesetzes auch aus Sicht manches lokalen Experten. „Dem Naturschutz bringt das überhaupt nichts“, ist Landschaftspfleger Gerhard Weyers überzeugt. „Diesen Aufwand und die Kosten hätte sich der Staat glatt sparen können.“ Und der ist sowohl optisch wie auch finanziell durchaus beträchtlich. Denn rund 2 Millionen Euro kostet laut Regierungspräsidium die Maßnahme zur „Entsiegelung“, die der Bund aus seinen Straßenbaumitteln bezahlt.
Es gibt eine lange Vorgeschichte
Warum also das alles? Um zumindest den Versuch einer Antwort zu geben, muss man in der Planung der B31-neu weit zurückblättern. Bereits 1994 war die ausgebaute Straße bis Hohlinden freigegeben worden, sechs Jahre später bis zur sogenannten Tierheimkreuzung.

Gleich zwei Anläufe brauchte es zur Planung des zweiten Teils des zweiten Bauabschnitts bis zum Burgberg. Der erste Anlauf war 2007 zu Papier gebracht worden, allerdings waren hier einige Aspekte der europäischen Naturschutzrichtlinien am Andelshofer Weiher nicht beachtet und bearbeitet worden.
Mehr Erfolg hatte der Planfeststellungsbeschluss, den Regierungspräsident Hermann Strampfer der damaligen Oberbürgermeisterin Sabine Becker als lang ersehntes Bonbon zur Amtseinführung im Februar 2009 mitgebracht hatte.
Verpflichtung zum Rückbau
Bestandteil der damaligen Baugenehmigung für die B31-neu, die gut zehn Jahre später eröffnet werden sollte, war die Verpflichtung zum Rückbau des Anschlusses, der im Moment zum Abschluss kommt. „Von Seiten der Stadt Überlingen, der Polizeidirektion Friedrichshafen und auch privater Einsprecher“ sei gefordert worden, heißt es in der Planfeststellung von 2009 auf Seite 51, „auf den Rückbau der planfreien Anschlussstelle B31-alt/L 200/K 7786 und auf den Teilrückbau des vierspurigen Abschnittes der B31 alt in Höhe der Brücke des Salem Colleges zu verzichten.“ Auch die Gemeinde Owingen habe sich gegen den Rückbau der Anschlussstelle ausgesprochen.

Diese Forderungen habe man allerdings nicht erfüllen können. „Es handelt sich um Ausgleichsmaßnahmen gemäß §21 NatSchG, deren Ziel es ist, die Bodenfunktionen der entsiegelten Flächen wiederherzustellen“, wird die Maßnahmen begründet. Und: „Soweit die Entsiegelung von Straßen möglich ist, ist diese vor anderweitigen Kompensationsmaßnahmen durchzuführen.“
Die Beibehaltung der Anschlussrampe (die bisherige Ausfahrt Richtung Aufkirch) sei aus verkehrlichen Gründen nicht erforderlich. Auch könne in Anbetracht des im Bereich der Aufstiegsstrecke Überlingen-West nach dem Neubau verbleibenden Verkehrs auf den talwärts führenden Zusatzstreifen verzichtet werden. „Damit wird auch die Entlastungswirkung des Neubaus für die betroffenen, für den Naturschutz hochwertigen Bereiche wesentlich optimiert“, heißt es im Planfeststellungsbeschluss von 2009.
Werden Artengemeinschaften zerstört?
Zumindest die letzte Aussage stellt Landschaftspfleger Gerhard Weyers völlig infrage. „Ich kann hier überhaupt keinen Mehrwert für die Natur erkennen“, sagt er. Im Gegenteil. Mit den massiven Erdbewegungen und Aufschüttungen werde das Oberste nach unten gekehrt und die über Jahrzehnte hinweg entstandenen und an die Bedingungen angepassten Artengemeinschaften wieder zerstört.
Ganz zu schweigen von dem intensiven Maschinen- und Energieeinsatz, der Bemühungen um den Klimaschutz geradezu konterkariere. Wobei der nun eingebaute Boden seit dem Bau der B31 neu bei Nesselwangen zwischengelagert gewesen war.
Das sagt das Regierungspräsidium
„Der Knotenpunkt wird entsprechend seiner jetzigen Verkehrsbedeutung umgestaltet, nachdem die B31-neu die Verkehrsfunktion der alten B31 übernommen hat“, heißt es auf Anfrage in einer aktuellen Stellungnahme des Regierungspräsidiums (RP) Tübingen. Soll heißen: Da auf der als Stadtumfahrung gedachten Trasse inzwischen weniger Verkehr unterwegs ist und prognostiziert wird, braucht es auch keine kreuzungsfreien Einmündungen mehr.

Ziel sei es auch, so das RP, „die Bodenfunktionen der ehemals versiegelten Flächen wiederherzustellen“. Dies sei zum einen durch den bereits umgesetzten teilweisen Rückbau der B31 in Fahrtrichtung Sipplingen erfolgt und werde durch den Rückbau der nicht mehr benötigten Auf- und Abfahrtsäste am Knotenpunkt B31/K7786 vervollständigt.
Hier werden rund 65.000 Kubikmeter Bodenmaterial eingebaut, das noch vom Bau der B31-neu stammt. Dies sei bereits im Bodenmanagementkonzept der Neubaumaßnahme vorgesehen. „Der Bereich wird naturnah modelliert und eine Magerwiese angelegt“, betont die Behörde und: „Die Maßnahmen zum Umbau des Knotenpunktes einschließlich der Rekultivierung belaufen sich auf etwa 2 Millionen Euro und werden durch die Bundesrepublik Deutschland getragen.“