Angenommen, die komplette Menschheit ginge gemeinsam im Bodensee zum Baden. Wie stark würde der Wasserpegel steigen, wenn alle acht Milliarden Menschen gleichzeitig ins Wasser hüpften? Verblüffenderweise beträgt der errechnete Anstieg nicht ganz einen Meter. Diese Zahl macht deutlich: Das Wasser im Bodensee geht so schnell nicht zur Neige. (Hinweis der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Textes nannten wir einen Anstieg von zehn Zentimetern und bitten darum, den Fehler zu entschuldigen).
Laut wetter.de: „Kaum noch Wasser“?
Wenn man dieser Tage Meldungen im Internet zum sinkenden Bodenseepegel verfolgte, stieß man auf diesen Titel, den wetter.de veröffentlichte: „Der Bodensee hat kaum noch Wasser.“ Das klingt erschreckend. Hintergrund ist der niedrige Pegelstand, den es momentan zu vermelden gibt. Er führt dazu, dass Strandabschnitte breiter in Erscheinung treten, dass Inseln auftauchen und Spaziergänge an Uferabschnitten möglich werden, wo man sonst im Wasser watet. Mithin handelt es sich um ein schönes Naturerlebnis für alle, die im Bodensee vor allem dessen Freizeitwert erkennen. Doch ist er auch Deutschlands größter Trinkwasserspeicher, und es stellt sich die Frage, ob uns irgendwann dürsten wird, wenn der Pegel weiter sinkt.
Laut BWV: „Sind nicht betroffen“
Wir fragten beim Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung in Sipplingen nach. Pressesprecherin Teresa Brehme stellt klar: „Schwankungen im Wasserstand sind ein natürlicher Vorgang im Bodensee und haben keine Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung. Wir entnehmen das Wasser ja in 70 Metern Tiefe, weshalb wir von den schwankenden Pegelständen nicht betroffen sind.“
Und wie ist es mit Blick auf den Klimawandel? Brehme: „Nach den heutigen Erkenntnissen werden wir auch in Zukunft genügend Wasser im Bodensee haben. Klimamodelle prognostizieren zwar eine zeitliche Verschiebung bei den Niederschlägen.“ Es gebe dann höhere Niederschlagsmengen im Winter und geringere Mengen im Sommer. „Die Jahressumme der Niederschläge auf der Alpennordseite und somit im Wassereinzugsgebiet des Bodensees wird in etwa gleich bleiben.“ Das Ab- oder Wegschmelzen der Gletscher habe nur geringfügige Auswirkungen auf den Gesamtzufluss.

Wobei der Klimawandel am Bodensee unübersehbar ist. „Außergewöhnliche Wasserstände, Besiedlung durch Pflanzen und Tiere aus weit entfernten Gebieten oder schwächere Zirkulation im Winter sind einige der Indizien“, formuliert Teresa Brehme. „Die Bodensee-Wasserversorgung beschäftigt sich natürlich mit den möglichen Auswirkungen des Klimawandels am Bodensee und bereitet sich vor.“ Zur Vorsorge gehört beispielsweise der Ausbau der Behälterkapazitäten, Ersatzstromanlagen und Pumpen in genügender Anzahl.
Jetzt ist es Anfang April. Im Mittelwert der letzten Jahre betrug der Bodenseepegel für diesen Zeitraum 3,04 Meter, gemessen am Pegel in Konstanz. Am 2. April dieses Jahres lag der tatsächliche Wasserstand bei 2,74 Meter, also 30 Zentimeter unter dem Durchschnittswert.
Laut LUBW: „Nicht außergewöhnlich“
Die höchsten Pegel verzeichnet der Bodensee im Sommer, den niedrigsten im Winter. Die Landesanstalt für Umwelt Baden Württemberg (LUBW), zu der das Institut für Seenforschung in Langenargen gehört, begründet den „Jahresgang“ mit dem alpinen Einzugsgebiet: „Im Winter wird der Niederschlag in Form von Schnee gespeichert und kommt daher nicht zum Abfluss. Die Folge sind winterlich niedrige Wasserstände. Im Sommer tragen Schneeschmelze und Regen im Einzugsgebiet zu einem – im jahreszeitlichen Vergleich – hohen Wasserstand bei.“ Die Schwankungen betragen in normalen Jahren 1,5 Meter.
Der aktuell relativ niedrige Wasserstand des Bodensees liege neben der natürlichen Charakteristik des Bodensees an den aktuell geringen Niederschlagsmengen im Einzugsgebiet des Bodensees sowie an einer unterdurchschnittlichen Schneedecke und damit geringeren Schneeschmelze. „Der geringe Wasserstand ist für diese Jahreszeit jedoch nicht außergewöhnlich“, betont André Postel von der LUBW. Nun komme es auf die Niederschläge im Frühsommer an, ob sie die geringe Schneeschmelze ausgleichen. „Sollten die Niederschläge zu gering ausfallen, könnte eine Niedrigwassersituation im Sommer 2025 möglich sein.“
Zurück zur Frage, ob das Wasser irgendwann ausgehen könnte: Der Bodensee hat einen Rauminhalt von 48 Milliarden Kubikmetern Wasser. 200 Zuflüsse sorgen für einen relativ konstanten Pegel. Die beiden größten Zuflüsse sind der Alpenrhein und die Bregenzerach. Teresa Brehme von der Bodensee-Wasserversorgung: „Der Alpenrhein liefert mit Abstand das meiste Wasser. Insgesamt 11,5 Milliarden Kubikmeter Wasser fließen jährlich in den Bodensee. Das ist hundertmal mehr, als die Bodensee-Wasserversorgung entnimmt.“ Bis zu 670 Millionen Liter dürfe die BWV aufgrund internationaler Vereinbarungen täglich aus dem See entnehmen. „Die durchschnittliche Verdunstung durch die Sonne beträgt etwa das Doppelte der Entnahme.“