400 Jahre nach Ausrottung der Waldrappkolonie bei Überlingen am Bodensee landete dort am 7. Mai das Männchen Zoppo. Wenige Tage später, am 10. Mai, folgte das subadulte Weibchen Bonsi. Zu diesem für den Biologen Johannes Fritz und sein Waldrapp-Team wichtigen Erfolg in der Gründung einer neuen europäischen Waldrapp-Kolonie am Bodensee reihte sich ein zweiter Meilenstein: Am 6. Mai kehrte das Männchen Phebe als erster Waldrapp aus dem Wintergebiet nach Rosegg in Kärnten zurück. „Phebe wird so zum Gründer einer vierten Brutkolonie im Rahmen des europäischen Wiederansiedlungsprojektes. Die gesamte Population umfasst derzeit rund 130 Tiere“, teilte Johannes Fritz am Dienstag in einem Pressetext mit.

Zoppo war am 29. März im Wintergebiet Laguna di Orbetello aufgebrochen, querte die Alpen und hielt sich dann länger im Schweizer Alpenvorland auf, bevor er am 7. Mai weiter nach Überlingen flog. Am selben Tag starteten auch zwei Weibchen in der Toskana und flogen innerhalb von nur drei Tagen über mehr als 800 km bis an den Bodensee. Das Weibchen Bonsi erreichte Überlingen am 10. Mai und traf dort auf Zoppo. Das zweite Weibchen hält sich noch am Südende des Bodensees auf. Weitere 12 Waldrappe der Überlinger Kolonie seien auf dem Rückweg, verteilt entlang der Zugroute aus der Toskana.
Die Vögel sind mit GPS-Sendern ausgestattet. So konnte der Flug der Vögel verfolgt werden und die Vögel wurden im Brutgebiet bereits von Anne-Gabriela Schmalstieg erwartet. Sie ist eine der beiden Ziehmütter dieser Vögel. Schmalstieg: „Zoppo und Bonsi erkannten mich sofort, obwohl seit der Aufzucht Jahre vergangen sind. Das ist ein großartiges Erlebnis.“
Rückkehr nach Kärnten
Ein weiterer Höhepunkt der vergangenen Tage war die selbständige Rückkehr des ersten Waldrapps nach Rosegg in Kärnten. Der Vogel hat laut Fritz eine spannende Geschichte. Er entstammt der Brutkolonie des Tierpark Rosegg, die keine Zugtradition besitzt. Im Herbst 2018 flog Phebe mit zehn Artgenossen überraschend aus Rosegg Richtung Süden ab. Zwei Tage später gab es eine Sichtmeldung nahe Rom, dann blieben die unbesenderten Vögel vorerst verschwunden. Erst Anfang Dezember wurden zwei dieser Waldrappe in den Abruzzen gesichtet und dort von Daniela Trobe aus dem Waldrapp-Team eingefangen und im Wintergebiet in der Toskana in die migrierende Population integriert. Dieses Ereignis gab Anlass für die Zielsetzung, die Rosegger Kolonie sukzessive in die migrierende Wildpopulation zu integrieren und so im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes eine erste migrierende Brutkolonie südlich der Alpen zu gründen. Die Ankunft von Phebe in Rosegg sei „ein Meilenstein für dieses Vorhaben“, so Fritz.
Johannes Fritz wird weiter in dem Pressetext zitiert: „Erfolgreicher könnte der bisherige Verlauf der Saison 2020 kaum sein. In gleich zwei neuen Brutgebieten sind Vögel zurückgekehrt. Und in den beiden bereits etablierten Brutkolonien Burghausen in Bayern und Kuchl in Salzburg sind inzwischen schon zehn Brutpaare aus dem Wintergebiet eingetroffen und mit der Brut beschäftigt.“
Das Wiederansiedlungsprojekt des Waldrappteams sei „eines der erfolgreichsten und populärsten europäischen Artenschutzprojekte“ so Fritz. Jedoch sei die migrierende Population nicht groß genug, um selbständig überleben zu können. „Die Auswilderung muss in den nächsten Jahren fortgesetzt werden, damit Waldrappe wieder dauerhaft Teil der europäischen Fauna werden.“