Da saß er nun mit seiner früheren Ziehmutter Anne-Gabriela Schmalstieg, auf die er als Jungvogel geprägt worden war, auf der Wiese bei Goldbach, blickte sich neugierig um und noch etwas skeptisch die künstliche Brutwand aus Holz an. Dort, so hofft es zumindest das Waldrappteam, sollen Tiere nach Gründung einer Familie ihr erstes Nest bauen, das später in eine natürlichen Nische an den steilen Molassefelsen am See verlegt werden würde.

Dass es dieses Jahr klappt, ist für Projektleiter Johannes Fritz eher unwahrscheinlich. „Wir wollten ja dort eine kleine Voliere für die erste Brut errichten“, sagt er: „Doch das ging ja wegen Corona nun nicht.“ Die wichtigste Erkenntnis sei für ihn im Moment, dass die Tiere selbstständig migrieren.
„Besser könnte dies nicht laufen“, freut sich Johannes Fritz. Dass ein Tier Ende April an einem Stromschlag zu Tode kam, gehört für den Biologen schon zur bedauerlichen Realität.
In den vergangenen Jahren hatte es auch mehrere Verluste durch Abschüsse in Italien gegeben. Um so erfreulicher sei es jetzt, dass schon kurz nach „Zoppo“ ein zweijahriges Waldrapp-Weibchen eingetroffen ist.

Erst am Mittwoch war „Bensi“ an der Adria aufgebrochen und zielstrebig nach Norden geflogen. Anders als „Zoppo“, der zwei Wochen lang in der Schweiz, den Vogesen und im französischen Jura gewesen war, ehe er sich an den Bodensee begab. Inzwischen ist ein zweites Weibchen „Sky“ im Anflug. Am Donnerstag gestartet, steuerte es Meran und über das Timmelsjoch das Ötztal an, um schon am Samstagabend den Flugplatz Altenrhein zu erreichen, wo es ihm auch gestern Nachmittag noch gut zu gefallen schien.
Erste Brut 2021 erwartet
„Wir rechnen mit der ersten Brut nun erst 2021“, betont Fritz. Sollte es trotz der widrigen Bedingungen dieses Jahr dennoch klappen, wäre das für ihn eine „Zugabe“. Am Freitag war Ziehmutter Anne-Gabriela Schmalstieg angereist, um Schützling „Zoppo“ begrüßen zu können, der sich in Bad Saulgau niedergelassen hatte.

Dort holte ihn die Betreuerin ab und brachte ihn nach Goldbach. „Ich habe ihm gerufen und er kam“, berichtete sie. Nur solche kleinen Hilfestellungen gibt das Team. So wird Anne-Gabriela Schmalstieg auch versuchen, ob sie „Zoppo“ mit etwas Nistmaterial auf die Brutplattform locken kann. Ergebnisoffen. „Wir wollen die Tiere so wenig wie möglich manipulieren.“