Es gibt Auszeichnungen, die sind überfällig. Wer in der Bronzezeit am Bodensee Häuser auf Pfähle stellte, hätte damit jeden Architekturwettbewerb gewonnen – wenn es denn schon Jurys gegeben hätte. Wohnraum mit Seeblick, Brandschutz, Hochwasserschutz, Vorratskammer über dem Wasser, Trockenkammer unter dem Steg: Mehr Raffinesse und Weitsicht ist kaum möglich.
Der erste Architekturpreis der Weltgeschichte wäre hochverdient gewesen
Eine damalige Architektenkammer war vielleicht zu sehr mit rudimentärer Steinbearbeitung beschäftigt. Über dem Hämmern, Meißeln und Schaben verpassten die Architekten der Jungstein- und Bronzezeit leicht ihre Chance, den ersten Architekturpreis der Weltgeschichte an die Baumeister vom Bodensee zu vergeben. Er wäre hochverdient gewesen.
Heute, dreieinhalb Jahrtausende später, häufen sich die Architekturpreise. Aber eben nicht für die bronzezeitlichen Bauherren, sondern für das gegenwärtige Museum, das in der Nachbarschaft der Nachbauten entstanden ist.
Das Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen stapelt die Ehrenurkunden fast so hoch, wie die Pfähle übers Wasser ragen: zuerst der Architekturpreis der Architektenkammer Baden-Württemberg für nachhaltiges Bauen, dann der Deutsche Holzbaupreis und nun, als vorläufiges Sahnehäubchen, der „International Architecture Award 2025“ in Athen. Dort preist man den zwölf Meter hohen Neubau als „umgedrehten Einbaum“ mit expressivem Dachstuhl – eine Beschreibung, die jeden bronzezeitlichen Werbetexter entzückt hätte.
Vorsitzender im Hirschfellmantel
Man möchte sich vorstellen, wie eine damalige Kammer – Vorsitz: der Älteste im feierlichen Hirschfellmantel, Geschäftsstelle in einer rauchgeschwärzten Höhle – nachträglich und peinlich berührt aus dem Jenseits auf ihre hölzernen Sitzungsprotokolle blickt: „Preis? Ach, da war ja was. Haben wir wohl versäumt.“ Heute zeigt das Interesse Hunderttausender Besucher, wie angemessen ein Preis längst wäre.
So sehr sich die Architekten des Museums über Urkunden und Plaketten freuen dürfen – die eigentlichen Preisträger wären die Baumeister von damals. Ohne deren geniale Idee vom Wohnen auf Stelzen gäbe es weder Museum noch Preise. Höchste Zeit, dass die Architektenkammer Baden-Württemberg eine nachträgliche Ehrennadel für die Kollegen aus dem Jahr 1500 vor Christus stiftet.