Eine Rentnerin wohnt alleine in einem Haus. Ihr Ehemann ist vor Monaten gestorben. Als sie eines Abends im früheren Ehebett liegt, sieht sie ihn. Der Verstorbene steht leibhaftig im Schlafzimmer.
Die Frau packt die Todesangst. Sie ruft Geisterjäger an.
Das sind die falschen Leuten, wie Walter von Lucadou mit Wut in der Stimme erklärt: "Da können sie sehen, was aus reiner Dummheit, ohne Erfahrung und psychologisches Wissen angerichtet werden kann." Von Lucadou ist Parapsychologe und Leiter der Parapsychologische Beratungsstelle in Freiburg. Er und sein Team jagen keine Geister. Sie jagen den menschlichen Geist.
Der Geist sitzt im Kopf
Er erklärt seine Wut auf die Geisterjäger: "Nach ihren Tests im Haus erklärten sie, dass der Geist exisitert und wirklich herumspukt. Die Jäger wussten aber nicht, dass der verstorbene Mann ein fürchterlicher Haustyrann war. Er quälte die Frau in ihrem Leben. Jetzt quält er sie noch nach dem Tod weiter, denkt die Frau. Sie ist danach total verzweifelt." Die Frau wendet sich in ihrer Panik an die Parapsychologische Beratungsstelle.Walter von Lucadou kann die Frau beruhigen:"Seinen toten Ehepartner zu sehen, ist keine Krankheit. Es ist normal."
Totensichtung kann erklärt werden
Er beruft sich auf die Wissenschaft, denn das tut die Parapsychologie. Sie erklärt Erlebnisse und Verhaltensweisen von Menschen, die aus den Disziplinen Psychologie, Biologie und Physik herauszufallen scheinen. Paranormale Dinge eben, wie verstorbene Menschen an der Bettkante stehen zu sehen.

Von Lucadou, selbst promovierter Physiker und Psychologe, erklärt das Phänomen der Totensichtung. Der Ehepartner werde nach langer Zeit zu einem Gewohnheitsbild im Gehirn, das sich unterbewusst abspeichere. "Eine Studie bestätigt es. 80 Prozent aller Partner, die lange zusammenlebten, haben den toten Partner in einer Halluzination wiedergesehen. Im Zeitraum von einem halben bis einem Jahr nach dem Tod."
70 Spuk-Anrufe in zwei Monaten
Die Sichtung von Toten kann also erklärt werden, den Betroffenen nimmt das die Angst. Doch es gibt nicht für jede paranormale Erscheinung eine Lösung.
"Die wirkliche Natur ist wesentlich komplexer, als es im physikalischen Lehrbuch steht. Ich befasse mich seit 50 Jahren mit dem Spuk und haben immer noch offene Fragen", meint von Lucadou. In Deutschland hört es zumindest das ganze Jahr nicht auf zu spuken. In zwei Monaten gehen bei der Beratungsstelle im Schnitt rund 70 Anrufe wegen Spukerlebnissen ein.
Die Angst vor dem Verrücktsein
"Die Leute erwarten nicht, dass wir sofort Lösung haben, aber dass wir es uns anhören und vernünftig darüber sprechen. Das ist bei der Angstbewältigung das A und O." Häufig, sagt von Lucadou, kommt es vor, dass Menschen nicht über unnatürliche Erscheinungen sprechen. Die Angst, als verrückt abgestempelt zu werden, lässt sie schweigen. Und dieses Gefühl könne tatsächlich verrückt machen.
In der Beratungsstelle arbeiten deshalb neben dem Leiter zwei weitere Psychologen, eine Pädagogin, eine Religionssoziologin, eine Ethnologin und eine Psychotherapeutin.
Für das Team ist es ein dauernder Kampf, im Feld der Parapsychologie tummeln sich viele "Scharlatane", wie von Lucadou sie beschreibt. Besonders in der Esoterikszene. Als eine Art Verbraucherstelle klären er und mit seinen Mitarbeitern auf, welche Angebote seriös sein könnten und welche an den Haaren herbeigezogen sind. An Geisterjagden in vermeintlichen Spukhäusern, wie dem Hotel Waldlust im Schwarzwald, nehmen sie nicht teil.
"Sie müssen etwas von Physik und Messtechnik verstehen"
Das habe nichts mit Wissenschaft zu tun, betont von Lucadou: "Um eine anständige, kontrollierte Messung vorzunehmen, wo sie hinterher sagen können, dass sich das elektromagnetische Feld geändert hat, müssen Sie etwas von Physik und Messtechnik verstehen. Da haben die meisten Leute null Ahnung, starren auf ihre blinkenden Lämpchen und freuen sich, wenn es Ausschlag gibt."
Im schlimmsten Fall, wie bei Totensichtung der Rentnerin, verstärken die Hobbyforscher mit ihren Erklärungen die Ängste der Betroffenen.
Sterbenskranke Frau zahlt eine Million Euro
Und es zeigt sich, dass verzweifelte Menschen in ihrer Angst zum letzten Strohhalm greifen. Ein gemeldeter Fall, der alle anderen in den Schatten stellt: Eine sterbenskranke Frau nahm die Hilfe eines selbst ernannten Heilers in Anspruch, der über paranormale Fähigkeiten verfügen sollte. Am Schluss war sie noch kränker als davor. Für die Behandlung bezahlte die Frau eine Million Euro, berichtet der Parapsychologe. Ein Anruf bei von Lucadou und seinem Team hätte den Betrug verhindern können.
Der Spuk als alltägliches Phänomen
Für Walter von Lucadou ist das Übersinnliche ein Teil des normalen Lebens. Seit über 50 Jahren.
Ob der Wissenschaftler in seiner Arbeit gruselige Dinge erlebt hat, für die es keine Antwort gibt? Der 73-Jährige lacht und sagt: "Ja, das ist etwas Alltägliches. Bei uns im Hausgang ist eine Lampe. Manchmal geht das Licht an, manchmal auch nicht. Der Hobbywissenschaftler sagt bestimmt: 'Das ist ein Spuk.' Aber es ist wohl ein Wackelkontakt. Ich habe ihn nur noch nicht gefunden."