Keine Süßigkeiten, kein Alkohol oder kein Fleisch: Wer von Aschermittwoch bis Ostern Verzicht übt, ist nicht allein. Laut einer Umfrage der DAK Gesundheit aus dem Jahr 2022 nimmt der Fasten-Trend in Deutschland zu. Rund 23 Prozent der Bundesbürger erachten es als sinnvoll, aus gesundheitlicher Sicht zu fasten. Dabei stellt sich die Frage, ob der Sinn des Fastens allein darin liegt.

Dekan Peter Berg hat als Münsterpfarrer naturgemäß einen anderen Ansatz zum Thema. Er vergleicht die Fastenzeit mit dem Rhythmus der Natur. Auf der nördlichen Erdhalbkugel fällt Ostern mit dem Frühling zusammen. Nicht nur die Natur erneuere sich nach dem Winter, auch der Mensch erlebe in der Fastenzeit eine Art Neubeginn – ein Aufblühen.
Dabei geht es für Dekan Peter Berg in der Fastenzeit nicht nur um ein bloßes Weglassen von bestimmten Nahrungsmitteln. Vielmehr sieht er darin einen tieferen Sinn: „Schädliches von sich fernzuhalten allein ist nicht das Fasten“, so Dekan Berg.
Zum christlichen Fasten gehöre immer auch eine zweite Dimension dazu: das Geben. Durch bewussten Verzicht könnten Freiräume entstehen, die ein intensiveres Erleben und Reflektieren ermöglichen und Raum für Gemeinschaft und Begegnung schaffen. „Heutzutage spüren viele nicht mehr, ob es dem anderen gut oder schlecht geht“, bedauert Berg. Für ihn ist deshalb ein Grundgedanke der Fastenzeit, wieder feinfühliger und aufnahmefähiger zu werden für unsere Mitmenschen: „Ein Ziel der Fastenzeit ist es, das Leben wieder zu spüren“, so Berg.
So kann der Münsterpfarrer dem Fasten als Trend-Erscheinung nicht viel abgewinnen. Im Gegenteil hält er Selbstoptimierung für einen falschen Fastenzweck. Im Leistungsdenken erkennt er sogar eine schädliche Seite des Fastens. Es gehe beim Fasten nicht darum, sich selbst zu kasteien. Diese Sicht führt nur zu einem übertriebenen Selbstfokus und verbaue den Blick für alles andere – auf das Leben, die Schöpfung und die Umwelt.
Achtsamkeit steht auch beim Fastenbegriff von Isabelle Frenzl im Mittelpunkt. Die Ernährungsberaterin im Rehaklinikum Bad Säckingen. Frenzl erklärt, dass Fasten nicht immer quälenden Verzicht bedeuten muss. Es gehe vorrangig darum, dem Körper etwas Gutes zu tun. Als Beispiel nennt sie den temporären Verzicht auf raffinierten Zucker.

Dadurch könne der Geschmackssinn für Süßes wieder auf einen Nullpunkt gesetzt werden. Bindet man Zucker danach langsam wieder in die Ernährung ein, werde dessen Geschmack intensiver wahrgenommen, sagt Isabelle Frenzl. Dies könne zu körperlichem und psychischem Wohlbefinden beitragen. Verzicht und Genuss schließen sich also nicht per se aus, so Frenzl. Im Gegenteil: Ein temporärer Verzicht trage so zu mehr Genuss bei.
Fasten als Heilmittel
Ernährungsfachfrau Isabelle Frenzl und Pfarrer Peter Berg sind sich auch in einem anderen Aspekt einig: Fasten kann heilsam sein. Eine Heilfastenkur kann laut Frenzl dazu beitragen, positive Impulse für eine gesündere Zukunft für Körper und Geist zu setzen. Einige Fastende fühlen sich laut Frenzl energetischer und erleben ein regelrechtes „Fasten-High“.
Falsches Fasten kann gefährlich werden
Frenzl warnt aber vor Radikal-Kuren. Falsches Fasten könne gefährlich sein. Sie rät unter anderem Schwangeren, Kindern, Personen mit rheumatischen Erkrankungen, Niereninsuffizienz, Diabetes oder Autoimmunerkrankungen von strengem Fasten ab. Dabei sei besonders striktes Heilfasten gesundheitlich nicht immer unbedenklich.
Fasten für den Geist
Auswirkungen hat Fasten nicht nur auf Körper und Gesundheit, berichtet Isabelle Frenzl, es schult auch Disziplin und mentale Festigkeit. Fastende, die sich 40 Tage lang um ihren Körper und Geist kümmern, können stolz auf sich sein: „Ein erfolgreiches Fastenprojekt zeugt von Durchhaltevermögen“, sagt Frenzl.
Auch kleine Fasten-Schritte summierten sich und könnten im Endeffekt zu einem gesteigerten Wohlbefinden beitragen. Die Ernährungsberaterin rät allen Fastenden: „Seid lieb zu euch selbst. Wenn mal ein Tag nicht gelingt, ist das noch lange kein Grund, das Handtuch zu werfen.“