Einmal mehr haben sich die Bad Säckinger Narren im Städtle umgesehen, um alle kuriosen oder fragwürdigen Geschehnisse in der Trompeterstadt aufs Korn zu nehmen. Aber machte sich in diesem Jahr etwas die Milde des Alters bemerkbar und die wirklichen Spitzen blieben aus. Doch wer wie der Narrenspiegel in diesem Jahr 70 Jahre, die Figur des Mehlmarti und Entenkarle 150 Jahre oder das Heidewiibli gar 221 Jahre alt ist, darf getrost mal einen Gang herunterschalten.
Die Mitwirkenden
Denn so ließen die altgedienten Akteure des diesjährigen Narrenspiegels genügend Raum für den „Narresome“ der Bad Säckinger Narrenzunft, der fleißig ausgestreut worden ist und in diesem Jahr reichlich Früchte getragen hat. Denn neben dem in der Region wohl einzigartigen Bühnenbild, das in diesem Jahr die Steinbrückstraße mit dem Blick zu den Beck-Arkaden zeigte, hat die Narrenzunft auf der Narrenspiegelbühne keine Nachwuchsprobleme. Der Nachwuchs in zweiter und gar dritter Generation stellte sich selbstbewusst der Leistung der Vorfahren und das Publikum war während der drei ausverkauften Vorstellungen im Kursaal restlos begeistert.
Die ersten Früchte aus dem Narresome waren zwar erst elf Jahre alt, aber zumindest einer ist inzwischen ein alter Hase auf der Bühne. Der Kater Hiddigeigei Fabian Bächle hat sich auch in diesem Jahr mit Lenny Schartner als Kater Wunderfitz Verstärkung auf die Bühne geholt. Sie haben sich gemeinsam umgesehen, was die Stadt so das ganze Jahr über bewegt und resümierten: „Bisch niedig du im Läbe – kriegsch du gruusigi Gräbe“.

Ebenfalls seit Jahren gemeinsam auf der Bühne sind das Heidewiible Kevser Sagkol und Victor von Scheffel alias Andre Schnider, dem „Narresome“-Alter längst entwachsen. Denn das Heidewiible feierte bereits mit einem „Dinner for One“ den 221. Geburtstag auf der Kursaalbühne. Scheffel gab alles, um die imaginären Geburtstagsgäste Udo Lindenberg, Präsident Donald Trump, Herbert Grönemeyer und Angela Merkel würdig und trinkfest zu vertreten.

Um gleich beim gesetzten Alter zu bleiben, schleppten sich die Altstadtschnallen Karina Weiß, Sophia Bührer und Jessica Zimara auf die Bühne. Adelheid, Rosemarie und Hildegard haben sich denn auch Verstärkung aus der Schweiz mitgebracht. Betty Renz als Regula fügte sich nahtlos und mit viel Talent in die Gruppe ein und schnell hatten die Damen das Publikum mit ihrem choralen Sprechgesang auf ihrer Seite. Sie befassten sich einmal mehr mit den Mühen des Alters und so schleppten sie sich in ihren Stützstrümpfen und den „Dritten“ zum Konzert der Toten Hosen. Zu trinken gab es Sangria aus der Schnabeltasse und sie feierten die Verleihung der „Goldenen Bettpfanne“ an ihre Seniorenresidenz „Sonnenuntergang“. Prost, kann man da nur sagen.

Einen weiteren Glanzpunkt setzten die beiden musikalischen Zwillinge Hanna und Katrin Friedrich, ihres Zeichen ebenfalls „Narresome“ der Narrenzunft. Sie erhielten Verstärkung durch Zunftmeister Rolf Meyer, in der Person von Professor Wunderlich, der tüchtig in die Pedale treten und damit die Zeitmaschine in Gang halten musste. Denn rasant und gekonnt nahmen die Zwillinge das Publikum mit auf eine musikalische Zeitreise.

Und was ein richtiger „Narresome“ werden möchte, dem bleibt auch die Narrenschule nicht erspart. Der Klasse stand in diesem Jahr das harte Training zu den Bundesjugendspielen bevor. Ausreden gab es keine, auch wenn die Gesundheit vorgeht, und da war auch ein abgebrochener Fingernagel nicht sehr hilfreich.

Im vergangenen Jahr durch Dekan Peter Berg als Paukenmann nominiert, hatte Bürgermeister Alexander Guhl mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und musste ab Donnerstag seine Stellvertretung schicken. Das ließ sich Karina Weiß kein zweites Mal sagen. Zumal sie Alexander Guhl auch schon bei den Wäldern vor ein paar Jahren würdig vertreten hatte. Und nicht nur da zeigte sich das hervorragende Talent von Regisseurin Melanie Bächle. Stand der Bürgermeister am Mittwoch noch auf der Bühne, musste er am Donnerstag absagen. Doch statt die Nummer des Paukenmanns einfach unter den Tisch fallen zu lassen, setzte sich die Regisseurin einfach hin und schrieb die Nummer kurzerhand und gekonnt um. Dafür, aber auch für die herrlich mutige Vorstellung der „Paukenschnalle“ Karina Weiß, gab es begeisterten Applaus.

Nach vielen Jahren Vakanz waren wieder die „Wöschwiiber“ auf der Narrenspiegelbühne anzutreffen und vervollständigten damit die Reihe der Bad Säckinger Traditionsfiguren. Auf Sebastian Schmidt als Hermine und Lukas Lauber als Clementine darf man sich hoffentlich auch im kommenden Jahr freuen. Denn niemand wäscht so begeistert schmutzige Wäsche, wie es diese Beiden getan haben.

Musikalisch ging es weiter mit den „Großstadt-Scheese“ Eva Koch und Christina Scholz. Sie nahmen gesanglich unter anderem die marode Tiefgarage aufs Korn. „Doch das alles ist Fasnacht“ texteten die Beiden kurzerhand das Prinzen-Lied „Das alles ist Deutschland“ fasnächtlich und augenzwinkernd um.

Auf Hilgi – die Frau für alle Fälle alias Jessica Zimara ist immer Verlass. In diesem Jahr reiste sie klimaneutral mit dem Tretboot an und nahm sich die jüngsten Bürgermeisterwahlen und deren Folgen vor oder den Zölibat der katholischen Kirche: „Die katholische Kirche ist leider noch nicht bereit für eine Dekanine“, zog sie Bilanz. Doch begrüßte sie nicht ganz ernst gemeint die neu eingeführte Bonpflicht: „So kann endlich auch den kriminellen Kleinbäckereien und Kioskbesitzern das Handwerk gelegt werden.“

Traditionell setzten die Figuren Mehlmarti und Entenkarle den Glanzpunkt auf ein rundes Narrenspiegelprogramm. Sie schauten ganz genau hin und zwar vom Tower des Bad Säckinger „Fridli-Airport“ aus. Zum Glück! Denn sonst wäre die Vorsitzende Elisabeth Vogt von Pro Bad Säckingen doch glatt statt auf der Landebahn in der Alten Basler Straße gelandet, in der die Lichter der Nagelstudios in allen Farben blinken. Und sie haben erkannt, dass es durchaus Vorteile hat, wenn der Bürgermeister als Paukenmann auf der Bühne steht: „Als Bürgermeister bekommt er für Blödsinn-Schwätze nicht so viel Applaus.“

Doch dürfen für ein richtiges Narrenspiegelprogramm auch die Tanznummern nicht fehlen. Die Gruppe Circus5 tanzte ein Medley aus den vergangenen fünf Jahren, seit die Formation auf der Bühne steht. Mit dabei auch die jüngste Teilnehmerin des Abends, die sechsjährige Paula Weiß, die sich von dem zahlreichen Publikum überhaupt nicht beeindrucken ließ und gekonnt mit den großen Tänzerinnen mitgehalten hat. Die Tanzgruppe der Maisenhardt-Joggele-Frauen zeigte auf, dass man als „Golden Oldies“ noch längst nicht zum alten Eisen gehört.