Es war vor genau 60 Jahren. Noch niemand dachte an Klimawandel. Ende Januar und Anfang Februar 1963 war es bitterkalt, es herrschten zu Spitzenzeiten bis zu 21 Grad minus. Sie sorgten für ein einmaliges Naturereignis. Nach 1928/1929 gab es wieder eine „Rhygfröri“. Der 250 Meter breite Rhein war in Wallbach (westlich von Säckingen)auf einer Länge vom vielen Hundert Metern bis auf Höhe der übernächsten Gemeinde Schwörstadt zugefroren.

Völkerwanderungen auf dem Rhein zwischen den beiden Wallbachs – die Zöllner waren machtlos.
Völkerwanderungen auf dem Rhein zwischen den beiden Wallbachs – die Zöllner waren machtlos. | Bild: Toni-Maria Schneider

So feierte Wallbach auf dem zugefrorenen Rhein

Allerdings dauerte es einige Tage, bis sich die Bewohner der Region auf das Eis trauten. Von Heinz Thomann aus Wallbach ist bekannt, dass er an seinem Fahrrad einen Holzbalken band, der ihn beim Einbrechen ins Eis vor dem Untergehen bewahren sollte. Schließlich trauten sich immer mehr Menschen auf die Eisfläche und dies in Massen.

Da freuten sich auch die Kinder bei einer Spazierfahrt auf dem zugefrorenen Rhein beim Wallbach.
Da freuten sich auch die Kinder bei einer Spazierfahrt auf dem zugefrorenen Rhein beim Wallbach. | Bild: Irmgard Eckert

Noch in guter Erinnerung ist den älteren Wallbacher Bewohnern das spontane Eisfest, das die schweizerischen und deutschen Wallbacher bei herrlichem Sonnenschein, am Sonntag, 27. Januar 1963, auf der Eisfläche feierten.

Das Bild fand sich im Archiv mit der Unterschrift: Ernst Maier mit Motorrad und Grenzwächter Müller mit Velo.
Das Bild fand sich im Archiv mit der Unterschrift: Ernst Maier mit Motorrad und Grenzwächter Müller mit Velo. | Bild: Archiv

Heiße Würste auf der Rheinmitte

Hunderte von Schaulustigen trafen sich auf dem zugefrorenen Rhein. Mitglieder des Wallbacher Musikvereins hatten ihre Instrumente dabei und gaben, unterstützt von den schweizerischen Kollegen, auf der Flussmitte ein spontanes Konzert. Sie hatten einen Wasserkessel dabei, machten Würste heiß und verteilten sie. Schnäpse sorgten für die nötige Wärme.

Ob sich die beiden Knirpse von damals heute wohl noch an dieses Ereignis erinnern?
Ob sich die beiden Knirpse von damals heute wohl noch an dieses Ereignis erinnern? | Bild: Irmgard Eckert

Der zugefrorene Rhein als zollfreie Zone

So war der Rhein über mehrere Wochen hinweg eine einzige zollfreie Zone. Manche fuhren Schlittschuh, andere zogen einen Schlitten hinter sich her oder wagten auf der Eisfläche ein Tänzchen. Die sonntägliche Wallbacher Jass-Runde ließ es sich nicht nehmen, die Karten nicht in der Wirtschaft, sondern auf dem Rhein zu klopfen.

Sonntagsspaziergang einmal anders.
Sonntagsspaziergang einmal anders. | Bild: Archiv

Die Landung eines Fliegers der Fliegerschule Sisseln, Motorräder Gocarts und Traktoren auf der Eisfläche demonstrierten zur Freude zahlreicher Zuschauer die Tragfähigkeit des Eises.

Vor 60 Jahren auf den zugefrorenen Rhein bei Schwörstadt. Unser Wettermann helmut Kohler kann sich noch gut erinnern an den Spaziergang ...
Vor 60 Jahren auf den zugefrorenen Rhein bei Schwörstadt. Unser Wettermann helmut Kohler kann sich noch gut erinnern an den Spaziergang rüber in die Schweiz. Der Kleinste mit der Zipfelkappe ist Helmut Kohler zusammen mit seinen Eltern und dem Bruder. Das Bild entstand im Bereich des jetzigen Wassersportvereins. | Bild: Archiv Helmut Kohler

Zöllner waren machtlos

Die deutschen wie die schweizerischen Zöllner konnten dem Treiben nur machtlos zusehen. Aus der Sicht des Zolls handelte es sich, wenn Personen aus dem schweizerischen Wallbach die Rheinmitte überquerten, um einen unerlaubten Grenzübertritt.

Deshalb wurden die Zollbeamten angewiesen, für diese Vergehen ein Bußgeld von 5,10 Mark zu kassieren. Doch die vielen Menschen auf dem Eis machten eine Kontrolle unmöglich.

Straflos blieb auch ein schweizerischer Bürger, der auf der badischen Seite ein – wie soll es anders sein – Fähnchen mit weißem Kreuz auf rotem Grund in das Eis steckte, um damit scherzhaft Gebietsansprüche geltend zu machen.

Das Bild zeigt den zugefrorenen Rhein auf Höhe des westlichen Ortseingangs der Gemeinde Schwörstadt, damals fuhren noch Dampfloks auf ...
Das Bild zeigt den zugefrorenen Rhein auf Höhe des westlichen Ortseingangs der Gemeinde Schwörstadt, damals fuhren noch Dampfloks auf der Rheintalstrecke | Bild: Archiv Helmut Kohler

Ob die damals begrenzten Freimengen an Zigaretten oder Kaffee eingehalten wurden, bleibt bis heute ein Geheimnis. Natürlich gab es jede Menge Fotomotive, damals meist in schwarz- weiß, die das einmalige Geschehen dokumentierten.

Erinnerungen aus Öflingen

Eindrücke hinterließ die letzte Rhygfröri auch in Öflingen.

Hugo Thomann, damals Vorsitzender des Musikvereins Öflingen, fotografierte im Februar 1963 ein Promenadenkonzert des Musikvereins am Rhein.
Hugo Thomann, damals Vorsitzender des Musikvereins Öflingen, fotografierte im Februar 1963 ein Promenadenkonzert des Musikvereins am Rhein. | Bild: Hugo Thomann

Augenzeugen von damals erinnerten sich, dass an den Wochenenden wahre Volksfeststimmung herrschte.

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Das ist kein romantischer Sonnenuntergang am Meer. Das Bild zeigt den zugefrorenen Rhein im Januar 1963 auf Höhe des westlichen Ortseingangs der Gemeinde Schwörstadt. | Bild: Archiv Helmut Kohler

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Dieser Artikel wurde erstmals am 1. Februar 2023 veröffentlicht.